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Deutsches Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg Hilfe bei der Suche nach der Herkunft

Vor zehn Jahren wurde in Magdeburg das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste gegründet. Seitdem flossen 60 Millionen Euro in die Provenienzforschung. Das wird gefeiert.

Von Grit Warnat 12.12.2024, 11:51
Seit  Januar 2015 ist das Zentrum Deutsche Kulturgutverluste in Magdeburg ansässig.
Seit Januar 2015 ist das Zentrum Deutsche Kulturgutverluste in Magdeburg ansässig. (Foto: dpa)

Magdeburg/VS - Marie Busch, eine gebürtige von Mendelssohn-Bartholdy, war vor dem NS-Regime nach London geflohen, ihr Mann Felix hatte sich nach dem erzwungenen Verkauf seines Wohnsitzes 1938 das Leben genommen. Sie wurde enteignet, ihr Schmuck konfisziert, der Hausrat zwangsversteigert. Die wertvolle Kunstsammlung, die Felix Busch Anfang des vergangenen Jahrhunderts aufgebaut hatte, wurde von der Gestapo beschlagnahmt. Berliner Museen haben sich Kunstwerke angeeignet.

Monströser Kulturgutraub

Das Beispiel stehe stellvertretend für „das monströse Ausmaß eines Kulturgutraubs“, sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne)anlässlich der Festveranstaltung „10 Jahre Deutsches Zentrum Kulturgutverluste“ am Dienstag. „Dieses historische Unrecht wollen wir sichtbar machen und wo immer es möglich ist, Opfern und Nachfahren Gerechtigkeit zukommen lassen“, so die Grünen-Politikerin. Sie lobte die Arbeit der in Magdeburg ansässigen Einrichtung, die seit einem Jahrzehnt einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung der Washingtoner Prinzipien leiste. Die Bundesrepublik Deutschland hatte sich im Sinne seiner historischen und moralischen Selbstverpflichtung 1998 zu diesen Prinzipien bekannt. Unter Punkt 1 steht in der gemeinsamen Erklärung: „Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet wurden, sollten identifiziert werden.“

Es war der Fall Gurlitt im Jahr 2013, der spektakuläre Kunstfund von München, der die Politik um die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters zum Handeln zwang. Es gab seit 1994 Koordinierungsstellen, erst in Bremen, dann in Magdeburg, aber erst mit der Stiftung bürgerlichen Rechts wurde eine neue Infrastruktur geschaffen. Am 1. Januar 2015 hatten der Bund, alle Länder und kommunalen Spitzenverbände das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste gegründet.

Zentrums-Vorstand Prof. Dr. Gilbert Lupfer.
Zentrums-Vorstand Prof. Dr. Gilbert Lupfer.
(Foto: Deutsches Zentrum Kulturgutverluste/Stefan Deutsch)

Es bündelt seitdem deutschlandweit die Provenienzforschung. Ziel ist es, vor allem in Museen, Universitäten, Bibliotheken und Archiven, aber auch in privaten Sammlungen die Bestände auf mögliches Raubgut insbesondere aus jüdischem Besitz zu untersuchen. Mehr als 400 Projekte mit insgesamt 60 Millionen Euro sind bisher bewilligt worden, davon 43 Millionen für NS-Raubgut. Allein von Marie Busch seien 280 Objekte, darunter Gemälde und Hausinventar, zusammengetragen, so die Kulturstaatsministerin. Auch diese Forschungsergebnisse sind in die Online-Datenbank „Proveana“ eingestellt. Zudem betreibt das Zentrum die Datenbank „Lost Art“.

In Sachsen-Anhalt konnten laut Staats- und Kulturminister Rainer Robra (CDU) 27 Projekte gefördert werden, die meisten zum NS-Raubgut. Beim Museumsverband des Landes gebe es eine Koordinierungsstelle Provenienz. Es sei wichtig, dass die Thematik auch in kleinste Häuser getragen werde, so Robra.

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste bietet seit Jahren einen sogenannten Erstcheck an, eine personell und finanziell unterstützte erste Suche nach möglichen Verdachtsfällen im eigenen Depot.

Blick auch in die DDR

Das Hauptaugenmerk der Arbeit liegt nach wie vor auf NS-Raubgut. „Unsere Handlungsfelder haben sich aber beträchtlich erweitert“, sagte Vorstand Gilbert Lupfer. Seit 2017 werde zudem auf Kulturgutentziehung in der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR geschaut. Seit fünf Jahren gehe die Aufarbeitung auch hin zur kolonialen Vergangenheit. Wichtiger Auslöser waren die Diskussionen um das Humboldt-Forum in Berlin und den Einzug der ethnologischen Sammlungen. Seit 2019 sind laut Zentrum fast zwölf Millionen Euro in 84 Projekte mit kolonialem Kontext geflossen.

Heute, so Vorstand Lupfer, sei die Provenienzforschung in den öffentlichen Sammlungen und bei ihren Trägern angekommen. Den Geldmangel bei Bund, Ländern und Kommunen sowie das erweiterte Parteienspektrum in den Parlamenten sieht er mit Sorge. Er appellierte an die Fortführung der Arbeit. Lupfer: „Es gibt noch viel zu viele ungelöste Fälle, noch viel zu viele Nachkommen, die auf Antworten warten.“