Hebammen Hebammen: Eine schwere Geburt
HALLE/MZ. - Worum geht es den Frauen? Anfang Juli ist die jährliche Haftpflichtversicherung für selbstständige Geburtshelferinnen von 2 370 auf 3 689 Euro angestiegen. Für viele ihrer Berufskolleginnen, so Manuela Nitschke, sei das ein Grund, sich aus diesem Bereich zurückzuziehen und sich nur noch auf die Betreuung der Frauen vor und nach der Geburt zu konzentrieren. Die Haftpflichtversicherung übersteige bei weitem das Einkommen. Dieses hält nämlich nicht Schritt mit der Prämienerhöhung. Für Hausgeburten erhalten Hebammen seit Juli 100 Euro mehr - insgesamt jetzt 548 Euro. Für die Betreuung einer Geburt im Krankenhaus als so genannte Beleghebamme gibt es acht Euro mehr, insgesamt 237 Euro.
Die Hebammen sind damit nicht zufrieden. Sie haben sich einem Schiedsspruch gebeugt, nachdem ihre Vertreter sich mit den Krankenkassen nicht einigen konnten. "Zähneknirschend", sagt Manuela Nitschke. "Ansonsten hätte es überhaupt keine Erhöhung gegeben."
Der Hebammenverband hat ausgerechnet, dass die Frauen für ihre gesamte Arbeit auf einen Stundenlohn von 7.50 Euro kommen. "Das ist nicht tragbar, bei der Verantwortung, die wir haben", sagt Manuela Nitschke. Hebammen seien immer rufbereit. "Sie haben das Handy am Bett. Und bis gegen 23 Uhr klingelt es täglich. Oft auch in der Nacht." Und sie fragt: "Wer geht schon 24 Stunden für einen solchen Lohn arbeiten."
Die enorme Anhebung der Haftpflichtprämien hat das Fass jetzt zum Überlaufen gebracht. 2007 zahlten die Hebammen dafür noch 1 218 Euro jährlich. 2009 waren es bereits 2 370 Euro. Und nun sind es knapp 3 700. Dabei haben nicht mehr Schäden zu dem Anstieg geführt, wie Manuela Nitschke beteuert. Vielmehr würden die Summen, die bei Schäden gezahlt werden, immer höher.
Das bestätigt auch Bernd Hendges, Geschäftsführer der Securon Versicherungsmakler GmbH. Die Schadensaufwendungen im Gesundheits- und Pflegebereich seien in nur fünf Jahren um mehr als 50 Prozent gestiegen. Auch die Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes steige stark an - für schwere Geburtsschäden seien bis zu 500 000 Euro zu zahlen. Zu verzeichnen sei außerdem eine Zunahme der Regresse etwa durch Krankenkassen. Aus diesen Gründen, so teilt Hendges mit, sei der Markt der Versicherer, die das Risiko Geburtshilfe überhaupt noch versichern, sehr klein geworden.
Für Holger Grüning, Landesverbandschef der Gynäkologen, ist das alles nicht nachvollziehbar. Die Haftpflichtversicherer hätten nie so richtig belegt, warum die Prämien so stark ansteigen müssen. Für bedenklich hält er gar, dass sie so eine Einflussmöglichkeit auf die Strukturen im Gesundheitswesen haben. "Wenn sie den Freiberuflern das Leben schwer machen, dann hören etliche auf", schlussfolgert er.
Damit möglichst viele Hebammen weitermachen, gehen einige Kliniken in Sachsen-Anhalt einen ungewöhnlichen Weg. Sie übernehmen einen Teil der Versicherungskosten der Frauen. In der Asklepios-Klinik in Weißenfels beispielsweise sind das etwa 50 Prozent, solange, bis die Vergütung entsprechend angehoben wird. "Es soll ein Nothelf sein", sagt Uwe Bauer, Geschäftsführer der Klinik. Das Haus arbeitet seit 1998 ausschließlich mit Beleghebammen und will diese natürlich halten. Ziel, so Bauer, sei es damals gewesen mehr Wirkung in die Breite zu bekommen. Das heißt, Hebammen, die werdende Mütter in der weiteren Umgebung vor der Geburt betreuen, bringen sie dann in die Klinik und stellen später dann auch die Nachsorge sicher.
"Das System hat sich bewährt", sagt Bauer. Für ein Haus, das so wie die Weißenfelser Klinik 500 bis 600 Geburten im Jahr registriert, rechneten sich fest angestellte Hebammen nicht. Und für die Hebammen, die ihre Leistungen direkt bei der Kasse abrechneten, sei das bisher auch ganz erträglich gewesen. Über die gegenwärtige Entwicklung schüttelt er den Kopf: "Alle beklagen, dass es so wenig Geburten gibt. Und die, die Geburten befördern sollen, die benachteiligt die Gesellschaft. Das kann ja nicht sein", sagt Bauer.