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Krankheitserreger Krankheitserreger: Die Legionellen-Jäger

Von Johannes Dörries 17.10.2013, 08:08
Legionellen: In Probeschalen im Prüflabor des Landesamtes für Verbraucherschutz haben sich die Erreger zu kleinen Inseln entwickelt.
Legionellen: In Probeschalen im Prüflabor des Landesamtes für Verbraucherschutz haben sich die Erreger zu kleinen Inseln entwickelt. Johannes Dörries Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Sechs kleine, grau-weiße Inseln wachsen auf der schwarzen Nährlösung in den beiden Laborschalen. Unscheinbar, nicht größer als einige Millimeter. Sie sind der Nachweis für Legionellen. Die Krankheitserreger stammen aus einer Wasserprobe, die Biologin Dagmar Schiedewitz im Landesamt für Verbraucherschutz in Magdeburg untersucht. Der Erreger vermehrt sich im warmen Wasser und in feuchten Umgebungen. Werden die Bakterien eingeatmet, etwa mit Wasserdampf beim Duschen, ist eine Infektion möglich.

Die Legionellose oder Legionärskrankheit genannte Lungenentzündung ist nach Angaben des Umweltbundesamtes (Dessau-Roßlau) in Deutschland die bedeutendste Krankheit, die durch Wasser übertragen werden kann. Jedes Jahr erkranken nach Angaben des Amtes bundesweit bis zu 32 000 Menschen daran. Jeder siebte Erkrankte stirbt an den Folgen - und die Dunkelziffer ist hoch.

Kontrollen zur Eindämmung der Legionellen-Verbreitung

Das Robert-Koch-Institut in Berlin beziffert der Legionellosen für die zurückliegenden beiden Jahre auf jeweils rund 650 bundesweit. In Sachsen-Anhalt waren es im vorigen Jahr 21 Fälle, 2011 zehn, in diesem Jahr bislang zwölf Fälle. Zuletzt ist 2012 ein Sachsen-Anhalter an Folgen einer Legionellen-Infektion gestorben.

Legionellen kommen in geringer Zahl fast überall im Wasser vor. In kaltem Wasser stellen sie kein gesundheitliches Risiko dar. Bei 25 bis 55 Grad aber können sie sich schnell vermehren. Gefährlich wird es, wenn die Bakterien dann in größeren Mengen eingeatmet werden, etwa mit Wasserdampf beim Duschen. Sie können die sogenannte Legionärskrankheit auslösen, die tödlich verlaufen kann. Besonders gefährdet sind immungeschwächte Menschen.

Die Legionärskrankheit wurde erstmals 1976 beschrieben, als in einem Hotel in Philadelphia (USA) vor allem Teilnehmer eines Kriegsveteranentreffens daran erkrankten. Nach dem Veteranenverband „American Legion State Convention“ erhielt sie ihren Namen.

Zu einem der größten Legionellen-Ausbrüche in Deutschland kam es im August dieses Jahres in Warstein (Nordrhein-Westfalen). 160 Menschen erkrankten, drei starben. Die Erreger wurden in einer Kläranlage gefunden. Von dort aus gelangten sie in eine Kühlanlage und wurden von ihr im Wasserdampf verteilt.

Um die Verbreitung von Legionellen einzudämmen, müssen nach einer neuen Vorschrift des Trinkwassergesetzes auch private Betreiber von großen Warmwasseranlagen diese auf Keime kontrollieren lassen, so in Mehrfamilienhäusern und großen Wohnblöcken. Bis Jahresende müssen die Tests abgeschlossen sein, sonst wird ein Bußgeld fällig.

Wegen dieser Regelung haben in den vergangenen Monaten viele Mieter in Sachsen-Anhalt Besuch von Legionellen-Jägern bekommen. Proben müssen nach strengen Regeln genommen werden. „Da kann nicht einfach ein Hausmeister eine Brauseflasche unter den Wasserhahn halten“, sagt Biologin Schiedewitz. Sichergestellt werden soll, dass am Beginn und Ende der Warmwasserleitungen kontrolliert wird - dort, wo eine Vermehrung der Keime am ehesten zu erwarten sei, heißt es in einer Handreichung des Umweltbundesamtes. Die Kosten von rund 30 Euro pro Wohnung haben die Mieter zu tragen.

Wohnungs-Leerstand ein Problem

Legionellen gedeihen besonders, wenn Wasser bei Temperaturen von 25 bis 55 Grad Celsius in Leitungen steht. Daher könne der Leerstand von Wohnungen ein Problem werden, berichtet Jost Riecke, Chef des Verbandes der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt. Allerdings: Trotz des hohen Leerstandes im Land sei der Nachweis von Legionellen selten: „Das bewegt sich im unteren Prozentbereich.“ Auch das Landesamt spricht von einem „konstant moderaten Niveau“.

Im Zuge der Tests sind dennoch in etlichen Orten Legionellen gefunden worden, in Halle, Bernburg, Naumburg, Dessau-Roßlau und Weißenfels. Kein Wunder, wird nun an Stellen gesucht, die noch nie überprüft worden sind. Werden die Krankheitserreger in einer bestimmten Menge nachgewiesen, sind Maßnahmen fällig. Das kann auch ein vorübergehendes Duschverbot sein, wie jüngst in Weißenfels (Burgenlandkreis). Dort konnten 100 Mieter mehrere Wochen lang nicht zu Hause duschen. Erst wenn nachgewiesen ist, dass die Zahl der Erreger unter der gesetzlichen Grenze liegt, werden die Duschen wieder freigegeben.

Um die Erreger loszuwerden, können die verkeimten Leitungen mit mehr als 70 Grad heißem Wasser gespült werden, gründlich und mehrere Minuten lang. Zudem werden weitere Methoden angeboten - von UV-Strahlen bis zu chemischen Filtern.

Zweifel werden laut

In Fachkreisen gibt es indes Zweifel am Kampf gegen die Legionellen. Tobias Welte, Lungenspezialist an der Medizinischen Hochschule Hannover, fehlt ein Nachweis, dass die angebotenen Maßnahmen tatsächlich nützen. Denn ob mit den „extrem teuren Maßnahmen Lungenentzündungen verhindert werden können, ist offen“, sagt der Professor. Gewinner seien Anbieter von Schutzmaßnahmen sowie private Prüflabore - nicht nur in Sachsen-Anhalt können längst nicht alle Proben in staatlichen Laboren wie dem des Landesamts für Verbraucherschutz untersucht werden.

Von „vermeidbaren Erkrankungen“ spricht hingegen Uta Rädel, in dem Amt zuständig für die Legionellen-Tests. In dem Magdeburger Labor werden Proben aus öffentlichen Einrichtungen wie Altenheimen, Krankenhäusern und Schulen untersucht. Für sie sind die Legionellen-Tests bereits seit zehn Jahren vorgeschrieben. „Durch technische Vorkehrungen lässt sich die Vermehrung der Krankheitserreger unterbinden“, betont Rädel. Sie räumt indes ein, dass nur selten bei einer Legionellen-Erkrankung die Ursache gefunden werde - vor allem auch, weil es sich zumeist um Einzelfälle handelt. Erst wenn Legionellose mehrfach auftritt, sei die Ursachensuche häufiger erfolgreich.

Schiedewitz und ihre Kollegin Bettina Kummer haben derweil die Untersuchung der Wasserprobe fortgesetzt. Die Schalen waren fünf Tage im 37 Grad warmen Brutschrank, insgesamt zehn Tage bleiben sie dort. In den beiden Schalen war ein Milliliter Wasser auf der Nährlösung verteilt worden. Jede der sechs Bakterien-Inseln steht nun für einen Erreger. Bevor sie wieder in den Brutschrank kommen, wandert ein Teil der Kulturen in eine Kontrollschale mit roter Nährlösung. Außerdem erhält der Proben-Einsender - er wird aus Datenschutzgründen nicht genannt - einen Zwischenstand. Und der bedeutet: Legionellen-Alarm.

Biologin Bettina Kummer bearbeitet eine Probe.
Biologin Bettina Kummer bearbeitet eine Probe.
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