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Geologie Geologie: In Sachsen-Anhalt schlummern wertvolle Mineralien

Von HENDRIK KRANERT-RYDZY 09.10.2012, 17:59

Halle (Saale)/MZ. - Sachsen-Anhalts Schatzkammer liegt nicht in den Kellergewölben des Finanzministeriums in Magdeburg. Sondern in einer schnöden Blechhalle im halleschen Stadtteil "Frohe Zukunft". Ein Einbruch ist allerdings zwecklos: Die dort gelagerten Preziosen sind nicht nur verdammt unhandlich, weil halbzentnerschwer. Sie sind auf den ersten Blick auch alles andere als Reichtum verheißend: Bohrkerne aus 40 Jahren geologischer Forschung zu DDR-Zeiten auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt. 150 Kilometer Fels aus 800 verschiedenen Bohrungen, fein säuberlich in Holzkisten verpackt.

Kaum vorstellbar: Allein der materielle Wert ist immens. Nach heutigen Maßstäben geht er in die Milliarden, denn eine einzige Bohrung von vier Kilometern Tiefe kostet derzeit zwischen 20 und 30 Millionen Euro. Geld, das niemand mehr aufbringen muss, weil in den einstigen Bezirken Magdeburg und Halle - und nicht nur dort - nahezu lückenlos der Untergrund erkundet wurde. Die rohstoffarme DDR wollte sich unabhängig von Importen machen - koste es, was es wolle.

Großer Hunger nach Rohstoffen

Nach 1990 interessierte dies zunächst niemanden. Doch inzwischen lässt sich der Hunger nach Rohstoffen kaum noch stillen. Besonders exotische Mineralien wie Lithium für die Akku-Produktion sollen in absehbarer Zukunft preislich mit Gold vergleichbar werden. Und so rücken nicht nur alte, vermeintlich längst aufgegebene Bergwerke in den Fokus von Wissenschaft und Industrie, sondern eben auch die Bohrkerne aus der "Frohen Zukunft". Denn was sich in den Tiefen Sachsen-Anhalts noch verbirgt, ist vielerorts noch offen. "Die Auswertung der Bohrkerne ist bis heute nicht abgeschlossen", sagt Chefgeologe Bodo-Carlo Ehling vom Landesbergamt.

Und so könnte in dem einen oder anderen Brocken eine Sensation wie in Probe 530 schlummern, die 1958 in einem Dorf nördlich von Bitterfeld gezogen wurde: Den grauen Bohrkern durchzog ein schwarzes, bis dato völlig unbekanntes Gestein, das sein Geheimnis erst zwölf Jahre später lüftete. Da wurde klar, dass das inzwischen Ultramafitit getaufte Material feine Körner von Seltenen Erden enthält: Minerale, die Hersteller von Fernsehgeräten und Mobiltelefonen heutzutage händeringend suchen.

Die Entdeckung aus den 1970er Jahren sorgte daher in diesen Tagen wieder für Schlagzeilen: Nahe dem Delitzscher Ortsteil Storkwitz lässt die Deutsche Rohstoff AG seit Frühjahr das Vorkommen mit 8 000 Tonnen Niob und 38 000 Tonnen Seltener Erden erkunden und für einen möglichen Abbau vorbereiten. Die Lagerstätte, die sich auch bis weit nach Sachsen-Anhalt erstreckt, hatte vor sechs Monaten einen Marktwert von etwa 1,5 Milliarden Euro.

Wie viel es heute ist, lässt sich schwer abschätzen. "Es spielen viele Faktoren eine Rolle, ob aus einem Vorkommen an Mineralien eine abbauwürdige Lagerstätte wird - oder nicht", sagt Ehling. Bei den Seltenen Erden ist es der Umstand, dass China auf den weltweit größten Vorkommen sitzt - und die Produktion verknappt. Das könnte sich morgen schon wieder ändern - und die Storkwitzer Goldgräber-Stimmung rasch zunichte machen. In Sachsen-Anhalt ist eine Erkundung des Vorkommens vorerst nicht in Sicht, derzeit laufen vor allem universitäre Untersuchungen der Bohrkerne.

Feldforschung im Harzvorland

Dafür könnten im Harzvorland bald wieder Feldforschung betrieben werden: Die kanadische Firma BNK Petroleum will im kommenden Jahr tonnenschwere Spezial-Lkw kreuz und quer durch den Harz schicken. An den Fahrzeugen ist eine Art Rüttelplatte befestigt, die seismische Wellen erzeugt, die sich mit leichten Erdbeben vergleichen lassen. Ziel der Erkundung ist Erdgas. Als besonders interessant gilt dabei die Gegend um den Großen Fallstein bei Osterwieck, dort sprudelte in den 1930er Jahren die einzige Ölquelle auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt. Ein Zufallsfund aus dem Reichsbohrprogramm der Nazis.

Dass es dort neben Öl auch Erdgas gibt, gilt als sicher. Der französische Konzern GDF Suez, dessen Erdgasförderung in der Altmark sich dem Ende nähert, hält am Fallstein bis heute Bergbau-Eigentum. Ob und wann aber BNK in Sichtweite des Brocken tatsächlich einmal Gas fördern wird, ist völlig offen und nach Ansicht von Experten nicht sehr wahrscheinlich.

Im Blickpunkt der Rohstoff-Industrie in Sachsen-Anhalt befinden sich daher derzeit vor allem Kiese, Steine und Erden sowie Braunkohle und Salze. Davon gibt es im Land noch Reserven für Jahrzehnte; die Erschließung neuer Vorkommen ist allerdings politisch hoch umstritten. So wurde etwa das Braunkohle-Vorkommen in der Egelner Mulde - dort liegt mit einer Milliarde Tonnen ein Viertel bis ein Drittel des Gesamtvorrates an Braunkohle in Sachsen-Anhalt - aus dem Landesentwicklungsplan gestrichen. Und das, obwohl das Vorkommen weniger als Energie- sondern als Rohstofflieferant für die chemische Industrie interessant ist.

Der Amsdorfer Hersteller Romonta etwa, der aus Braunkohle sogenannte Rohmontan-Wachse destilliert, würde in dem Feld zwischen Harz und Magdeburger Börde neuen Ausgangsstoff für seine Produkte finden, während der werkseigene Tagebau sich langsam dem Ende nähert. Doch daraus dürfte nichts werden: "Es ist nicht ganz so einfach, einen neuen Tagebau zu erschließen", sagt Ehling. Mindestens zehn Jahre sind dafür nötig - und in der Egelner Mulde hat zunächst die Politik einen Riegel davor geschoben.

Und sonst? Wie steht es um schon einmal gehobene Bodenschätze in Sachsen-Anhalt? Flussspat beispielsweise ist wieder begehrt, in Sachsen wird derzeit bei Hammerunterwiesenthal eine neue - alte - Flussspatgrube aufgefahren. Doch der Flussspat in Sachsen-Anhalt wird wohl vorerst nur touristisch interessant bleiben - im Besucherbergwerk Glasebach in Straßberg (Harz). "Die Mengen, die da noch liegen, sind einfach zu gering", sagt Ehling.

Hoffnung für Sangerhausen?

Eine Aussage, die sich verallgemeinern lässt: Bleiglanz im benachbarten Neudorf - seit Jahrhunderten erschöpft. Und der Kupferschiefer in der Sangerhäuser Mulde? 1990 wurde die Schächte zwar wegen zu geringer Ausbeute geschlossen - doch der Kupferpreis hat sich seither fast verdoppelt. Nicht umsonst plant die Kupferschiefer Lausitz GmbH derzeit im südlichen Brandenburg ein Bergwerk, um eine bereits zu DDR-Zeiten bekannte Lagerstätte zu erschließen. Also Hoffnung für Sangerhausen?

Abgesehen davon, dass die Schächte alle geflutet sind - was technisch aber rückgängig zu machen wäre: Die restlichen Vorkommen bei Allstedt und Osterhausen im Landkreis Mansfeld-Südharz sowie bei Heldrungen (Thüringen) liegen sehr tief. Für gerade noch knapp 900 000 Tonnen Kupfer fasst diese Mammutaufgabe vorerst keiner an. Zum Vergleich: In der weltgrößten unterirdischen Kupfermine "El Teniente" in den chilenischen Anden wird Erz für 500 000 Tonnen Kupfer gebrochen - pro Jahr.

Ehlings Prognosen für Sachsen-Anhalt sind daher eher düster: "Ein neues Berggeschrei wie in Sachsen ist hierzulande nicht in Sicht." Vorerst zumindest.