Hebammenverband Sachsen-Anhalt Hebammenverband Sachsen-Anhalt: Hebammen beklagen Unterversorgung

Halle (Saale)/Hamburg/MZ - Frauen, die ihr Kind mit Unterstützung einer Hebamme zur Welt bringen wollen, werden es zukünftig schwer haben. Dies prophezeit zumindest der Hebammenverband Sachsen-Anhalt und hat dem Gesundheitsminister Norbert Bischoff eine Landkarte der Unterversorgung überreicht.
Lage im Burgenlandkreis dramatisch
In Sachsen-Anhalt ist die Lage laut Verband vor allem im Burgenlandkreis dramatisch. In den Kliniken Weißenfels, Zeitz und Naumburg arbeiteten alle Hebammen im Belegsystem. Das heißt, dass sie freiberuflich in den Krankenhäusern mit einem Belegvertrag tätig sind. Deshalb sind auch sie von der Kündigung der Gruppenhaftpflichtversicherung, über die sich alle selbstständigen Hebammen bislang versichern müssen, betroffen. Die Hebammen betreuen laut Verband 1.500 Geburten im Jahr im Burgendlandkreis.
Mehrere hundert Frauen in ganz Deutschland hatten in den letzten Monaten auf der Internetseite der Initiative des DHV „Meine Geburt: natürlich – sicher“ Regionen gemeldet, in denen sie keine Hebammen gefunden haben.
"Bereits heute findet nicht mehr jede Frau eine Hebamme"
Auf der Karte, die der Deutsche Hebammenverband und seine 16 Landesverbände am Donnerstag im Vorfeld der Gesundheitsministerkonferenz den jeweiligen Gesundheitsministern der Länder in Hamburg übergeben haben, zeige sich auch, dass in den vergangenen Jahren bereits 25 Prozent der freiberuflichen Hebammen ihre Tätigkeit aufgegeben haben.
"Bereits heute findet nicht mehr jede Frau eine Hebamme. Konkret bedeutet dies, dass Beratung, Vorsorge, Geburtsbegleitung und Wochenbettbetreuungen durch eine Hebamme trotz des Wunsches der Schwangeren beziehungsweise der Mutter nicht stattfindet," so der Landesverband Sachsen-Anhalt.
Zum 30. Juni 2015 ist die Gruppenhaftpflichtversicherung, über die sich alle selbstständigen Hebammen bislang versichern müssen, gekündigt worden. Bis zu 3.800 Frauen in Deutschland sind dadurch in ihrer beruflichen Existenz bedroht, da ihre Arbeit ohne Versicherungsschutz nicht erlaubt ist.
Laut Deutschem Hebammenverband stiegen die Haftpflichtprämien binnen zehn Jahren von 453 auf bald 5.091 Euro pro Jahr. Der Grund sind höhere Schadenssummen nach Geburtskomplikationen. Seit dem Jahr 2010 haben sich bundesweit deshalb bereits etwa 20 Prozent der freien Hebammen aus der Geburtshilfe verabschiedet. Laut Versicherungswirtschaft gibt es jährlich rund 100 Personenschäden, davon zwölf mit Schäden über 100.000 Euro.
Eine Hebamme darf laut dem Hebammengesetz eine Geburt allein betreuen. Ein Arzt muss nur hinzugezogen werden, wenn es Komplikationen gibt. Ein Arzt darf eine Geburt dagegen nicht allein absichern, er muss eine Hebamme hinzuziehen. In vielen Krankenhäusern muss ein Arzt allerdings anwesend sein, um die Ordnungsmäßigkeit zu gewährleisten. Die Leistung der Hebamme ist eine Kassenleistung. Eine freiberufliche Hebamme erhält bei jeder von ihr betreuten Geburt im Geburtshaus mindestens 550 und bei einer Hausgeburt 694 Euro.
In Deutschland gibt es schätzungsweise etwa 18.000 Hebammen. Nur ein Teil davon ist fest angestellt, etwa in Krankenhäusern. 60 Prozent arbeiten freiberuflich, wobei das Gros gar keine Geburten mehr betreut. Viele bieten nur noch Schwangerschaftsvorsorge und Wochenbett-Betreuung an.
In Halle sei es schon so weit, dass die Geburtshäuser Schwangeren absagen müssen, da das Personal fehle.
Eine wirkliche Lösung für die Haftpflichtproblematik sei noch nicht in Sicht: Nach wie vor stehe ab 2016 kein Versicherer mehr für freiberufliche Hebammen zur Verfügung. Auch der Sicherstellungszuschlag, der die Haftpflichtkosten für Hebammen
mit niedriger jährlicher Geburtenrate abfedern soll, helfe lediglich einem Teil der in der Geburtshilfe tätigen Hebammen.
