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Frust im Harz Frust im Harz: Vorerst kein Wintersport in Braunlage

Von Katrin Löwe 18.01.2014, 08:01
Dirk Nüsse vor dem neuen Sessel-Lift am Wurmberg. Noch ist er außer Betrieb. Der Schnee aus der Beschneiungsanlage reicht nicht für Skisport.
Dirk Nüsse vor dem neuen Sessel-Lift am Wurmberg. Noch ist er außer Betrieb. Der Schnee aus der Beschneiungsanlage reicht nicht für Skisport. Andreas Stedtler Lizenz

Braunlage/MZ - Es hatte die Wintersaison schlechthin werden sollen. Die erste der neuen Ära in einem Skigebiet im Westteil des Harzes, in das in den vergangenen zwei Jahren rund elf Millionen Euro investiert wurden. Statt dessen: Tristesse. Der Parkplatz an der Wurmberg-Seilbahn in Braunlage (Niedersachsen) liegt nahezu verwaist im Nieselregen. Der Skiverleih nebenan ist verschlossen, ein Schild an der Tür verweist darauf, dass auf der Mittelstation der Seilbahn Schlitten ausgeliehen werden können. Oben, in der Wurmberg-Alm auf dem mit drei Zentimeter Schneehöhe nur leicht geweißten Gipfel, sitzen vereinzelte Wanderer bei Tee oder Gulaschsuppe. „Hätten wir richtig Schnee, wäre es hier voll“, sagt die Bedienung seufzend. Bisher hat es in diesem Winter nicht einen Skitag auf dem 971 Meter hohen Berg gegeben.

„Ein Witz“, sagt Seilbahn-Betriebsleiter Dirk Nüsse - nur, dass aus diesen Worten kein Amüsement spricht. Frust ist dem 56-Jährigen anzumerken. „Ich wünschte mir, es würde endlich jemand sagen: Es wird eiskalt in Deutschland.“ Nicht, dass es solche Aussagen nicht schon gegeben hätte. Für diese Woche waren für den Harz minus acht bis minus zehn Grad angesagt. Wieder hatte Nüsse Hoffnung, dass die neue Beschneiungsanlage endlich richtig loslegen kann. 90 Schneelanzen - bis zu zehn Meter lange Rohre, die feinste Wassertröpfchen in die Luft pusten - und neun Schneekanonen stehen nun an einem Teil der insgesamt 13 Kilometer Skipisten. Gespeist werden sie mit Wasser aus einem eigens angelegten Bergsee, der 45000 Kubikmeter fasst.

Bei minus acht Grad hätten sie nur gut drei Tage gebraucht, um die Pisten mit einer halben Meter hohen Schneedecke zu versehen, sagt Nüsse. Wieder aber wurde kaum die Null-Grad-Marke angekratzt. Ein paar Stunden lief ein Teil der Beschneiungsanlage bisher, ab minus drei Grad geht das System automatisch in Betrieb. Das reichte zwar, um am neuen Sessellift „Hexen-Express“ eine Ahnung von Piste und Wintersport zu bekommen, aber nicht zum Skifahren. „So einen Winter habe ich noch nicht erlebt“, sagt Nüsse.

Kritiker fühlen sich bestätigt

Eine Situation wie diese, das weiß er, ist Wasser auf den Mühlen der Kritiker des Skigebiet-Ausbaus. Es sei gekommen „wie befürchtet“ hat einer von ihnen - Friedhart Knolle vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - jetzt gesagt. Vor allem Umweltschützer hatten den Ausbau kritisiert, nicht nur, weil Bäume für neue Abfahrten und die Verbreiterung der alten gerodet werden mussten. Eines ihrer Hauptargumente: Im Harz sei es perspektivisch zu warm für rentablen Wintersport.

Auf den setzt allerdings nicht nur Braunlage. Auch im sachsen-anhaltischen Schierke sollen 36 Millionen Euro in den Ort und Skipisten gesteckt werden. Manch einer träumt schon vom neuen Sankt Moritz, einer Verbindung von Braunlage und Schierke zum größten zusammenhängenden Skigebiet des Nordens. „Mit den Investitionen im Skigebiet sind wir auf dem richtigen Weg“, sagte Braunlages Bürgermeister Stefan Grote (SPD) zuletzt immer noch. Trotz zunehmender sommerlicher Angebote etwa für Biker: Der Harz brauche den Wintersport, um touristisch nicht unterzugehen, argumentiert auch Nüsse und bringt Ski-Weisheiten an, nach denen es schon immer alle sechs bis sieben Jahre einen schlechten Winter gab.

Als diesmal über Weihnachten zumindest die Sonne schien, war die Kabinen-Seilbahn zwar gut genutzt, erzählt er. „Der Skitourist ist aber ein ganz anderer als der Wanderer.“ Letzterer fahre einmal auf den Gipfel, der Skitourist eben fünf Tage lang immer wieder. Er lasse insgesamt mehr Geld in der Region. „Das Sauerland verdient sich eine goldene Nase mit Wintersport, es wird Zeit, dass der Harz nachzieht“, sagt Nüsse. Am Betrieb von Seilbahn und Skipisten als touristischem Highlight hingen nach Angaben seines Unternehmens schon vor dem Ausbau 500 Jobs in Hotellerie, Gastronomie und Handel.

Noch nichts verloren

Ob es mit der sprichwörtlich goldenen Nase in diesem Winter für sie und die Wurmberg-Seilbahn GmbH - ein Privatunternehmen mit 17 Prozent Beteiligung der Kommune Braunlage - noch etwas wird, steht in den Sternen. 25 Festangestellte hat das Unternehmen, das trotz EU-Förderung einen Großteil des Ausbaus finanziert hat. In der Hochsaison kommen bis zu zehn Kräfte dazu. Derzeit seien seine Mitarbeiter vor allem mit Restarbeiten von dem Umbau beschäftigt, die im Frühjahr angestanden hätten, sagt Nüsse. Bleibe die Saison so schlecht, müsse zumindest daran gedacht werden, die Rückzahlung der Kredite zu strecken.

Noch aber ist nicht aller Tage Abend. „Im vergangenen Jahr hat die Saison praktisch erst am 5. Februar angefangen - und am Ende hatten wir das bisher zweitbeste Ergebnis überhaupt“, sagt Nüsse. Wenn denn wenigstens ab Februar die übliche Kälte aus Russland kommt, könnte sich diese Saison bis in die Osterferien ziehen: Skispaß auf bis zu 4,1 Kilometer langen Abfahrten, 3000 Wintersportler pro Stunde, die mit Kabinenbahn und neuem Sessellift zum Gipfel gebracht werden können.

Erst dann sei Zeit abzurechnen, sagt Nüsse. Vorerst wird er weiter akribisch Wetterkarten und Luftströmungen über Europa verfolgen. Darin ist er längst Experte.

Die Smartphone-App zeigt dem Nutzer jeden Tag die aktuellen Schneehöhen.
Die Smartphone-App zeigt dem Nutzer jeden Tag die aktuellen Schneehöhen.
Grafik/Bernd Martin Lizenz
Wie funktioniert eine Seilbahn?
Wie funktioniert eine Seilbahn?
Grafik/Bernd martin Lizenz