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Landesgestüt Landesgestüt: Pferde-Adel in Not

Von RALF BÖHME 23.08.2011, 20:00

PRUSSENDORF/MZ. - Immer der Nase nach. Erst ein irrer Duft von frischem Heu, nun riecht es nach Pferdeäpfeln. Und plötzlich, da steht der Siegertyp mitten auf dem Hof, fast wie im Bilderbuch: der Hengst Fürst Wettin aus dem Landgestüt Prussendorf (Kreis Anhalt-Bitterfeld). Das Land will das herrschaftliche Anwesen verkaufen. Und das ist heftig umstritten: Die einen sagen, Tafelsilber werde verhökert. Die anderen verweisen auf die leeren Kassen. Gesetzt den Fall, das Land trennt sich tatsächlich von seinem Landgestüt, was passiert dann mit Fürst Wettin und den anderen Tieren? Es ist eine von vielen offenen Fragen.

"Sehen Sie her, die Ohren wirken nicht zu groß, aber auch nicht zu klein, harmonisch passend zum schmalen Kopf" - kurz gefasst: einfach ohne jeden Tadel.

So gerät selbst ein Mann, der sich vor allem auf das Rechnen versteht, ins Schwärmen. Wilken Treu, der kaufmännische Leiter des Gestüts und nebenbei Reiter aus Passion, sagt: "Dieses Pferd kommt dem Ideal schon sehr, sehr nahe." Der Sportler mit vier Beinen vereine eine elegante Statur mit beachtlicher Tragkraft und aktiven, raumgreifenden Bewegungen. Alles Eigenschaften, die vor allem für erfolgreiches Dressurreiten unverzichtbar sind. Deshalb interessieren sich auch Züchter aus ganz Deutschland für den Wettiner und die anderen Prussendorfer Edel-Hengste. Blutauffrischung steht hoch im Kurs. Nur so kommt man - mit etwas Glück - irgendwann zum Pferd seiner Träume.

Ein begnadeter Fohlenmacher

Kein Wunder, dass die Kasse in Prussendorf ordentlich klingelt. Und das ist auch ein wichtiger Grund, warum der Betrieb lediglich auf Landeszuschüsse von wenigen tausend Euro angewiesen ist. Und selbst diese Summe, behaupten Insider, sei entbehrlich, wenn einige zeit- und damit kostenaufwendige Hürden in der Landesverwaltung fallen würden.

Landesstallmeister Siegmund Hintsche nennt den Fürsten von Wettin, ein 2006er Jahrgang, einen begnadeten Fohlenmacher. Eine Sperma-Charge kostet mindestens 450 Euro. Aber auch der Versand per Tiefkühlbox floriert. Ob das Hannoveraner-Pferd damit aber jemals seinen Preis aufwiegen kann? Immerhin 150 000 Euro haben das Landgestüt und sein Partner im sächsischen Moritzburg für ihn bezahlt. Hintsche ist sich seiner Sache sicher: "Das Geld ist gut angelegt." Fürst Wettin erweise sich immer mehr als ein Star, jeder Huf schlage quasi die Werbetrommel für das Gestüt.

So erwartet Prussendorf zum nächsten Tag der offenen Tür am 11. September wieder Tausende von Besuchern. Kaum einer von ihnen dürfte die Verkaufsgedanken, die im Koalitionspapier der Regierung nachzulesen sind, unterstützen. Im Kern geht es dabei um 1 000 Hektar, die das Gestüt bewirtschaftet - teils als Acker, teils als Weidegrund. Mindestens elf, vielleicht auch 13 Millionen Euro soll der Erlös betragen und damit Finanzlöcher stopfen.

Gewiss, Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) tut sich schwer mit dem Verkauf, spricht nach einem Besuch vor Ort von einer "letzten Option". Finanzminister Jens Bullerjan (SPD) kann und will jedoch nicht ewig auf Geld aus dem Landwirtschaftsressort warten. Der zuständige Minister, Hermann Onko Aeikens (CDU), sitzt in der Klemme. Auch deshalb, weil er noch wenige Wochen vor der Landtagswahl im März ein Fürsprecher des Gestüts gewesen ist.

Zu denjenigen, die für politisches Wechselspiel kein Verständnis aufbringen, gehören die Lehrlinge. Anne Bergmann ist eine von zwölf künftigen Pferdewirten, die hier ihre dreijährige Ausbildung absolvieren. Während die junge Frau Chacito mit dem Schlauch abspritzt - offenbar ein Genuss für den fünf Jahre alten Hengst - sagt sie: "Prussendorf ist für mich der Glücksfall." Alles, was man über Pferde wissen müsse, könne man hier lernen - Pflege, Füttern, Springreiten, Dressur, Kutschenfahren, Tiermedizin und auch eine Fohlengeburt. Ihr Kollege Nils Kleine, gerade unterwegs mit dem sechsjährigen Maribu, will die Hoffnung nicht aufgeben.

Bald Polizei-Reiterstaffel?

Er sieht den Besuch des Ministerpräsidenten als gutes Zeichen für den Erhalt. So wünschen es sich auch hunderte Pferdefreunde, die in Prussendorf die Reit- und Fahrschule absolviert haben. Die Lehrgänge dauern meist ein Woche. Erst die Teilnahme berechtigt zum Start bei Wettbewerben. Außerdem werden Trainer und Preisrichter hier für ihre Aufgaben fit gemacht. Darüber hinaus bieten die Prussendorfer ihre Hilfe beim Aufbau einer Polizei-Reiterstaffel für Sachsen-Anhalt an, die Idee von Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) ist freilich heftig umstritten.

"Das Landgestüt ist für uns der Top-Dienstleister rund um das Pferd", sagt Ingo Nörenberg vom Zuchtverband Brandenburg-Anhalt. Er hält nichts von den Verkaufsabsichten und begründet das nicht nur mit dem Tierzuchtgesetz des Landes, das Hengsthaltung und Leistungsprüfungen als staatliche Aufgaben festschreibe. Amtliche Papiere, mit denen die 4 000 Züchter zwischen Saale und Dosse etwas anfangen können, gebe es in Sachsen-Anhalt nun einmal in Prussendorf. Ob Warmblüter, Haflinger, Reit- oder Fahrpony - hier werden die Tiere bis zu 70 Tage trainiert und getestet. Danach steht fest, wie geeignet sie sind - für die Dressur, das Springen, den Geländeritt und natürlich für die Zucht.

Immer wieder erzielen Pferde aus Prussendorf auf Auktionen hohe Preise. Sowohl das brave Tier für die Familie findet sich im Angebot wie auch der seltene Spitzensportler. Aus Sicht des Landesverbandes der Reit- und Fahrvereine, der 11 000 Mitglieder zählt, ist das Landesgestüt auch deshalb unverzichtbar. Um die Nachfrage zu erfüllen, hegt und pflegt die Einrichtung fünf Zuchtstuten. Zusätzlich werden jährlich etwa zehn Hengstfohlen gekauft. Und mehr als 20 ausgewachsene Hengste geben ihr Bestes, allen voran natürlich der Fürst von Wettin.