Immobilien Immobilien: «Wächter» bringen Leben
Leipzig/Halle/MZ. - Die Demmeringstraße 21 in Leipzig fällt auf. Ein riesiges gelbes Transparent mit der Aufschrift "Wächterhaus" schmückt das düstere Eckhaus im Stadtteil Lindenau, von dessen Fassade der Putz großflächig abgeblättert ist. In einem hellen freundlichen Raum im Erdgeschoss basteln Kinder Bücher.
"Wir sind ständig auf der Suche nach Räumen, da bot sich das an", sagt Wolfgang Elvers vom Verein "Buchkinder", der hier ein Domizil gefunden hat. Vereine wie die "Buchkinder" sind "Hauswächter" in Leipzig. Das Prinzip: Die Nutzer belegen Räume in leeren Gebäuden, müssen sie selber renovieren, zahlen in der Regel aber nur die Nebenkosten. Die weitergehende Sicherung, etwa an Dächern, übernehmen die Eigentümer. So kommt neues Leben in alte Gemäuer.
Bei 2 000 unsanierten Gründerzeithäusern und 50 000 leeren Wohnungen in der Messestadt sei das "kein Allheilmittel, aber wenigstens eine kleine Möglichkeit, den Verfall zu stoppen", sagt Tim Tröger. Der Architekt sitzt im Vorstand des Vereins "Haushalten", der zwischen Eigentümern und Nutzern vermittelt. Sechs "Wächterhäuser" gibt es in Leipzig bereits, sie bieten kulturellen oder sozialen Initiativen und Vereinen Platz. Weitere Häuser sind geplant. Die Nachfrage sei groß, so Tröger.
Wolfgang Elvers von den "Buchkindern" sieht darin ein Modell, bei dem alle Beteiligten gewinnen: Die Häuser würden belebt. Das Stadtviertel auch. Und Vereine bekämen günstig Räume, müssten dafür aber etwas tun. Die "Buchkinder" haben ein halbes Jahr Wände frisch verputzt, dicke Schichten Lack von Türen abgeschliffen, einen neuen Fußboden gelegt. Elvers: "Wir bekommen hier nichts geschenkt."
Dennoch sehen sich die "Haushälter" ab und an mit der Frage konfrontiert: Entsteht da eine neue Konkurrenz auf dem Immobilienmarkt? "Nein", sagt Architekt Tröger entschieden. "Schließlich beleben wir etwas, das schon aufgegeben war." "Nein", sagt auch Daniela Ziervogel, Vorsitzende des kürzlich gegründeten halleschen "Haushalten"-Vereins. An der Saale stehen rund 11 000 Wohnungen in der City und innenstadtnahen Altbauvierteln leer. In mehr als 1 000 Gründerzeithäusern mag niemand mehr leben. Karsten Golnik, Vizechef des Stadtplanungsamtes, sieht im "Wächterhäuser"-Projekt zwar "keine Patentlösung, aber eine weitere gute Möglichkeit, leere Häuser zu bewahren".
Auch die hallesche Initiative richtet sich vorwiegend an Vereine. Um Wohnungen gehe es nur vereinzelt, sagt Zierwald, die Nachfrage danach dürfte sich wohl auch in Grenzen halten: "Der Standard ist sehr gering, häufig haben die Häuser nicht mal Bäder." Tröger bringt es auf den Punkt: Gedacht seien "Wächterhäuser" für "Leute, die viel Zeit und wenig Geld haben".
Wie Sebastian Helms und Stefan Riebel. Mit zwei Kommilitonen betreiben die Leipziger Kunststudenten als "Hauswächter" die Galerie "Kuhturm". Rohe Dielen, ein kleiner Ofen, der ein wenig Wärme verbreitet. An den weißen Wänden hängen große Fotos, die die Trostlosigkeit Leipziger Asylbewerberheime zeigen (bis 3. Dezember). Der "Kuhturm" sei "das Ergebnis von einem halben Jahr Aufräumen", sagt Riebel. Es hat sich gelohnt: "Räume zu solchen Bedingungen hätten wir anders nie gefunden."