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Kontrollen durch ehrenamtliche Beamte Kontrollen durch ehrenamtliche Beamte: Knöllchen vom Nachbarn

Von Tina Edler 18.08.2014, 18:29
Matthias Mendler ist als ehrenamtlicher Ordnungshüter im Burgenlandkreis unterwegs.
Matthias Mendler ist als ehrenamtlicher Ordnungshüter im Burgenlandkreis unterwegs. Andreas Stedtler Lizenz

Bad Bibra/MZ - Die Kleidung von Matthias Mendler lässt darauf schließen, dass er in offizieller Mission unterwegs ist - hellblaues kurzärmliges Hemd, dunkelblaue Stoffhose und beige Schuhe. Dazu baumelt über seiner rechten Schulter eine kleine Umhängetasche. Darin befindet sich sein Beamtenausweis und sein Arbeitsgerät, ein kleiner Mini-Computer, mit dem er Parksünder registriert.

Mendler ist ehrenamtlicher Beamter, eine männliche Politesse, auch Politeur oder Hilfspolizist genannt. Das heißt, einmal pro Woche geht er in der Verbandsgemeinde „An der Finne“ im Burgenlandkreis auf Streife, um so die hauptberuflichen Ordnungshüter zu unterstützen, die 52 Ortschaften zu betreuen haben. Mendler ist hauptsächlich in Bad Bibra, Eckartsberga und Memleben unterwegs. Er gehört zu den wenigen in Sachsen-Anhalt, die in ihrer Freizeit ehrenamtlich für die Gemeinde Strafzettel verteilen. Hauptberuflich ist der 37-Jährige als Bürokaufmann bei einem Gerichtsvollzieher in Naumburg angestellt.

Schulung für Ehrenamtler

Vor zwei Jahren las er im Amtsblatt eine Jobanzeige für die Stelle, die das Ordnungsamt der Verbandsgemeinde geschaltet hatte. Da sich Mendler schon immer und gern ehrenamtlich engagiert, bewarb er sich. Für seinen Knöllchen-Job bekommt er monatlich 50 Euro - als Aufwandsentschädigung. Nebenbei ist er auch noch Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr und arbeitet bei der Schiedsstelle in Bad Bibra, wo er Streitigkeiten im Ort schlichtet. Seine Motivation begründet er ganz einfach. „Bevor ich rumsitze, kann ich auch was sinnvolles tun und helfen.“

Die Verbandsgemeinde „An der Finne“ im Burgenlandkreis war eine der ersten, die vor knapp elf Jahren Ehrenamtler zur Unterstützung ihrer Beamten eingestellt hat.

Insgesamt 257 Quadratkilometer müssen in der Verbandsgemeinde kontrolliert werden, aber diese habe schlichtweg nicht genügend Geld, um mehr fest angestellte Politessen einzustellen, wie Maik Wittke, Leiter des Ordnungsamtes Bad Bibra, erklärt. „Die Fläche kann von einem Vollzugsbeamten allein nicht bewältigt werden.“ Deswegen greift man auf Ehrenamtler zurück.

Für den ruhenden Verkehr, das heißt für alle Verstöße beim Parken, sind in der Verbandsgemeinde zwei Ehrenamtliche unterwegs. Eine weitere Helferin im ehrenamtlichen Einsatz kümmert sich unter anderem um Hundebesitzer, die ihre Hunde nicht angeleint haben. Ginge es nach Amtsleiter Wittke, würde er auf noch mehr Unterstützung aus den Reihen der Bewohner bauen. „Wir sind mit dem Konzept sehr zu frieden.“

Doch ein Sprung ins kalte Wasser war sein neues Ehrenamt nicht. Zuerst musste Mendler eine zweitägige Schulung beim Studieninstitut für kommunale Verwaltung Sachsen-Anhalt (Sikosa) in Halle absolvieren. Dort wurde ihm unter anderem beigebracht, wie er sich gegenüber uneinsichtigen Bürgern zu verhalten hat. Dabei wurden „schwierige Bürgergespräche“ geübt, in denen Mendler Ruhe bewahren und schlichten soll. „Ich weiß jetzt, wie man die Leute höflich in ihre Schranken weist. Das hilft meist, den ersten Ärger und die Aufregung zu dämpfen.“ Auch Sonderrechte und Ausnahmegenehmigungen beim Parken wurden im Seminar besprochen. Wie zum Beispiel, dass kleinwüchsige Menschen an Parkuhren und Parkscheinautomaten gebührenfrei parken dürfen.

Nach der erfolgreichen Teilnahme an der Schulung bekam Mendler seinen Beamtenausweis. Seitdem verteilt er offiziell die sogenannten „Knöllchen“. Zudem darf er sich Ausweisdokumente zeigen lassen, um die Identität einer Person festzustellen und auch Platzverweise aussprechen, wenn ein Fahrer mit seinem Fahrzeug etwa eine Einfahrt versperrt. Am Anfang habe er täglich noch 15 bis 20 Strafzettel verteilt, sagt Mendler. Mittlerweile seien es nur noch zehn. Hauptsächlich, weil viele Fahrer ihren Wagen im Halteverbot abstellen.

Auf Seite 2 erfahren Sie mehr über das Einsatzgebiet und die Reaktion der Autofahrer.

Foto als Beweis

Aber es gibt auch andere Fälle. An diesem Mittwoch muss er sogar aus seiner linken Brusttasche sein Handy zücken - es müssen Beweisfotos für die Akten gemacht werden. Auf einem Fußweg in einer Neubaublock-Siedlung in Bad Bibra steht ein Pkw. Und dann auch noch so, dass kein Fußgänger mehr vorbei kommt. Bevor Mendler den Strafzettel ausdruckt, fragt er die vor dem Haus stehenden Anwohner, ob sie den Besitzer kennen. Dann könnte er das Auto wegfahren und würde so möglicherweise mit einer Verwarnung davon kommen. Aber keine Spur vom Fahrer - Mendler druckt also das 30 Euro-Knöllchen aus und klemmt es hinter den Scheibenwischer.

Die Reaktion auf den Ordnungshüter und seine Knöllchen, die im übrigen aussehen wie Kassenbons, fallen entgegen mancher Erwartung meist moderat aus. „Der ein oder andere ist schon mal sauer. Aber handgreiflich oder ausfallend ist noch keiner geworden“, sagt der 37-Jährige. Generell sei den Autofahrern ja bewusst, dass sie etwas falsch gemacht haben, „was nützt es da zu diskutieren“.

Ohnehin scheint der Umgang zwischen dem Ordnungshüter und den Anwohnern von Bad Bibra eher herzlich. Hier und da stoppt Mendler auf seiner Tour durch den Ort und spricht mit ein paar Anwohnern. Keine Anzeichen von Groll gegen den ehrenamtlichen Beamten. Im Gegenteil, die Anwohner lächeln und nicken ihm zustimmend entgegen. „Es ist gut, dass jemand die Falschparker aufspürt“, meint eine Anwohnerin. Die Bad Bibraer seien es auch, die am häufigsten anrufen oder Bescheid geben, wann und wo sich ein Falschparker befindet, sagt Mendler.

Denunziantentum soll vermieden werden

Aber nicht jeder kann ehrenamtlich Knöllchen verteilen, sagt Maik Wittke, Leiter des Ordnungsamtes Bad Bibra. „Wir schauen da schon genau hin. Die Bewerber dürfen nicht vorbestraft sein und müssen ein festes charakterstarkes Auftreten haben.“ Auch potenzielles Denunziantentum soll vermieden werden, indem die Ehrenamtler nicht in den eigenen Heimatorten kontrollieren. „Damit es nicht heißt, Strafen wurden aufgrund irgendwelcher Nachbarschaftsstreitigkeiten verteilt.“ Bis jetzt hat das Ordnungsamt positive Erfahrungen mit dem Einsatz ihrer Ehrenamtler gemacht, versichert Wittke.

Wie lange Mendler noch Strafzettel verteilen wird, kann er nicht sagen. Die Stellen sind unbefristet, das Arbeitsverhältnis kann aber von beiden Seiten jederzeit widerrufen werden. Daran denkt Mendler zurzeit nicht. Sagt es, steigt ins Auto und macht sich auf den Weg in den nächsten Ort, um dort Parksünder aufzuspüren.

Mathias Mendler notiert Regelverstöße.
Mathias Mendler notiert Regelverstöße.
Andreas Stedtler Lizenz
Circa zehn Knöllchen verteilt Mendler täglich.
Circa zehn Knöllchen verteilt Mendler täglich.
Stedtler Lizenz
Immer dabei: ein Regelwerk für Ordnungswidrigkeiten (links).
Immer dabei: ein Regelwerk für Ordnungswidrigkeiten (links).
Stedtler Lizenz