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Geschichte Geschichte: Die Flamen kommen

Von JULIA KLABUHN 17.06.2009, 19:13

LOBURG/MZ. - Unterhalb der Burg Loburg (Jerichower Land) setzen sich sechs altertümlich anmutende Planwagen Richtung Steckby in Bewegung und rollen in einer Reihe über einen Kopfsteinpflasterweg. Während sich die Pferde ins Zeug legen, rumpelt und ächzt der Planwagen, als wolle er jeden Moment auseinanderbrechen.

Kein Wunder, denn das Wagenmodell ist mindestens 850 Jahre alt. Es ist ein originalgetreuer Nachbau der Kutschen, mit denen die Flamen im 12. Jahrhundert rund 1 200 Kilometer weit reisten, um im heutigen Osten Sachsen-Anhalts und Südbrandenburg eine neue Heimat zu finden. Der Askanierfürst Albrecht der Bär und Erzbischof Wichmann von Magdeburg hatten die Siedler angeworben. Sie sollten das Land bewirtschaften und das Christentum verbreiten. Nach den Neuankömmlingen wurde die Landschaft dann auch als Fläming benannt.

Genau 850 Jahre nach Eintreffen der ersten Siedler im Jahr 1159 sind dieser Tage wieder Planwagen im Fläming unterwegs. Der Treck soll an die Geschichte des Landstrichs erinnern und für die Region als Reiseziel werben. Am 3. Mai ist er in Brügge, einer Stadt im Westen Belgiens gestartet. Über Aachen, Paderborn, Wolfenbüttel, Helmstedt und Magdeburg sind die Pferdewagen in den Fläming gelangt. Am 27. Juni sollen die Wagen in Brück (Brandenburg) ankommen.

Schneider ist Auszubildende beim Kaltblutzucht- und Sportverein in Brück (Brandenburg), der die Reise organisiert hat. Unterstützt wird das Projekt unter anderem vom Tourismusverband Fläming mit Sitz in Belzig (Brandenburg) und dem Fläming-Flandern-Verein Wittenberg, die eine mobile Tourist-Information mit auf Reisen schickten. "Titanen on Tour" heißt das Unternehmen. Die Titanen, das sind die Rheinisch Deutschen Kaltblutpferde, die in Brück gezüchtet werden. Für die ausdauernden Arbeitspferde soll die Reise ebenfalls Werbung sein. Tatsächlich sind die Pferde die große Attraktion für die Zuschauer am Wegrand. In Wahl, dem ersten Stopp der Tagesetappe, sind die Tiere sofort von Menschen umringt. Und auch die Fahrer der Planwagen sind vor allem wegen der Pferde mitgekommen. "Die Kaltblüter sind sehr ausdauernd und lassen sich von nichts aus der Ruhe bringen. Nur mit diesen Tieren kann man eine solche Tour machen", sagt Uwe Tittmann. Er hat extra eine Woche Urlaub genommen, um einen Teil der Tour mitzuerleben.

"Das sind alles Verrückte, die hier mitfahren", sagt Tittmann lachend und zählt die Strapazen der Reise auf. Nachtquartiere in Pferdeboxen, Aufstehen um 5 Uhr morgens, um die Pferde zu füttern, lange Abende, an denen die zurückliegende Etappe besprochen wird. Wunderbare Ausblicke auf die Landschaft entschädige ihn aber für alles. "Es ist eine komplett andere Welt, in die man eintaucht, wenn man wie ein flämischer Siedler durchs Land reist", sagt er.

Der Treck hat inzwischen Lindau (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) erreicht. Tittmann manövriert seine Pferde Uli und Othello in eine Reihe neben die anderen Gespanne. An der Lindauer Burg haben indessen Schulkinder Aufstellung bezogen, in Trachten und mit Holzschuhen an den Füßen tragen sie flämische Lieder vor. "Überall wo wir hinkommen sind Leute über Leute. Toll!", sagt Tittman und macht sich dann daran, seine Pferde mit Wasser zu versorgen.

Im Wagen nebenan fährt die ehemalige Fläming-Königin, Jeanette Bergholz, den nächsten Streckenabschnitt bis Zerbst mit. Die 37-Jährige macht für den Tourismusverband Fläming die Öffentlichkeitsarbeit bei der Tour. Unermüdlich hat sie in Belgien, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen für das Reiseziel Fläming geworben und erklärt, was es mit der Planwagentour auf sich hat. Nach mehr als sechs Wochen sei sie nun leider schon ziemlich heiser, sagt Bergholz. Aber das Unternehmen habe sich gelohnt. "Die Tour ist die beste Werbung für die Region, die Menschen haben jetzt ein Bild vor Augen, wenn sie Fläming hören."

Trotzdem ist die gebürtige Zerbsterin auch froh, wieder in ihrer Heimat zu sein. "Es ist schön, dass wir hier nicht mehr erklären müssen, wo der Fläming ist", sagt Bergholz. Schon vor der Tour haben die Tourismusvereine der Region auf das Jubiläumsereignis aufmerksam gemacht. In Schulen gab es Malwettbewerbe und Theater-Projekte zum Thema Flamen. Viele Bürgermeister im Fläming haben um einen Tour-Stopp in ihrem Ort gebeten. Deshalb ist der Planwagentreck in Magdeburg geteilt worden. Sechs Gespanne rollen nun auf einer Nordroute über Ziesar und Niemegk nach Brück. Die Südroute wird über Aken, Reppichau, Dessau und Wittenberg führen.

Um 14 Uhr fahren die Planwagen in Zerbst ein. Auf der Schlossbreite erwarten die Fahrer abermals viele Menschen - und ein Mittagessen. Zuerst sind aber die Kaltblüter dran. "Auf den langen Etappen brauchen die Pferde mittags Hafer", sagt Schneider und hält Evi und Estobar Futtereimer hin. Schließlich muss die Kolonne noch neun Kilometer bis Steckby zurücklegen - auf den Spuren und in der Wagenspur der Flamen.