Streaming-Neuheit bei Disney U-Boot-Havarie vor Schweden - Wie die Welt fast in den Dritten Weltkrieg gestolpert wäre
Die schwedische Komödie „Whiskey on the Rocks“ führt zurück in die Zeit, als sowjetische U-Boote in der Ostsee für Angst und Schrecken sorgten. Regisseur Björn Stein erzählt die Affäre am Rande des Weltuntergangs als absurde Satire.

Halle/MZ. - Der Genosse ist Vater geworden! Hurra! Wenn das kein Grund zur Freude ist. An Bord von U 137, in der sowjetischen Unterseeboot-Flotte als S-363 geführt, bricht an jenem 27. Oktober 1981 Partystimmung aus. Der Wodka fließt in Strömen, der Kapitän schaut gnädig weg, und selbst die Wachoffiziere stehen nach mehreren Stunden eines überaus anstrengenden Saufgelages nur noch schielend um den Kartentisch, als ein harter Schlag das bei der Nato als Boot der Whiskey-Klasse klassifizierte Tausend-Tonnen-Unterwasserschiff trifft.
Niemand weiß, was passiert ist. Es weiß nicht einmal irgendwer, wo sich U 137 befindet. Vor Litauen? Vor Finnland? Vor Schweden? Kapitän Pjotr Gushchin fällt aus allen Wolken, als seine benebelte Brückenbesatzung ihm die Wahrheit sagt: Sein Boot ist in schwedischen Gewässern auf Grund gelaufen. Nur ein paar Kilometer entfernt von einem geheimen Militärhafen in Landskrona. Mitten im Kalten Krieg vielleicht der letzte Platz der Welt, an dem ein sowjetisches U-Boot halbaufgetaucht und bewegungsunfähig stranden sollte.
Disney+-Serie „Whiskey on the Rocks“ hat wahren Ursprung
Die Geschichte ist allerdings wahr. Die Havarie von U 137, so benannt, weil Kapitän Gushchin anfangs versucht hatte, sich mit diesem ausgedachten Namen zu tarnen, hat wirklich stattgefunden, und sie hat die beiden großen, tiefgefrorenen Blöcke seinerzeit mehrere Tage lang knapp vorm Rand des Dritten Weltkrieges taumeln lassen.
Für den schwedischen Jonas Jonasson, der seinen Durchbruch mit dem erfolgreichen Roman „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ feierte, war die bis heute kaum bekannte Geschichte eine Einladung.
Sowjetisches U-Boot auf Abwegen: Disney+ verfilmt historische Beinahe-Katastrophe
Jonasson entwickelte aus den tatsächlichen historischen Ereignissen die Idee für die Disney+-Serie „Whiskey on the Rocks“, die die Fast-Tragödie als absurde Satire nacherzählt. Gnadenlos faktengetreu, dabei aber ähnlich überspitzt wie „M.A.S.H“, Mike Nichols „Catch-22“ und Stanley Kubricks Klassiker „Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben“.
Jonasson lässt kein Klischee aus. Drehbuchautor Henrik Jansson-Schweizer („Thicker Than Water“, „Superswede“) und Regisseur Björn Stein („Midnight Sun“) sorgen für Tempo, glaubwürdige Besetzung und Kulissen, in denen eine Handlung abrollt, wie sie sich damals wirklich abgespielt haben könnte.
Zentrale Figur ist Schwedens Ministerpräsident Thorbjörn Fälldin, ein ehemaliger Schafzüchter, der plötzlich bis zum pfeifepaffenden Mund im Zentrum einer weltpolitischen Affäre steckt.
Cowboy gegen Kreml-Chef: Kalter Krieg als politische Satire
Denn das havarierte Boot samt seiner atomaren Bewaffnung einfach so bergen zu lassen, kommt für Schweden, erst recht aber für den großen Bruder USA nicht infrage. Zu verlockend für den vom Briten Mark Noble als lässiger Cowboy gespielten Ronald Reagan ist die Aussicht, die andere Supermacht gründlich zu blamieren.
Ein Gedanke, der den litauischen Schauspieler Kestutis Stasys Jakštas als Leonid Breschnew zu Wutausbrüchen treibt. Zumindest, wenn der damals 74-Jährige und bereits schwer kranke Staats- und Parteichef sich gerade erinnern kann, worum es geht.
Reagan schickt Flugzeuge. Breschnew setzt seine Flotte in Marsch. Das schwedische Oberkommando hat eine Batterie Geschütze an die Küste beordert, die jedes Eindringen von weiteren sowjetischen Schiffen in die Drei-Meilen-Zone verhindern sollen.
Politisches Machtspiel zwischen Ost und West
Das Problem: Wegen eines Manövers steht den wackeren Verteidigern keine Munition zur Verfügung, denn die liegt in Malmö. Während der Kreml also Kriegsschiffe Kurs nehmen lässt, die schiffbrüchigen Kameraden zu retten, können die Schweden nur so tun, als könnten sie das verhindern.
Schwedische Diplomatie verhindert Eskalation: Geheime Heldinnen
Hinter den Kulissen wird am roten Telefon verhandelt oder wenigstens so getan. In der Serie sind die Dolmetscherinnen geheime Heldinnen, denn was sich Breschnew und Reagan an den Kopf werfen, kleiden sie in sanfte diplomatische Sätze. „Haben Sie das wörtlich übersetzt?“, fragt Breschnew einmal, nachdem er sein amerikanisches Gegenüber als Schweinekopf bezeichnet hat. „Natürlich, Genosse“, sagt die Übersetzerin, die eine längere Schimpftirade des Kremlherren gerade als knappes „Nein“ ins Englische übertragen hat.
Die Details sind ein Riesenspaß, die Tricks, die Thorbjörn Fälldin gemeinsam mit der Sowjet-Botschafterin anwendet, um das Schlimmste zu verhindern, großes Kino auf dem kleinen Bildschirm.
Der Besonnenheit der beiden ungleichen Politiker, im Film verbunden durch die Liebe zur Schafzucht, war es damals letzten Endes zu verdanken, dass S-363 nach Hause zurückkehrte. Und der Dritte Weltkrieg ausfiel.
Disney+, „Whiskey on the Rocks“