1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Glücksspiele: Glücksspiele: Jung, männlich... spielsüchtig

Glücksspiele Glücksspiele: Jung, männlich... spielsüchtig

Von Sebastian Döring 24.06.2008, 09:31
Automatenspiele einer Spielbank: Die Zahl derSpielsüchtigen im Land ist gewachsen. (Foto: dpa)
Automatenspiele einer Spielbank: Die Zahl derSpielsüchtigen im Land ist gewachsen. (Foto: dpa) dpa

Leipzig/dpa. - Die 23-jährigeVerkäuferin, die ihren Namen nicht nennen will, ist eine von 5000 bis15 000 Glücksspielkranken in Sachsen - «Tendenz steigend», sagt derLeiter der sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren, OlafRilke. Hilfe bekommen die Spielsüchtigen oft erst, wenn sie schonüber beide Ohren verschuldet sind. Die 23-Jährige muss noch 5000 Euroabstottern. Als ihr persönliches Umfeld wegbrach, suchte sie Hilfe ineiner Spezialklinik in Wildenfels bei Zwickau und begann eineSuchttherapie.

Zum besseren Schutz süchtiger Spieler haben die BundesländerAnfang des Jahres den Glücksspielstaatsvertrag in Kraft gesetzt.Darin werden der Ablauf des öffentlichen Glücksspiels «in geordnetenBahnen» geregelt, vor allem Lotterie und Wetten. Im Vertrag kommt dasAngebot der Glücksspielautomaten nicht vor. Dort verzocken diemeisten Abhängigen aber ihr Geld, sagt Rilke. «Der Gesetzgeber ist danicht konsequent.» Für den Staat sind die Spielbanken ein lukrativesGeschäft. 2007 hatten sich Sachsens Einnahmen binnen fünf Jahren auf11,7 Millionen Euro fast verdoppelt.

Junge Männer mit einer Persönlichkeitsstörung sind besondersanfällig, sagt der Leiter der Rehabilitationsabteilung fürSuchtkrankheiten in der Wildenfelser Spezialklinik, Hendrik Moritz.«Das Suchtpotenzial an Glücksspielautomaten ist erheblich. DieAnbieter haben den Maximalverlust pro Stunde in den letzten Jahrenauf 80 Euro erhöht, die maximale Gewinnmöglichtkeit auf 500 Euro. DieAutomaten bieten schnellen Erfolg und vermeintliche Kontrolle gegenLangeweile.» Süchtige wollen laut Moritz Probleme wegspielen: «DerBesuch in der Spielothek ist wie ein Tagesausflug. Aussuchtpräventiver Sicht müssen Spielotheken abgeschafft werden.»

Die 23-Jährige blickt wehmütig auf ihre Erfahrungen in derSpielhölle zurück: «Das war voll Freizeit, bis ich nicht mehraufhören konnte, dort zu arbeiten», sagte die junge Frau undkorrigiert sich: «ich meine: zu spielen.» Eine 16-wöchige Therapiehat sie hinter sich und wurde vorgewarnt, dass sie gegen ihre Suchtlebenslang ankämpfen muss. «Ich hatte erst einen Rückfall.» Zwei Tagelang hat sie mehr als 100 Mal mit ihrem Handy bei der Hotline einerRateshow eines Fernsehsenders angerufen, aber nur verloren: 1700Euro. Der Sender hat sie trotz der vielen Anrufe nicht gesperrt.

Viele Geschädigte schließen sich nach erfolgreicher Therapie einerSelbsthilfegruppe an. «Anderthalb Stunden wird darüber geredet, wieman abstinent bleibt und sich motiviert», sagt der Leiter derStollberger Gruppe «Gametime is over», Rüdiger Schmitt, der nichtspielsüchtig ist. Der Glücksspielstaatsvertrag macht ihn sauer, weildas Angebot nicht eingeschränkt wird. «Eine Spielhalle gibt es injedem Dorf. Der Vertrag hat in dem Bereich kaum etwas verändert.»