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Flinke Finger Flinke Finger: Außergewöhnlich: 17-jährige Pianistin an der Uni Halle

Von Jessica Quick 11.06.2015, 11:45
Hoch konzentriert spielt die erst 17-jährige Yujin Kim im Rahmen der Händelfestspiele zur Festspielmatinee im „Roten Horizont“.
Hoch konzentriert spielt die erst 17-jährige Yujin Kim im Rahmen der Händelfestspiele zur Festspielmatinee im „Roten Horizont“. Andreas Löffler Lizenz

Halle (Saale) - Es ist mucksmäuschenstill im vollbesetzten Tee- und Kaffeehaus „Roter Horizont“ in Halle. Alle Augen sind auf sie gerichtet: Yujin Kim. Die erst 17-jährige Studentin sitzt vor dem schwarzen Yamaha-Flügel, hält kurz inne. Ihre schwarzen, kräftigen Haare hat sie mit einem Band gezähmt. Sie führt die rechte Hand zu den Tasten, beginnt den ersten Akkord, dann stimmt ihre linke Hand mit ein. Die sanften Töne von Chopins Nocturne Des-dur op. 27, Nr. 2 lassen ein Raunen durch die Menge gleiten. Hier und da reckt sich ein Zuhörer, um die Künstlerin sehen zu können.

„Sie spielt mit einer unglaublich natürlichen Physis und Geschmeidigkeit“, das hat Musikprofessor Jochen Köhler an Yujin Kim vom ersten Moment an begeistert. So sehr, dass er die in Seoul (Südkorea) geborene junge Frau noch vor ihrem Abitur als Studentin für die Martin-Luther-Universität gewinnen konnte. Damit ist sie, die erst im Alter von sechs Jahren mit Klavierspielen begonnen hat, nicht nur die jüngste der insgesamt zwölf Schüler von Köhlers Klavierklasse, sondern auch die jüngste Vollzeitstudentin der gesamten Universität.

Musik kann seit der Fusion der beiden Institute aus Magdeburg und Halle im Jahr 2009/10 nur noch in Halle studiert werden. Das Institut, welches laut Musikprofessor Jochen Köhler mit etwa 250 bis 300 Studenten zu den kleineren gehört, setzt sich aus den beiden Abteilungen Musikwissenschaft und Musikpädagogik/Künstlerische Praxis zusammen.

Die persönliche und intensive Betreuung macht den besonderen Reiz des Institutes aus. Vor allem aber schätzen angehende Musiker die Vielzahl der öffentlichen Auftritte. Bis zu 30 pro Semester organisiert Köhler für seine Studenten, darunter die Festspielmatinee im „Roten Horizont“. Trotz der schwierigen finanziellen Situation kann das Institut so seine qualitativ hochwertige Ausbildung, die immer stärker auf das kulturelle Leben der Stadt Halle und Sachsen-Anhalts ausstrahlt, unter Beweis stellen.

Im Jahr 2013 trifft der aus Wien stammende Musikprofessor Yujin Kim beim „Euro Music Festival“ das erste Mal. Nicht etwa weil Kim Klavier spielt. Nein, aufmerksam wird Köhler auf das Talent, als sie ein Gespräch zwischen ihm und ihrer chinesische Zimmernachbarin dolmetscht. „Es war nicht das Übersetzen selbst, sondern die Art, wie sie die Worte für die Musik auswählte, die mich neugierig machten“, erinnert sich Köhler.

„Und als ich sie bat, mir etwas vorzuspielen, war das so beeindruckend, dass ich begann, mich für sie zu interessieren.“ Ein Jahr darauf, im vergangenen Herbst, zieht Yujin Kim gemeinsam mit ihrer Mutter nach Halle und beginnt neben dem Bachelorstudium in Instrumentalpädagogik den Unterricht in Köhlers renommierter Klavierklasse.

An ihrer Seite: elf weitere herausragende Talente aus Russland, Südkorea, China und Deutschland. Kim lernt Deutsch - Koreanisch, Chinesisch und Englisch beherrscht sie bereits fließend, was in ihrer Biografie begründet liegt. Als Kim zehn Jahre alt ist, siedelt sie mit ihren Eltern nach China über. Mit elf Jahren tritt sie erstmals öffentlich als Pianistin auf und gewinnt später zahlreiche Preise bei Klavierwettbewerben in China und Europa.

Was sie an Halle so reizt, kann man zunächst auf eine Person beschränken: Professor Köhler. „Er ist wundervoll“, schwärmt Kim. Und auch wenn es zu Beginn für sie nicht einfach war, hat sie Halle als Universitätsstadt schätzen gelernt. „Ich war schon einige Male Tennis spielen und ich liebe die Peißnitz. Dort gehe ich gern mit meiner Mutter joggen“, so die 17-Jährige.

Klavierspielen übt sie intensiv vor ihren Konzerten etwa drei Stunden am Tag. Ansonsten scheint ihr das Talent vor allem in die Wiege gelegt. Völlig unbeschwert und natürlich wirkt sie in ihrem eng anliegenden, geblümten Kleid bei dem Auftritt im Rahmen der Festspielmatineen im „Roten Horizont“.

Scarlatti, Chopin, Liszt und als Höhepunkt der Säbeltanz von Chatschaturjan: Stücke mit extremen Sprüngen und Passagen höchster Geschwindigkeit, die dem Spieler absolute Konzentration und schnelles Umschalten abfordern. Kim meistert sie. Dafür erntet sie am Ende nicht nur den Applaus des Publikums, sondern auch ein anerkennendes Nicken ihres Mentors Jochen Köhler.

Die Festspielmatinee findet noch bis Sonntag, 14. Juni, fast täglich um 11 Uhr im „Roten Horizont“, Kleine Ulrichstraße 27, in Halle statt.