Integration von Flüchtlingen in Hohenmölsen Integration von Flüchtlingen in Hohenmölsen: Was Hohenmölsen besser macht als Tröglitz?

Hohenmölsen - Das also ist die neue Heimat von Azem Sylejmani: zwei- und dreigeschossige Häuser in freundlichen Pastelltönen scharen sich um einen kleinen Marktplatz, hinter dem Rathaus ragt der Turm der spätgotischen Stadtkirche St. Peter hervor. Willkommen in Hohenmölsen, 10.000 Einwohner, Burgenlandkreis. Hier lebt Sylejmani, 23, Asylbewerber aus dem Kosovo, seit einer Woche.
Geht es nach der Bundesrepublik, dürfte es für einen wie ihn eigentlich gar keine neue Heimat geben in Deutschland. Allenfalls eine Zwischenstation, bis über den Asylantrag entschieden ist, wie seine Unterkunft in einer ehemaligen Kaserne am Stadtrand: Zwei Mann teilen sich 14 Quadratmeter. Ein Stockbett. Ein Waschbecken. Gemeinschaftsduschen, -toiletten und -küchen. Drei Waschmaschinen für 58 Bewohner aus Syrien, dem Libanon, Afghanistan, Benin, Indien, Eritrea, Serbien, Albanien, dem Kosovo und Guinea-Bissau. Fertig. Integration? Ist für Asylbewerber in Deutschland nicht vorgesehen.
Anders im Burgenlandkreis. Anders in Hohenmölsen. Dort hat sich eine Willkommensinitiative gegründet, die die Flüchtlinge an die Hand nehmen, ihnen ihre neue, ja: Heimat zeigen, sie mit Sitten und Gebräuchen vertraut machen will. Der Landkreis stellt einen Sozialarbeiter und bezahlt Sprachkurse. Alles ohne gesetzliche Verpflichtung. „Wir tun das, weil wir es für notwendig halten“, hat Landrat Götz Ulrich (CDU) vor kurzem gesagt.
Wer nach Beispielen sucht, wie Kommunen Flüchtlinge zu integrieren versuchen, dem wird immer wieder Hohenmölsen genannt. Was machen sie hier anders als zum Beispiel in Tröglitz, wo dumpfe Hetze von Neonazis und der Brandanschlag auf die für Asylbewerber vorgesehene Unterkunft die Schlagzeilen bestimmen?
Auf der nächsten Seite: Warum Hohenmölsen nicht anders als Tröglitz ist!
Andy Haugk mag diesen Vergleich nicht. Der parteilose Bürgermeister von Hohenmölsen sitzt am runden Besprechungstisch in seinem Arbeitszimmer und sagt einen Satz, der aufhorchen lässt: „Hohenmölsen ist nicht anders als Tröglitz.“ Es gebe in der Stadt dieselbe Skepsis bei manchen gegenüber Migranten wie in der 2.700-Einwohner-Ortschaft. Dieselben diffusen Ängste gegenüber allem, was fremd ist. „Das kann man verstehen“, sagt er, „und solche Ängste kann man nur zu dämpfen versuchen, indem man ganz viel redet.“
Und handelt. Es war im Oktober vorigen Jahres, als der Landkreis dem Bürgermeister mitteilte, dass auch in Hohenmölsen nach einer Unterkunft gesucht werde, um die mehr als 600 Flüchtlinge, die dem Kreis in diesem Jahr wohl zugewiesen werden, dezentral unterbringen zu können. Haugk, 41, war schnell klar, dass das für einen einzelnen eine Nummer zu groß ist. Auch wenn er der Chef im Rathaus ist. Also hat er sich Verbündete gesucht, die Chefs der Ratsfraktionen erst, später den Stadtrat, die Vereine, die Kirchen. Sie haben die Dezernentin im Landratsamt und ihrem Ordnungsamtsleiter mit Fragen gelöchert: Wer wird da kommen? Woher? Wie läuft so ein Asylverfahren ab? Sie wollten vorbereitet sein. Weil sie wussten, die Bürger werden fragen.
Aus diesen Runden entstand das Bündnis „Willkommen in Hohenmölsen“. Professionell, mit Facebook-Seite und Logo. 15 bis 20 Leute kümmern sich um tausend kleine Alltagsfragen. Einer von ihnen ist Johannes Rohr. Der evangelische Pfarrer, 28, lenkt seinen schwarzen Skoda vom Parkplatz der Flüchtlingsunterkunft und sagt mehr zu sich selbst: „Wir brauchen noch Gesellschaftsspiele.“ Sie brauchen auch Wäscheständer, Tische, Stühle und eine Tafel für den Deutschunterricht. Sie müssen die Verteilung von Spenden organisieren, klären, wie das läuft mit Arztbesuchen und mit der Krankenversicherung. Und und und.
Einkaufschip im Willkommenspaket
Bürgermeister Haugk sagt es so: „Wir können die Dinge laufen lassen oder sie in die Hand nehmen und versuchen, Konfliktpotenziale möglichst klein zu halten.“ Denn ja, die gibt es natürlich auch, trotz aller Vorbereitung. Da ist zum Beispiel die Sache mit dem Einkaufen. Mancher Neuankömmling hat noch nie in seinem Leben einen Einkaufswagen benutzt. Also haben sie erklärt, wie das funktioniert, haben in die Willkommenspakete für jeden Flüchtling neben einem Stadtplan auch einen Einkaufswagenchip gelegt. Sie haben vorher mit den Supermarkt-Betreibern gesprochen. Um „kulturelle Missverständnisse“, wie Pfarrer Rohr es nennt, möglichst auszuschließen.
Azem Sylejmani steht vor der Unterkunft. Am Wochenende haben sie ihm und den anderen die Stadt gezeigt. Beim Osterfeuer am Samstagabend auf dem Pfarrhof war er dann nicht mehr. Zu müde. Hohenmölsen ist seine dritte Station in Deutschland, nach Dortmund und Halberstadt. Nun hofft er, bleiben zu können, wie alle hier. „Das Kosovo ist nicht sicher“, erzählt er in gebrochenem Englisch. Kosovo-Albaner wie er müssten Angst vor Serben haben. Doch seine Chancen auf Asyl dürften gering sein: In der Regel gelten Kosovaren den Behörden nicht als politisch verfolgt.
Sylejmani möchte gerne wieder Fußball spielen, so wie im Kosovo, falls er hier einen Verein findet. „Fußball, das ist mein Traum.“ (mz)
