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Gesundheit Gesundheit: Notstand bei Kindertherapeuten

Von Sabine Heimgärtner 28.01.2007, 18:22
Kinder sitzen um einen Tisch und malen. (Foto: dpa)
Kinder sitzen um einen Tisch und malen. (Foto: dpa) dpa

Magdeburg/dpa. - In Sachsen-Anhalt herrscht ein dramatischerMangel an Psychotherapeuten für Kinder und Jugendliche. «Mit nur vierniedergelassenen Therapeuten für diese Patientengruppe muss manpraktisch von einem Notstand sprechen», sagte die Kinder- undJugendlichenpsychotherapeutin Barbara Breuer-Radbruch in einem dpa-Gespräch. Für eine optimale Versorgung in Sachsen-Anhalt seien nachBerechnungen der zuständigen Berufsverbände mindestens 40Spezialisten notwendig. Ein Grund für den Expertenmangel sei die«sehr teure, extrem anstrengende und superlange Ausbildung zumKindertherapeuten», sagte Breuer-Radbruch.

Besonders alarmierend sei die Situation, weil immer mehr Kinderund Jugendliche in Deutschland unter psychischen Erkrankungen litten.Einer aktuellen Studie zufolge benötige bereits rund ein Fünftel vonihnen ärztliche Behandlung, allerdings werde nur ein geringer Teilder Betroffenen von einem Arzt betreut. Insgesamt gebe es inDeutschland zu wenige Psychiater und Psychotherapeuten, die aufKinder und Jugendliche spezialisiert seien. Ostdeutschland undländliche Regionen seien von dem Fachkräftemangel besondersbetroffen. «Wenn ich jemandem mit einer aktuellen Essstörung sagenmuss, es geht frühestens in einem halben Jahr, dann ist das keinZustand», betonte die Therapeutin.

Vor allem die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung(ADHS) sowie Essstörungen wie Bulimie und Magersucht seien heuteweiter verbreitet als noch vor einigen Jahren, sagte Breuer-Radbruch.Eine Ursache dafür sei der mangelnde familiäre Rückhalt. Elternfühlten sich mit der Kindererziehung zunehmend überfordert.«Fernsehen und Computer müssen oft als Ersatzeltern dienen und derenständiger Konsum führt dann bei den Jugendlichen wieder zu neuenProblemen», sagte die Expertin.

Gefährdet sind nach Breuer-Radbruchs Beobachtungen vor allemKinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien: «Wenn es denEltern schlecht geht, geht es den Kindern auch nicht gut.» Auslöserfür die Erkrankungen sei zumeist kein einzelnes Ereignis, sonderneine Kette von negativen Erlebnissen und chronischen Belastungen.«Scheidung, Arbeitslosigkeit, vielleicht noch ein Umzug - wenn dannnoch die Großmutter stirbt, die für das Kind möglicherweise ein Haltwar, dann läuft das Glas irgendwann über», erklärte diePsychotherapeutin.