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Theater Eisleben zeigt „Zweier ohne“ Hunger nach Leben

Sonja Wassermann hat am Theater Eisleben die packende Geschichte dreier Heranwachsender inszeniert: „Zweier ohne“ nach dem gleichnamigen Roman von Dirk Kurbjuweit.

Von Andreas Montag 16.02.2025, 17:18
Johann (Tom Bayer), Vera (Ida Karoline Dobrenz) und Ludwig (Moritz Gehrckens) essen um die Wette (von links).
Johann (Tom Bayer), Vera (Ida Karoline Dobrenz) und Ludwig (Moritz Gehrckens) essen um die Wette (von links). (Foto: Ronjafotografie)

EISLEBEN/MZ. - Es sind verlorene Kinder. Zwar stehen sie nicht allein in der Welt, aber es ist auch niemand wirklich für sie da. Ludwig (Moritz Gehrckens) und seine Schwester Vera (Ida Karoline Dobrenz) wachsen bei ihrem Vater auf, die Mutter ist fort. Johann (Tom Bayer, der die Geschichte auch erzählt auf der Bühne) ist der Vater abhanden gekommen. Der hat eine andere Frau geheiratet, Johann lebt bei der Mutter.

Vera hat immerhin eine beste Freundin und einen strubbeligen Hund, Ludwig und Johann haben niemanden – nur sich selbst. Und alle drei sind hungrig auf das Leben, auf Geborgensein, auf Liebe.

Unbedingte Freundschaft

Davon handelt das Stück „Zweier ohne“, das nach dem gleichnamigen Roman von Dirk Kurbjuweit von Petra Wüllenweber für die Bühne bearbeitet wurde. In Eisleben hat es jetzt Sonja Wassermann in Szene gesetzt – überaus gelungen. Das packende Spiel von 75 Minuten Dauer hat die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer erreicht, die es an einem frühen Vormittag zu sehen bekommen haben. Zumindest legen das ihre Gespräche auf dem Weg zur Garderobe nahe: Es hat sie offensichtlich interessiert, was hier verhandelt worden ist: Einsamkeit, Sehnsucht, Abenteuerlust und Frust. Und auch Sexualität.

Ludwig und Johann haben sich gefunden, als sie elf waren. Ludwig war vom Gymnasium ausgemustert worden, so lernte Johann ihn zunächst als neuen Klassenkameraden kennen. Nach schüchternem Beginn wächst eine immer engere, am Ende lebensgefährlich unbedingte Freundschaft zwischen den beiden. Als sie gerade erwachsen geworden sind, steuert Ludwig, der Fantasievollere und der Bestimmende von beiden, die Beziehung in die Katastrophe.

Sonja Wassermann zeigt die Geschichte der Heranwachsenden in flotten, kurzen Szenen, die auf der klug gebauten Bühne von Eckhard Reschat wie Videoclips aneinandergereiht sind. Und die Regisseurin findet schöne Bilder für ein Leben, das bis in die finale Zuspitzung, bis zu dem von Ludwig selbst herbeigeführten Motorradunfall eigentlich ganz normal verläuft. Schrecklich normal, weil das Defizit, die Leerstelle, das Fehlen von etwas so Entscheidendem wie Aufgehobensein als so alltäglich dargestellt wird, wie es wohl ist.

Einmal essen die Kinder um die Wette Pfannkuchen, Ludwigs und Veras Vater hat einen riesigen Berg davon gebacken. Immerhin. Aber um richtig satt zu werden, braucht es mehr als nur Nahrung.

Dieser Vater, der nie auftaucht, schraubt an alten Motorrädern, an den Wochenenden ist er oft verschwunden, vielleicht bei einer Freundin. Man erfährt es nicht, weil es auch für seine Kinder nicht interessant zu sein scheint. Er ist aber wohl ein harter Mann. Nachdem Ludwig, noch ohne Führerschein, bei einer Spritztour auf einem der Motorräder erwischt worden ist, muss der Junge seine Musikanlage verkaufen, weil sein Vater die Kosten für die Schlösser eingefordert hat, mit denen die Maschinen nun gesichert werden.

Der Tod ist immer nahe in diesem Drama, die Jungen leben unweit einer riesigen Autobahnbrücke, die ihr Tal überspannt. Von dort, wie vom Himmel, fallen manchmal Menschen herunter. Leute, die an ihrem Leben und vielleicht auch an ihrem eigenen Anspruch verzweifelt sind. Solche wie Ludwig, der seinen Freund Johann immer fester an sich bindet, unheimlich fest.

Training bis zur Erschöpfung

Sie rudern, Zweier ohne. Trainieren bis zur totalen Erschöpfung. Aber auch das führt zu keinem Glück, wenigstens bei Ludwig nicht. Und Johann, der den anderen bewundert, kann sich nicht frei machen von ihm. Nicht einmal in der Beziehung zu Vera, die nachts mit ihm schläft. Was Ludwig natürlich doch mitbekommt.

Vera ist die Gesündeste und Klügste der drei. Sie ist schon dabei, sich ihr eigenes Leben zu bauen. Um sie wird man sich weniger sorgen müssen, aber verletzt ist auch sie von den Umständen. So etwas verliert man nicht.

Am Ende stirbt Ludwig. Johann, der auf dem Sozius gesessen hat, kommt mit dem Leben davon. Vera steht ihm bei und wird noch eine Weile bleiben. Alles ist furchtbar normal und furchtbar traurig in diesem Stück. Die drei auf der Bühne zeigen das großartig.

Weitere Vorstellungen am 24.2., 18 Uhr, und am 25.2., 9.30 Uhr