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Krank im Urlaub Warum viele Angestellte aus Sachsen-Anhalt jetzt zum Arzt gehen

Endlich stehen freie Tage an – und plötzlich ist die Luft raus: Das Phänomen „Freizeitkrankheit“ ist weit verbreitet. Auch vor Ärzten in Sachsen-Anhalt sitzen erschöpfte Patienten.

Von Lisa Garn 08.07.2025, 06:00
(Foto: Peter Steffen/dpa/dpa-tmn)_d3bohhTp2dCcfbGI5bt4bdzjdc Eben noch mit Aussicht auf freie Tage gearbeitet –  und dann kommen Erschöpfung und Krankheit statt Entspannen.  Dieses Phänomen kennen viele Angestellte in Sachsen-Anhalt und auch Ärzte.  „Ich erlebe oft, dass Patienten in ihrer Urlaubszeit krank in die Sprechstunde kommen“,  sagt  Hausarzt Tobias Ortmann in Staßfurt (Salzlandkreis).  „Wenn die Anspannung nachlässt, öffnet  das Immunsystem ein Fenster und ist anfälliger. Der Körper fährt runter und nimmt sich, was er braucht.“ Eine repräsentative Studie  der IU Internationalen Hochschule in Thüringen bestätigt jetzt den Eindruck: Jeder fünfte Arbeitnehmer wird in seiner freien Zeit  krank. Bei der Erhebung  „Leisure Sickness: Erschöpft statt erholt“  gaben 19,3 Prozent der Befragten an, das Phänomen immer oder häufig am Wochenende  oder im Urlaub zu erleben. Bekannt ist es  bei rund 72 Prozent der Arbeitnehmer. Für die Studie wurden über 2.000 Angestellte zwischen 16 und 65 Jahren befragt.Ein Grund für die Symptome ist der plötzliche Abfall von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol.Tobias Ortmann, Hausarzt in Staßfurt (Salzlandkreis)Bei „Leisure Sickness“ (zu deutsch: Freizeitkrankheit) zeigen sich ausgerechnet in der freien Zeit plötzlich  Krankheitssymptome.  Dazu gehören Müdigkeit und  Kopfschmerzen, sogar Schnupfen und Fieberschübe. Zu den  durch internationale Klassifikationen festgelegten Krankheiten gehört das Phänomen  aber  nicht. Viele finden nicht ausreichend Erholung„Ein Grund für die Symptome ist der  plötzliche Abfall von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol“, erklärt Ortmann. „Diese bewirken, dass man auch über längere Zeit konzentriert und leistungsfähig ist.“ Doch es fehlen offenbar Phasen, in denen sich Angestellte entspannen. Etwa 40 Prozent der Befragten stimmten der Aussage voll und ganz oder eher zu, dass ihr Privatleben nicht ausreichend Erholung biete, um Anforderungen im Beruf gerecht zu werden. Lesen Sie auch: Viele Krankheitstage: Sachsen-Anhalt kein Land der BlaumacherGerade unter jüngeren Arbeitnehmern bis 25 Jahre stößt diese Aussage  besonders häufig (50,5 Prozent) auf Zustimmung. „Vor allem jüngere Generationen haben eine andere Betroffenheit  als ältere“, sagt Stefanie André, die an der privaten IU mit Hauptsitz in Erfurt Professorin für Gesundheitsmanagement ist.  Sie erklärt sich das Ergebnis damit, dass die jungen Befragten ihre Freizeit auch mit passivem Scrollen durch Social Media und Streamen von Serien und Filmen gestalten. Die  Studie zeige, dass Menschen mit aktiver und sinnvoller Freizeitgestaltung seltener „Leisure Sickness“ erlebten.Erreichbarkeit und Überstunden als Risikofaktoren„Jüngere haben heute ein anderes Verständnis von Arbeit und fühlen sich früher überlastet“, schätzt Ortmann ein. „Früher waren 40 Stunden und mehr normal. Das ist auch nicht immer gut, aber es hat vielleicht etwas mit Gewöhnung zu tun.“ Es gebe „guten und schlechten Stress. Jeder muss den Mittelweg finden und darf Warnsignale des Körpers nicht ignorieren“. Wer in seiner Freizeit ständig online und in Social-Media-Kanälen unterwegs sei, verpasse Zeitfenster, in denen es um Erholung und Regeneration gehe.   „Man muss Pausen einbauen und auch Langeweile aushalten. Wir müssen nicht ständig etwas machen.“ Lesen Sie auch: Kein Gehalt bei Krankheit? Wie die Idee in Sachsen-Anhalt ankommtDie Studie benennt auch weitere Risikofaktoren für Krankheitssymptome an freien Tagen: Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit und hohe Arbeitsbelastung. Demnach fühle sich die  jüngere Gruppe stärker verpflichtet, außerhalb der Arbeitszeit erreichbar zu sein. Zudem gaben rund 81 Prozent aller Befragten an, regelmäßig Überstunden zu leisten. Ständige Präsenz sieht auch Hausärztin Sofia Hein mit einer Praxis in Elbingerode (Landkreis Harz) als Problem. „Viele sind nur am Rennen. Alles wird schneller, die  Autos, das Internet – aber der Kopf kommt nicht hinterher“,  unterstreicht die Medizinerin. „Wir müssen lernen, uns wieder Zeit für uns zu nehmen und das Handy auch mal wegzulegen. Und wenn es nur die Runde mit dem Hund draußen ist.“ Kommentar Seite 8
(Foto: Peter Steffen/dpa/dpa-tmn)_d3bohhTp2dCcfbGI5bt4bdzjdc

Eben noch mit Aussicht auf freie Tage gearbeitet – und dann kommen Erschöpfung und Krankheit statt Entspannen. Dieses Phänomen kennen viele Angestellte in Sachsen-Anhalt und auch Ärzte. „Ich erlebe oft, dass Patienten in ihrer Urlaubszeit krank in die Sprechstunde kommen“, sagt Hausarzt Tobias Ortmann in Staßfurt (Salzlandkreis). „Wenn die Anspannung nachlässt, öffnet das Immunsystem ein Fenster und ist anfälliger. Der Körper fährt runter und nimmt sich, was er braucht.“

Eine repräsentative Studie der IU Internationalen Hochschule in Thüringen bestätigt jetzt den Eindruck: Jeder fünfte Arbeitnehmer wird in seiner freien Zeit krank. Bei der Erhebung „Leisure Sickness: Erschöpft statt erholt“ gaben 19,3 Prozent der Befragten an, das Phänomen immer oder häufig am Wochenende oder im Urlaub zu erleben. Bekannt ist es bei rund 72 Prozent der Arbeitnehmer. Für die Studie wurden über 2.000 Angestellte zwischen 16 und 65 Jahren befragt.

Ein Grund für die Symptome ist der plötzliche Abfall von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol.

Tobias Ortmann, Hausarzt in Staßfurt (Salzlandkreis)

Bei „Leisure Sickness“ (zu deutsch: Freizeitkrankheit) zeigen sich ausgerechnet in der freien Zeit plötzlich Krankheitssymptome. Dazu gehören Müdigkeit und Kopfschmerzen, sogar Schnupfen und Fieberschübe. Zu den durch internationale Klassifikationen festgelegten Krankheiten gehört das Phänomen aber nicht.

Viele finden nicht ausreichend Erholung

„Ein Grund für die Symptome ist der plötzliche Abfall von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol“, erklärt Ortmann. „Diese bewirken, dass man auch über längere Zeit konzentriert und leistungsfähig ist.“ Doch es fehlen offenbar Phasen, in denen sich Angestellte entspannen. Etwa 40 Prozent der Befragten stimmten der Aussage voll und ganz oder eher zu, dass ihr Privatleben nicht ausreichend Erholung biete, um Anforderungen im Beruf gerecht zu werden.

Lesen Sie auch: Viele Krankheitstage: Sachsen-Anhalt kein Land der Blaumacher

Gerade unter jüngeren Arbeitnehmern bis 25 Jahre stößt diese Aussage besonders häufig (50,5 Prozent) auf Zustimmung. „Vor allem jüngere Generationen haben eine andere Betroffenheit als ältere“, sagt Stefanie André, die an der privaten IU mit Hauptsitz in Erfurt Professorin für Gesundheitsmanagement ist. Sie erklärt sich das Ergebnis damit, dass die jungen Befragten ihre Freizeit auch mit passivem Scrollen durch Social Media und Streamen von Serien und Filmen gestalten. Die Studie zeige, dass Menschen mit aktiver und sinnvoller Freizeitgestaltung seltener „Leisure Sickness“ erlebten.

Erreichbarkeit und Überstunden als Risikofaktoren

„Jüngere haben heute ein anderes Verständnis von Arbeit und fühlen sich früher überlastet“, schätzt Ortmann ein. „Früher waren 40 Stunden und mehr normal. Das ist auch nicht immer gut, aber es hat vielleicht etwas mit Gewöhnung zu tun.“ Es gebe „guten und schlechten Stress. Jeder muss den Mittelweg finden und darf Warnsignale des Körpers nicht ignorieren“. Wer in seiner Freizeit ständig online und in Social-Media-Kanälen unterwegs sei, verpasse Zeitfenster, in denen es um Erholung und Regeneration gehe. „Man muss Pausen einbauen und auch Langeweile aushalten. Wir müssen nicht ständig etwas machen.“

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Die Studie benennt auch weitere Risikofaktoren für Krankheitssymptome an freien Tagen: Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit und hohe Arbeitsbelastung. Demnach fühle sich die jüngere Gruppe stärker verpflichtet, außerhalb der Arbeitszeit erreichbar zu sein. Zudem gaben rund 81 Prozent aller Befragten an, regelmäßig Überstunden zu leisten.

Ständige Präsenz sieht auch Hausärztin Sofia Hein mit einer Praxis in Elbingerode (Landkreis Harz) als Problem. „Viele sind nur am Rennen. Alles wird schneller, die Autos, das Internet – aber der Kopf kommt nicht hinterher“, unterstreicht die Medizinerin. „Wir müssen lernen, uns wieder Zeit für uns zu nehmen und das Handy auch mal wegzulegen. Und wenn es nur die Runde mit dem Hund draußen ist.“ Kommentar Seite 8

dpa