1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Hochwasser-Flüchtlinge in Köthen: Hochwasser-Flüchtlinge in Köthen: Gerettet - und nun?

Hochwasser-Flüchtlinge in Köthen Hochwasser-Flüchtlinge in Köthen: Gerettet - und nun?

Von Ralf Böhme 12.06.2013, 04:45
Zwischen Angst und Hoffnung - Bewohner aus der vom Wasser eingeschlossenen Stadt Aken warten in Köthen auf ihre Rückkehr.
Zwischen Angst und Hoffnung - Bewohner aus der vom Wasser eingeschlossenen Stadt Aken warten in Köthen auf ihre Rückkehr. Andreas Stedtler Lizenz

Köthen/MZ - Der Damm bricht. Und alles versinkt im Wasser. Ein böser Traum. „Davon bin ich wach geworden“, sagt Frank Rückmann. Er blickt sich um. Gott sei Dank, alles ist trocken. Im Notquartier „Völkerfreundschaft“ in Köthen beginnt Tag 3 nach der Evakuierung von Aken, das teilweise unter Wasser steht. Die Stadt ist eine Insel, viele Akener müssen in einer Turnhalle in Köthen leben - es ist ein Leben zwischen Angst und Hoffnung.

8 Uhr : Im Waschraum der Sporthalle herrscht Hochbetrieb. 43 Menschen zwischen drei und 83  Jahren wollen Zähne putzen. Es sind sechs Waschbecken da. Duschen ist möglich. „Man findet sich rein“, meint Beatrice Leetz. Gut, dass sie die Haare kurz trage. „Ich muss nicht lange vorm Spiegel stehen“, sagt die 36-Jährige.

9 Uhr: Es gibt Frühstück. Der Kaffee schmeckt. Wenn im Hintergrund nicht die Betten und Koffer stehen würden, „dann könnte man fast Urlaubsgefühle kriegen.“ Vorruheständler Jürgen Bauer, der das sagt, setzt hinzu: „Aber die Angst vor dem Hochwasser, die ist immer da...“ Dann schweigt der Mann in der pieksauberen Jeans.

10 Uhr: Alle sind satt geworden. „Die Brötchen waren knusprig wie zu Hause“, meint eine Frau. Das Küchen-Team freut sich. Im Wechsel und unterstützt von Ehrenamtlichen erfüllt es viele Wünsche. Eine Rentnerin will ihren täglichen Apfel knabbern. Kein Problem. Das Vorratslager, bestückt von der Kommune und aus Spenden, ist voll. Auch mit Kleidung. Handtücher werden täglich gewechselt.

11 Uhr: Blauer Himmel, 25 Grad, laues Lüftchen. Peggy und Pia Metzger, die neunjährigen Zwillinge, haben wegen der Flut schulfrei, laufen mit einem Ball auf die Sportanlage. Erwachsene sitzen auf Bänken vor der Halle. Ihr Thema: Wie sieht es zu Hause aus? Alle hoffen, im besten Falle auf eine Versicherung. Einer ruft stündlich zu Hause an, wo niemand ist. „Der Anrufbeantworter funktioniert.“ Andreas Borchert von der Einsatzleitung kann nicht mit Neuigkeiten aufwarten. Optimisten rechnen mit einer Rückkehr am Freitag. Schön wäre es, so heißt es, wenn der Bürgermeister mal käme.

11.45 Uhr… Zeit, um Gassi zu gehen. Die Köthener Schülerinnen Alexa Peuker und Lena Domröse, die den Flut-Opfern zur Seite stehen, holen den Mischlingsrüden „Mailo“ ab. Der Vierbeiner habe sich eingewöhnt, wie die meisten Menschen. Schlimm sei, dass Tiere noch in Aken seien - Vögel, Meerschweinchen, ein Hase. Es hupt. Das Eis-Mobil kommt. Am Steuer Christian Marx aus Großpaschleben, der garantiert: täglich ein Eis kostenlos für Kinder.

13.30 Uhr : Heute liefert ein griechisches Restaurant das Essen, auf das die Akener neugierig sind. „Mal was anderes als Hausmannskost“, sagt Hartz-IV-Empfänger Frank Rückmann. Er ist zufrieden. „Wie bei Muttern“ - gestern schon, da habe Schnitzel und Mischgemüse auf dem Speiseplan gestanden. Niemand am Tisch isst schnell.

14.30 Uhr: Sonst um diese Zeit steht Annerose Trübe als Angestellte an der Kasse der Akener Tankstelle. Jetzt wartet sie. Jeden Moment muss ihre Tochter aus der Schule kommen. Die 16-jährige Esther geht nach Köthen aufs Gymnasium. Weil ihre Schulsachen daheim sind, müssen nun ein Block und ein Stift reichen. Nicht besser ist ihre Freundin Vanessa Fiedler dran. Die Schule der 14-Jährigen ist geschlossen. So nimmt sie freiwillig am Unterricht in Köthen teil.

16 Uhr: Es ist heiß auf dem Hof, so dass Peggy Riehl und Kristin Laurich von der Köthener Stadtverwaltung ihre Schützlinge zur Vorsicht mahnen. Sonnenschutz-Creme liege im Bad bereit. Eine Rentnerin bittet um einen Hut. Dieser Wunsch kann gleich erfüllt werden. Anderes schreiben sich die Angestellten auf eine Liste, die in den nächsten Stunden abgearbeitet werden soll. Wahrscheinlich findet sich alles in der Kleiderkammer oder unter den Spenden von Geschäftsleuten.

17 Uhr: Eine junge Frau sucht Unterstützung. Ihr droht das Geld auszugehen. Nicht, weil sie nichts mehr auf der hohen Kante habe, sagt sie. Nein, ihre Bankfiliale in Aken sei auch evakuiert. Und eine Geldkarte, mit der sie überall am Automaten abheben könne, besitze sie nicht. Banken in Köthen hätten sie deshalb weggeschickt und nach Dessau verwiesen. Viele der Akener sind empört. Ob der Notfallseelsorger helfen kann?

18 Uhr: Ein langer Fernsehabend beginnt. Die Feuerwehr stellt eine Satellitenschüssel auf. Zappen ist ausdrücklich erwünscht: Wie sieht es in Aken aus?