1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Jets statt Kirchenglocken: Jets statt Kirchenglocken: Leben in der Einflugschneise

Jets statt Kirchenglocken Jets statt Kirchenglocken: Leben in der Einflugschneise

Von Alexander Schierholz 24.11.2006, 15:41

Döllnitz/MZ. - Döllnitz könnte eine Idylle sein. Still ist es in den Wohnstraßen des Dörfchens in der Elsteraue direkt neben Halle. "Früher", sagt Uwe Salomon, "haben wir hier draußen die Kirchenglocken gehört." Jetzt hören sie immer öfter ein Brummen vom Himmel. Erst kaum wahrnehmbar, wird es rasch lauter, es dröhnt so, dass man sogar das Gespräch unterbricht für einen Moment, dann ebbt es wieder ab. "Und jetzt", sagt Uwe Salomon, "stellen Sie sich das mal nachts vor, wenn Sie im Bett liegen."

Salomons müssen mit Fluglärm leben. Ihr Haus, vor sechs Jahren gegen die Platte in Halles Südstadt eingetauscht, liegt in der Einflugschneise des Airports Leipzig-Halle. Derzeit hören sie das Brummen "ein paar Mal in der Nacht", schildert der 47-Jährige. "Meist gegen Mitternacht und zwischen vier und fünf." Er wacht häufig auf, seine Frau Petra kann nicht mehr durchschlafen. "Wenn ein Flugzeug kommt, stehe ich im Bett", klagt die 47-Jährige. Wie soll das erst werden, wenn der Frachtriese DHL im Sommer kommenden Jahres von der neuen Rollbahn Süd aus mit dem regelmäßigen Nachtflugbetrieb beginnt?

Döllnitz wird dann in der so genannten Nachtschutzzone liegen, deren Anwohner Schallschutz beantragen können. In dem etwa 44 Kilometer langen und bis zu sechs Kilometer breiten Gebiet zwischen Halle und Leipzig bezahlt der Flughafen nach Prüfung des Einzelfalls Lüfter in den Schlafräumen und - je nach Entfernung vom Airport - auch Schallschutzfenster oder Dämmung. Rund 3 000 Betroffene haben bisher Anträge gestellt, sagt Axel Semrau, Lärmschutzbeauftrager des Flughafens. "Das ist noch bis zu fünf Jahre nach Inbetriebnahme der neuen Rollbahn möglich." Salomons wollen noch abwarten. "Bisher hätten wir wohl nur Anspruch auf Lüfter", sagt der 47-Jährige. "Aber wer weiß, wie laut es im nächsten Jahr ist, wenn DHL ständig fliegt."

Am 9. November hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Nachtflugerlaubnis eingeschränkt für rechtens erklärt - und damit DHL das Startsignal gegeben. Das Lärmschutzkonzept lobten die Richter als "einmalig". Die vorgesehenen Grenzwerte für einen Dauerschallpegel, so hieß es, reichten über die Rechtsprechung hinaus. Bestandteil des Konzeptes ist auch eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), das am Flughafen Köln / Bonn über fünf Jahre hinweg Probanden im Schlaflabor untersuchte. "Man hat erstmals versucht", erkennt auch Michael Teske von der Interessengemeinschaft (IG) Nachtflugverbot an, "einen Zusammenhang zwischen Lärm und Nachtruhe herzustellen."

Aus dem Ergebnis leitete das für den Flughafenausbau zuständige Leipziger Regierungspräsidium Auflagen ab: So dürften die Betroffenen durch die Nachtflüge im Durchschnitt weniger als einmal zusätzlich pro Nacht aufwachen, erläutert Semrau. "Das heißt nichts anderes", so Teske, "dass es Leute geben wird, die gar nicht aufwachen, es wird aber auch Leute geben, die wesentlich häufiger aufwachen." Wie Petra Salomon zum Beispiel.

Vor sechs Jahren, als die Familie gebaut hat, sei von Nachtflügen noch nicht die Rede gewesen, sagt Uwe Salomon. Der Döllnitzer antwortet damit auf einen Vorwurf, den sich Nachtfluggegner häufig anhören müssen. Er lautet: Es hätten doch alle wissen können; wer in der Einflugschneise baue, sei selber schuld. So hatten Salomons sich das nicht vorgestellt. "Unser Haus", sagt der 47-Jährige, "sollte unsere Altersvorsorge sein." Jetzt können sie sich, wie ihre Nachbarn, eines Wertverlustes sicher sein. Entschädigungen sind nicht vorgesehen.