Klein Wanzleben Klein Wanzleben: Deutschlands einziges Zuckerdorf feiert Jubiläum

Klein Wanzleben/dpa - In Klein Wanzleben in der Magdeburger Börde dreht sich beinahe alles um die Zuckerrübe: Die stilisierte Pflanze findet sich im Wappen des Ortes, der sich als einziger in Deutschland Zuckerdorf nennt, es gibt ein Zuckermuseum und eine Zuckerfee. In diesem Jahr wird die Rübe besonders gefeiert, denn die Zuckerfabrik Klein Wanzleben ist 175 Jahre alt. „Sie ist damit die Wiege der heutigen Nordzucker AG“, sagt Unternehmens-Sprecherin Tanja Schneider-Diehl in Braunschweig. Der Konzern in Niedersachsen, die Südzucker AG in Mannheim und die Pfeifer & Langen GmbH & Co. KG in Köln sind nach Angaben der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker in Bonn die größten Zuckerproduzenten in Deutschland.
Gute Bedingungen für Zuckerrübe in der Börde
Der Ortsbürgermeister von Klein Wanzleben, Horst Flügel, kennt sich in der Geschichte des Zuckerdorfes aus: „Die Börde mit fetten Böden bot gute Bedingungen für den Anbau der Zuckerrübe“, erklärt er. Die Pflanzen seien zunehmend angebaut worden, weil Napoleon Anfang des 19. Jahrhunderts eine Kontinentalsperre verhängen ließ und damit der aus dem Zuckerrohr gewonnene Süßstoff aus Übersee fehlte.
Wie Pilze seien so auch Zuckerfabriken aus dem Boden geschossen. „Viele mussten den Betrieb bald wegen mangelnden Erfolgs wieder einstellen; nicht die in Klein Wanzleben“, sagt Flügel. 1838 gründeten hier 19 Bauern, Handwerker und Gastwirte die Zuckerfabrik. Sie zähle damit zwar zu den ältesten Standorten der Zuckerproduktion in Deutschland, die erste sei Klein Wanzleben jedoch nicht gewesen, sagte Eva Sawadski, Sprecherin der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker. Bereits 1805 habe der Entdecker des Zuckers in der Runkelrübe, F.C. Achard, die erste Rübenzuckerfabrik der Welt im schlesischen Cunern in Betrieb genommen.
In den Annalen wird berichtet, dass 1838 in Klein Wanzleben in der ersten Verarbeitungssaison 4500 Tonnen Rüben zu Zucker wurden. Im Vergleich zu heute klingt das eher niedrig: Nach Angaben von Nordzucker liegt allein die heutige Tagesmenge bei knapp 13 600 Tonnen.
Nach der Wende wird das Werk komplett abgerissen
Nach dem Zweiten Weltkrieg sei die Fabrik oftmals unter großen Schwierigkeiten weitergeführt und schließlich wie viele Betriebe in der DDR zum Kombinat umgebildet worden, erzählt Flügel. Unter dem Namen „Börde“ gehörten mehrere Zuckerfabriken dazu. Das Kombinat bestand bis 1990. Nach der Wende übernahm die Nordzucker AG die Fabrik. „Im Zuge der Reorganisation wurde das alte Werk komplett abgerissen und von 1992 bis 1994 neu errichtet“, sagt die Sprecherin der Nordzucker AG. Die etwa 150 Beschäftigten erzeugten heute während der Kampagne - so nennt der Fachmann die Verarbeitungssaison der Zuckerrüben - 2100 Tonnen Zucker pro Tag.
Schätzungsweise vier Millionen Tonnen Zucker sollen nach Angaben der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker im Jahr 2012/13 in Deutschland produziert werden. Im Jahr 2011/12 waren es 4,2 Millionen Tonnen. „Die gesamte pro Kopf und Jahr zur Verfügung stehende Zuckermenge ist in Deutschland seit über 30 Jahren mehr oder weniger konstant und liegt bei etwa 35 Kilogramm“, sagt Sawadski. Dies sei aber nicht identisch mit dem Pro-Kopf-Verzehr. Nicht nur die Süßwaren-, Back- und Getränkeindustrie bräuchten den süßen Stoff, sondern beispielsweise auch die Chemie und die Pharmazie.
An allen 18 Standorten wird gefeiert
Auf einer Anbaufläche von 345 254 Hektar haben in diesem Jahr in Deutschland gut 31 000 Bauern Zuckerrüben angebaut. Die durchschnittliche Anbaufläche eines Rübenbauern liegt bei etwa 11 Hektar. Allein das Werk in Klein Wanzleben wird von 800 Rübenbauern hauptsächlich aus Sachsen-Anhalt, aber auch aus benachbarten Bundesländern beliefert.
Doch ehe die Lastwagen und Eisenbahnwaggons mit den Rüben im Herbst anrollen, wird im Zuckerdorf gefeiert. Sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Bewohner soll es laut Nordzucker AG Feste geben. Außerdem lädt der Konzern an allen 18 nationalen und internationalen Standorten zu Feiern ein, die die insgesamt 3300 Mitarbeiter an die Wurzeln des Unternehmens erinnern soll.
