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Handelskette Handelskette: Der Konsum zieht westwärts

Von Dana Micke 01.01.2008, 17:08

Dresden/Erlangen/MZ. - "Ich will Gurkensalat aus dem Spreewald." Den sucht Helmut Marx, findet ihn aber nicht. Der 72-Jährige ist im Jahr 1998 aus Riesa ins fränkische Forchheim umgezogen. Jetzt fährt er in den Konsum nach Erlangen, um Lebensmittel zu kaufen, die er aus der DDR schätzt. "Wo ist der Gurkensalat aus dem Spreewald?" Filialleiter Karsten Händel zeigt die Gläser mit Spreewälder Gurken. "Ich will keine Gurken, ich will Gurkensalat!" Der alte Mann ist im Ton ungnädig. Der Konsum-Experte lächelt unbeirrt, erklärt, wo alle Ost-Produkte stehen.

Für Händel, ein Landsmann aus Dresden, ist der Kunde ein "Hardcore-Ossi", weil er partout nicht verstehen will, dass der Konsum nicht mehr das ist, was er in der DDR einmal war. Und schon gar nicht hier im Westen, wo sich die Dresdner Genossenschaft gegen teils harte Konkurrenz behaupten muss. Der alte Konsum ist tot. Es lebe der neue Konsum!

Und genau den wollen die meisten Ostler, die in Franken leben und hierher pilgern. Der 45-jährige Karl Schmidt aus Leipzig, seit 2001 in Erlangen, erinnert sich noch gut an die stereotypen Antworten der Konsum-Verkäufer von damals: Ham' wa nich! "Und jetzt können wir uns nur schwer entscheiden, so viel gibt es. Alles Qualitätsprodukte." Das macht ihn sogar ein wenig stolz.

Im September 2007 hat der Laden seine Pforten im Neubau der Erlangen Arcaden geöffnet. Oben auf dem Einkaufstempel prangt die blaue Leuchtschrift "Konsum". Ein Name, mit dem viele Franken jedoch etwas völlig anderes verbinden als seine Urheber. Der wird nämlich nicht "Kon-súhm", sondern "Kónn-summ" ausgesprochen. Die Ossis kommen, hieß es, als der Konsum einzog. "Dabei soll das hier kein Ossi-Laden sein", sagt Händel. Statt Ost-Identität preist der Laden Regionales.

Händel baut in Erlangen die erste West-Filiale eines ostdeutschen Konsums auf. Davor hat er zwei Jahre den umsatzstärksten Dresdner Konsum-Markt geleitet. Die 25 Mitarbeiter in Erlangen kommen je zur Hälfte aus Sachsen und Franken. Es sei schwer gewesen, geschulte Arbeitskräfte aus der Region zu finden. "Die Arbeitslosenquote stagniert ja unter fünf Prozent", berichtet der 27-Jährige. Und wie reagieren die Kunden? "Hervorragend. Am meisten sind sie hier hinter Spreewälder Gurken und Bautzener Senf her."

Doch warum ausgerechnet Erlangen? Die Antwort gibt Roger Ulke. Der 43-jährige Chef des Dresdner Konsums hat die Standortanalysen betrieben und Erlangen für die erste West-Filiale auserkoren. "Die Kunden wollen Qualität. Da passt Erlangen, das zu den deutschen Städten mit der größten Kaufkraft gehört." Angeboten wird ein hochwertiges Sortiment mit Spezialitäten, Bio-Kost und frischen Waren, sagt Ulke.

Er war 1989 aus der DDR ausgereist. "Damals kam ich mit zwei Koffern im Westen an." Ulke landet im Ladenbau und richtet später für eine Baseler Firma Warenhäuser wie das KaDeWe in Berlin ein. Schließlich lernte er den Guru des Ladenbaus kennen, den Holländer Jos de Vries. Er erhielt den Auftrag, zwei Ladenkonzepte für den Dresdner Konsum zu entwickeln.

2000 zog Ulke als Marketingvorstand ein in die Dresdner Konsumzentrale, wurde 2004 Vorstandssprecher. Ulke erläutert die Grundidee des Konsums: "Saubere Lebensmittel zu fairen Preisen. Zu DDR-Zeiten hatte er einen klaren Versorgungsauftrag mit Querbeet-Waren bis in das letzte Dorf. Er war nicht staatlich wie die HO, sondern eine Genossenschaft mit einer über hundertjähriger Tradition."

Nach der Wende stürmten die Discounter in den Osten, dennoch behielten die meisten Konsum-Läden ihr Ost-Flair. Fleisch, Haushaltsgeräte, Kosmetika - alles wurde weiter angeboten. Das Todesurteil für viele Konsumgenossenschaften, auch die Firma in Dresden stand vor dem Ruin. Eine Herausforderung für Ulke, dessen Konzept aufging: "Wir beschränken uns aufs Kerngeschäft. Premium-Supermärkte mit Produkten aus der Region haben Potenzial." 2006 machte der Dresdner Konsum 298 000 Euro Gewinn. "Ja, die 35 000 Konsummitglieder haben sogar sechs Prozent Dividende erhalten. Das zahlt nicht einmal jedes börsennotierte Unternehmen." Das soll es jedoch nicht gewesen sein. Bis 2010 sind fünf weitere Filialen geplant. "Wir wollen den Westen erobern."