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Initiative von Bund und Arbeitsagentur  Initiative von Bund und Arbeitsagentur : Ausbildung für 25- bis 35-Jährige als zweite Chance

Von Melain Müller 25.03.2014, 20:38
Sylvia Schulze (links) hat im vergangenen Jahr ihre Ausbildung zur Altenpflegerin begonnen.
Sylvia Schulze (links) hat im vergangenen Jahr ihre Ausbildung zur Altenpflegerin begonnen. Andreas Stedtler Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Ein kurzes Piepen, kaum hörbar für Außenstehende. Aber Sylvia Schulze wirft routiniert einen Blick auf den Monitor hinter dem Tresen und verschwindet zügigen Schrittes den Gang entlang hinter einer der Zimmertüren. Nur wenige Sekunden braucht sie, bevor sie wieder zurück ist: „Ich sollte nur das Fenster zumachen.“ Sie hat gelernt, auf das leise Piepen zu achten. Sie weiß aber vorher nie, was sie erwartet, wenn die Bewohner des Altenpflegeheims an der halleschen Werrastraße den Alarmknopf in ihren Zimmern drücken.

Sylvia Schulze arbeitet in der Kurzzeitpflege des Pflegeunternehmens Medimobil. Seit September vergangenen Jahres macht sie dort eine Ausbildung zur Altenpflegerin - und das mit 34 Jahren. Sie nimmt an einem Programm der Arbeitsagentur teil, das sich „Wegebau“ nennt und zu einer größeren Initiative gehört: „Ausbildung wird was - Spätstarter gesucht“ wurde Anfang 2013 von der Arbeitsagentur und dem Bundesarbeitsministerium aufgelegt.

Die Initiative richtet sich vor allem an die Altersgruppe der 25- bis 35-Jährigen, die keine Ausbildung oder nur eine Geringqualifizierung haben. Sie gehören zu der Generation, die vor zehn bis fünfzehn Jahren von den Schulen auf einen übervollen Arbeitsmarkt strömten. Viele von ihnen erhielten in dieser Zeit keine Lehrstelle. Andere haben ihre Ausbildungen nicht abgeschlossen oder haben erst eine Familie gegründet.

34 000 Menschen arbeitslos

Heute wollen die Agenturen das Potenzial der jungen Erwachsenen ausschöpfen, sie zu Fachkräften ausbilden und vor Arbeitslosigkeit schützen. Allein in Sachsen-Anhalt waren im Februar rund 34.000 junge Erwachsene arbeitslos, davon hat mehr als ein Drittel keine berufliche Ausbildung.

Doch im vergangenen Jahr haben bundesweit 32.000 Menschen an der Initiative teilgenommen, allein 1.375 aus Sachsen-Anhalt. „Das Projekt ist sehr gut angelaufen und wir sind auch zuversichtlich, dass es so im kommenden Jahr weiterläuft“, sagte Kay Senius, Chef der Arbeitsagenturen in Sachsen-Anhalt und Thüringen.

„Ursprünglich habe ich in der Gastronomie gearbeitet“

Die Hallenserin gehört zu jenen 1.375, die eine qualifizierte Berufsausbildung machen wollen. „Ursprünglich habe ich in der Gastronomie gearbeitet“, sagt sie. Aber mit der Geburt ihrer Tochter wurden die Arbeitszeiten zu einem Problem für die heute 34-Jährige. Erst ein Praktikum im Pflegebereich hat sie auf die Idee gebracht, sich in diesem Feld umzusehen.

Reiner Saal, Geschäftsführer von Medimobil, lobt die Initiative, ohne die er die Ausbildungen nicht finanzieren könnte. Es sei gerade für den Beruf des Altenpflegers gut, wenn die Auszubildenden etwas älter seien. „Junge Leute haben einfach noch nicht die Lebenserfahrung“, sagt Saal. Außerdem weiß er genau worauf er sich einlässt. Viele seiner Auszubildenden haben die Geringqualifikation zum Altenpflegehelfer und würden bereits bei Medimobil arbeiten. „Wir kennen die Leute und die wissen, was sie in dem Beruf erwartet.“

„Manchmal ist es schwierig“

Das wusste auch die 34-Jährige, als sie sich für die Ausbildung bewarb. Sie gehörte zu jenen, die bei Medimobil als Altenpflegehelferin arbeitete und sich für die qualifizierte Berufsausbildung interessierte. War das eine gute Entscheidung? Zweimal in der Woche Schule mit Prüfungen und dazu noch die Schichten im Pflegeheim. Außerdem hat sie ein Kind. „Manchmal ist es schwierig, wenn ich abends von der Schule komme und weiß, ich muss für die Prüfung lernen.“ Aber sie kann auf das Verständnis ihrer Teenager-Tochter bauen. „Das ist ein großer Vorteil für mich.“ Andere, deren Kinder noch im Kindergarten- oder Grundschulalter seien, sagt sie, haben es da deutlich schwieriger.

Nun wirbelt die Auszubildende durch den Gemeinschaftsbereich und wischt den Tisch und die Platzdeckchen ab. Jeder Bewohner hat einen festen Platz, an dem eine gebastelte Blüte mit dem jeweiligen Namen steht. Es ist halb Elf und während Sylvia Schulze bereits den Tisch für das Mittagessen vorbereitet, sitzt noch eine ältere Dame dort und isst einen Toast mit Marmelade. Beim Vorbeigehen streicht Schulze der Frau sanft über den Arm. Eines ist ihr besonders wichtig: „Ich pflege die Menschen so, wie ich später gepflegt werden möchte.“

Pflegebereich als zukunftssichere Branche

„Der Job ist zukunftssicher“, dessen ist sich die Auszubildende bewusst. Und tatsächlich gehört der Pflegebereich laut den Arbeitsagenturen in Sachsen-Anhalt zu den Branchen mit den meisten abschlussorientierten Weiterbildungen. Daneben werden viele junge Erwachsene auch im Bereich der Logistik und des Verkehrs ausbildet.

Die junge Frau setzt sich an den Tresen, der als Empfang und Mittelpunkt der Station fungiert, und füllt die Trinkprotokolle der Bewohner aus. Akribisch genau wird verfolgt, ob die älteren Menschen genug Flüssigkeit zu sich nehmen. Plötzlich lässt sie den Stift fallen, es piept und der Blick auf den Monitor verrät ihr wieder die Zimmernummer. Sie verschwindet erneut hinter einer der Türen.