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Grundschule in Görzig Grundschule in Görzig: Die Neuen aus Weißandt-Gölzau sind da

Von Ralf Böhme 12.09.2014, 07:50
Schulleiterin Christine Lehmann im Unterricht - Namensschilder auf den Tischen helfen beim gegenseitigen Kennenlernen.
Schulleiterin Christine Lehmann im Unterricht - Namensschilder auf den Tischen helfen beim gegenseitigen Kennenlernen. Heiko Rebsch Lizenz

Görzig - Ganze vier Minuten eher als im Fahrplan ausgewiesen ist der Schulbus abgefahren - aus Versehen. Doch es gibt ein Riesengeschrei auf dem Hof der Grundschule in Görzig (Landkreis Anhalt-Bitterfeld). Fast die Hälfte der Kinder aus Weißandt-Gölzau weiß an diesem Montag nicht, wie sie nach Hause kommen soll. Der Schulweg beträgt seit Beginn dieses Schuljahres plötzlich sechs Kilometer. Grund dafür: Die alte Dorfschule in Weißandt-Gölzau hatte zu wenig Schülern und musste daher schließen. Es kam zur Fusion mit der Schule in Görzig. Aus zwei kleinen ist nun eine große Einrichtung geworden. Und da hakt es zunächst, nicht nur beim Transport.

„Der Bus konnte zwar durch uns zurückgerufen werden, aber die Empörung vieler Eltern kannte erst einmal keine Grenzen“, sagt Schulleiterin Christine Lehmann. Ärgerlich, denn die Unachtsamkeit eines Busfahrers stellt nach ihren Worten die Mühen eines halben Jahres in Frage. Solange habe es gedauert, erzählt Lehmann, bis sich die Weißandt-Gölzauer mit dem Wechsel in die Grundschule des Nachbarortes anfreunden konnten. Den entsprechenden Beschluss hatte der Stadtrat bereits im Winter getroffen. Wie es jetzt weiter geht, das will die MZ in den nächsten Wochen und Monaten beobachten.

Mehr Probleme als Chancen

Mit dem Schulwechsel hatten es sich die Beteiligten nicht leicht gemacht. Die Vertreter der Elternräte, Claudia Juschka (Weißandt-Gölzau) und Konrad Sawarin-Röder (Görzig), sahen mehr Probleme als Chancen. Auch in Elternversammlungen überwog Skepsis. Den Durchbruch brachte erst ein „Tag der offenen Tür“ im Sommer. Lehrer, Schüler und Eltern kamen sich näher. Und das große Schulhaus in Görzig gefiel den Weißandt-Gölzauern. Nur eine Sorge blieb: Klappt es mit der Schülerbeförderung?

Dass die Dorfschule in Weißandt-Gölzau überhaupt schließen musste, liegt an einem umstrittenen Beschluss der Landesregierung. Danach dürfen in Sachsen-Anhalt nur Einrichtungen mit mindestens 60 Schülern fortbestehen. Weißandt-Gölzau zählte zuletzt vier Klassen mit insgesamt 58 Kindern. Für den Fortbestand der Schule fehlten also nur zwei Schüler. Dabei ist das Ende der Schule kein Einzelfall: Landesweit mussten im Sommer insgesamt 31 Grundschulen schließen.

Bürgermeister Burkhard Bresch, der Weißandt-Gölzau und Görzig im Blick hat, ist gegen Schulschließungen auf dem Lande: „Dadurch wird nichts einfacher.“ Und es bleiben Fragen: Was wird aus dem jetzt leerstehenden Gebäude in Weißandt-Gölzau? Polizeistation oder vielleicht doch ein Jugendtreff? Ein Konzept für die Nutzung der Immobilie fehlt jedenfalls noch.

Mehr über die Einschulungsfeier und die Schwierigkeit den Stundeplan für die nun doppelt so große Schule zu erstellen, lesen Sie auf Seite 2.

Trotzdem, bei der Einschulungsfeier am vergangenen Sonnabend schien die Welt in Görzig und Umgebung in Ordnung. Da gab es nur die Sorge, dass nicht alle Gäste in den Saal passen könnten. Doch diese Vermutung war unbegründet. Und das Programm der zweiten Klasse mit Liedern, Gedichten und Tänzen entschädigte für die viele Aufregung im Vorfeld. Eine Sorge betraf dabei das Schulhaus. Werden die Klassenräume rechtzeitig fertiggestellt und eingerichtet? Rund 250 000 Euro kostete die Sanierung der vier Räume, auch wegen des aufwendigen Brandschutzes. Das Ergebnis aber kann sich sehen lassen. Kinder und Eltern waren am ersten Schultag von den frischen Farben, den neuen Fußböden und Möbeln begeistert, erzählt Schulleiterin Lehmann.

Schule nun mehr als doppelt so groß

Inmitten des Umzugstrubels gab es aber noch eine Aufgabe zu lösen, die überall schwierig ist: einen Stundenplan erstellen. Die Schulleitung machte eine Nachtschicht. 163 Stunden umfasst der Plan, verteilt auf acht Lehrerinnen - vier von ihnen haben zuvor in Weißandt-Gölzau unterrichtet. Auch die ehemalige Leiterin Christine Boinski arbeitet nun als Mathematik-Lehrerin in Görzig. „Bis sich alles eingespielt hat, vergehen sicher noch einige Wochen“, sagt sie. Schließlich sei die Schule mit 122 Kindern jetzt mehr als doppelt so groß. Gleichfalls im Stundenplan berücksichtigt sind der Religionsunterricht sowie zwei pädagogische Mitarbeiterinnen. Auch zeitweilige Abordnungen mussten beachtet werden. So hilft eine Sportlehrerin in Edderitz aus, eine andere Kollegin gibt Ethik-Stunden in Köthen. Fällt jemand aus, wird es eng.

Die erste Woche des neuen Schuljahres ist nun vorbei. Vieles haben sich die Lehrerinnen um Schulleiterin Lehmann vorgenommen, um die Schüler für das Lernen zu begeistern. Das beginnt mit der Vorbereitung jeder einzelnen Unterrichtsstunde. Aber es geht auch um Vorhaben, die den Schulalltag zusätzlich spannend gestalten. So stehen kommende Woche zwei Verkehrserziehungstage auf dem Programm. Nach und nach werden die „Neuen“ auch das ganz spezielle Profil ihrer jetzigen Schule kennenlernen. Die Grundschule versteht sich als Umweltschule. Sogar ein eigenes Bienenvolk betreuen Schüler unter fachmännischer Anleitung eines Imkers.

Vorteil beim Neustart: Die Lehrerinnen sich gut vorbereitet. „Weißandt-Gölzauer und Görziger absolvierten gemeinsam die Weiterbildung und übernahmen gegenseitig auch Vertretungsstunden“, sagt Boinski. Den Kindern, die schon seit Anfang August im Görziger Hort waren, sei der Übergang nicht sehr schwer gefallen. Sarah aus Görzig und Jasmin aus Weißandt-Gölzau nicken dazu. Sie gehören zu den 23 Schülern in der neuen „gemischten“ dritten Klasse. Wer aus welchem Ort kommt, sagen sie, sei ihnen ziemlich egal. (mz)