1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Kultur
  6. >
  7. Dirk Oschmann im Stadthaus: Wie "Der Osten: eine westdeutsche Erfindung" in Halle aufgenommen wird

Dirk Oschmann liest im Stadthaus Wie "Der Osten: eine westdeutsche Erfindung" in Halle aufgenommen wird

Acht Monate auf der Bestsellerlist, 13. Auflage: Der Leipziger Germanistikprofessor Dirk Oschmann präsentiert in Halle „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“.

Von Christian Eger Aktualisiert: 10.11.2023, 22:59
Gruß vom Autor: Dirk Oschmann signiert im Stadthaus Halle.
Gruß vom Autor: Dirk Oschmann signiert im Stadthaus Halle. (Foto: CEG)

HALLE/MZ. - Walesa oder Oschmann? Oder den einen halb und den anderen ganz? Die Hallenser hatten am Donnerstagabend die Wahl: der polnische Ex-Präsident ab 18 Uhr in der fast bis auf den letzten Platz gefüllten Marktkirche, der Leipziger Germanistikprofessor von 19.30 Uhr an im überfüllten Festsaal des Stadthauses. Rund 400 Menschen im Gottes-, mehr als 300 im Bürgerhaus.

Seit acht Monaten steht Dirk Oschmanns polemische Abrechnung „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ auf der Spiegel-Bestseller-Liste. Stehen musste in Halle, wer zehn Minuten vor Beginn der Lesung eintraf. Oschmann las drei Kapitel, dann wurde diskutiert.

Hinein in die Netzwerke

Frage, Antwort, Frage. Nie stand das Standmikrofon allein. Ein Dutzend Fragen insgesamt. Wie könnte eine Ost-Quote aussehen? Oschmann: Nicht nach Geburtsort, sondern nach Sozialisationszeit entscheiden. Die Juristen müssten da liefern, sonst ändere sich nichts. Wurde er im Westen bei Lesungen „gerupft“? Oschmann: Eher nicht. Wie blickt er auf die AfD? Kein ausschließlich ost-, sondern ein zuerst west-, heute ein gesamtdeutsches Phänomen.

Was den Rechtsextremismus im Osten betrifft, zitiert Oschmann den Soziologen Steffen Mau: Nichts bagatellisieren, aber auch nicht verzerren. Was empfiehlt er seinen ostdeutschen Studenten, um fit für die Zukunft zu sein? Auf Stipendien bewerben, was zu selten geschehe, in die Netzwerke gehen, die seien – auch geistig – ein Gewinn an sich.

Bald auch auf Polnisch

Anders als noch bei den ersten Oschmann-Auftritten im Frühjahr ist das Publikum sehr entspannt. Die Atmosphäre ist zugewandt, aufmerksam, sehr bei der Sache. Sogar freundlich. Als sich eine junge Studentin aus Aachen – sie sagt: „Mehr Westen geht nicht“ – zu Wort meldet, ertönt aus den Reihen ein ernst gemeintes: „Herzlich willkommen!“ Ihr Statement: Sie sei dankbar für das Buch.

Das hat die 13. Auflage erreicht, laut Ullstein Verlag ein Absatz im „unteren sechsstelligen Bereich“. Übersetzungen ins Polnische und Russische kommen, sagt Oschmann, Französisch und Englisch sei im Gespräch. Im deutsch-deutschen Ungleichverhältnis spiegele sich die deutsch-polnische Asymmetrie, habe ihm ein polnischer Leser gesagt. Und: Wenn er, Oschmann, dieses Buch nicht geschrieben hätte, wäre es aus Polen gekommen.