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Sachsen-Anhalt SPD-Politiker und Ex-Finanzminister Jens Bullerjahn ist tot

Der frühere Finanzminister und Vizeministerpräsident Jens Bullerjahn stirbt im Alter von 60 Jahren an einer seltenen Krankheit. Er ist friedlich im Beisein seiner engsten Familie entschlafen.

Von Kai Gauselmann Aktualisiert: 26.11.2022, 20:49
Der früherer Landesfinanzminister Jens Bullerjahn ist an den Folgen seiner schweren Erkrankung gestorben.
Der früherer Landesfinanzminister Jens Bullerjahn ist an den Folgen seiner schweren Erkrankung gestorben. Foto: picture alliance / Peter Gercke/dpa-Zentralbild/dpa

Halle/MZ - Sachsen-Anhalts früherer Finanzminister und Vize-Ministerpräsident Jens Bullerjahn ist tot. Der Sozialdemokrat ist am Samstagnachmittag in einer Klinik in Eisleben (Kreis Mansfeld-Südharz) an den Folgen einer schweren und seltenen Erkrankung im Alter von 60 Jahren verstorben.

Das bestätigte sein früherer Staatssekretär Jörg Felgner auf Anfrage der Mitteldeutschen Zeitung. Wie es heißt, ist Bullerjahn im Beisein seiner engsten Familie friedlich entschlafen. Der verheiratete Vater zweier erwachsener Söhne war einer der profiliertesten Politiker in Sachsen-Anhalt nach der Wiedervereinigung.

Lesen Sie mehr zum Thema: Nachruf auf Jens Bullerjahn - ein Mansfelder Macher

Hoffnung auf Heilung gab es für Jens Bullerjahn nicht

In seinem letzten Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung hatte der SPD-Politiker im vergangenen Mai öffentlich gemacht, dass er an der seltenen Nervenkrankheit ALS leidet. Dabei handelt es sich um eine nicht heilbare degenerative Erkrankung des Nervensystems, die zu Muskelschwund führt. „Das ist eine Besonderheit meiner Krankheit: Hoffnung auf Heilung gibt es nicht. Damit muss man umgehen“, sagte Bullerjahn.

Der ehemalige Finanzminister Jens Bullerjahn bei seinem letzten Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung.
Der ehemalige Finanzminister Jens Bullerjahn bei seinem letzten Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung.
Foto: Andreas Stedtler

Gelernter Ingenieur war ein Vater des „Magdeburger Modells“

Der gelernte Elektroingenieur hatte vor der Wiedervereinigung als Ingenieur für Prozessautomatisierung im Mansfeld Kombinat gearbeitet. Nach der Wende ging er in die Politik, wurde Gemeinderats- und Kreistagsmitglied und gehörte 16 Jahre lang dem Landtag von Sachsen-Anhalt an. Als Parlamentarischer Geschäftsführer war er in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre einer der Väter des Magdeburger Modells, der Tolerierung einer SPD-geführten Landesregierung durch die damalige PDS. Er war zeitweilig Landtagsfraktionschef und stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD.

Bundesweit Aufmerksamkeit erregte Bullerjahn mit dem visionären Finanzkonzept „Sachsen-Anhalt 2020“. 2006 und 2011 war er Spitzenkandidat seiner Partei bei den Landtagswahlen und konnte sich zwischenzeitlich Hoffnungen machen, als Ministerpräsident in die Staatskanzlei einzuziehen.

Sparkurs brachte ihm massive Kritik ein

2006 wurde er unter Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) Finanzminister. In seiner zehnjährigen Amtszeit als Minister und Vize-Regierungschef verordnete Bullerjahn dem Bundesland im Kampf gegen die zunehmende Staatsverschuldung einen strengen Konsolidierungskurs. Es gelang ihm schließlich, dass Sachsen-Anhalt keine neuen Schulden aufnehmen musste, Kredite tilgen und sogar Rücklagen in dreistelliger Millionenhöhe bilden konnte. Die massive Streichung von Stellen im Öffentlichen Dienst und Strukturreformen in der Landesverwaltung brachten ihm aber auch den Vorwurf ein, das Land „kaputtzusparen“.

Nur mit immer mehr Geld löst man die Probleme nicht, vor allem nicht in Sachsen-Anhalt.

Jens Bullerjahn, früherer Finanzminister

Seinen politischen Kurs erklärte Bullerjahn in seinem letzten Interview mit der MZ so: „Ich habe schon früher immer im Kabinett und im Landtag gesagt: Was mich vor allem umtreibt, ist die Frage, ob Geld effektiv ausgegeben wird. Wenn ein System nicht funktioniert, ist in der Politik zu oft die Reaktion, einfach noch mehr Geld auszugeben. Mir geht es darum anzuregen, ob man die Dinge nicht anders und besser machen kann.“ Er sei mit sich im Reinen, so Bullerjahn. Und es gelte: „Nur mit immer mehr Geld löst man die Probleme nicht, vor allem nicht in Sachsen-Anhalt.“

HFC- und Hardrock-Fan engagierte sich in der Entwicklungspolitik

Nach seinem Ausscheiden aus der Politik 2016 engagierte sich der Hardrock-Fan, passionierte Motorradfahrer und Anhänger des Halleschen FC in der Entwicklungspolitik und gab Bücher zum Föderalismus und zur Finanzpolitik heraus. In die tagesaktuelle Politik, zumal in Sachsen-Anhalt, mochte er sich nach seinem jahrzehntelangen Engagement nicht mehr einmischen. Seinen ehemaligen Parlamentskollegen gab er aber noch mit auf den Weg: „Ich würde zu mehr Offenheit und Objektivität raten und zu weniger Empörungskultur, in der es nur um Schwarz oder Weiß geht. Bist du für den Krieg oder dagegen? Für oder gegen Lehrer? So löst man keine Probleme. Ich habe mich immer gerne gestritten, wenn im sachlichen Streit die Meinungen hervortraten und die unterschiedlichen Grundsätze sichtbar wurden - und man dann offen über Lösungen debattieren konnte.“