FC Halle-Neustadt FC Halle-Neustadt: Fußball für Jugendliche mit Problemen

Halle (Saale)/MZ - Die zwei blonden Jungen sind erst seit kurzem im Team der B-Jugend des FC Halle-Neustadt. Sie heißen Andreas und Jonathan und kamen vor knapp vier Monaten mit ihrer Mutter aus Polen nach Deutschland. Nun stehen sie mit elf anderen Jugendlichen auf dem Kunstrasenplatz ihres Vereins und hören Sven Saemann zu. Es ist Donnerstag, kurz nach halb sechs. Das Flutlicht ersetzt langsam die Sonne. Trainingsbeginn der B-Jugend.
Saemann ist der Präsident des FC Halle-Neustadt und gleichzeitig Trainer von Jonathan, Andreas und den anderen Jugendlichen. Nachdem er die ersten Übungen erklärt hat, schauen sich die blonden Jungen etwas ratlos an. Ein paar polnische Worte fallen, dann laufen sie mit einem Ball am Fuß los.
„Die beiden sprechen kaum Deutsch“, erklärt Saemann. Ein Problem sei das aber nicht. „Fußball ist ja wie eine eigene Sprache, die versteht fast jeder.“ Es ist diese Lockerheit, die den FC Halle-Neustadt zu einem besonderen Verein macht.
Als am Dienstagabend im Mercedes-Benz Museum in Stuttgart der Integrationspreis des Deutschen Fußball Bundes (DFB) verliehen wird, gehört auch Sven Saemann mit seinem Club zu den Gewinnern. Kurz nach 20 Uhr steht er auf der Bühne, neben sich seine Lebensgefährtin Sandra Hiller, die auch Geschäftsführerin des Vereins ist, auf den Armen hat er die sieben Monate alte gemeinsame Tochter Janina. Unter 130 Bewerbern kamen die Neustädter in der Kategorie „Verein“ auf den dritten Platz. Überreicht wird der Preis unter anderem von DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock und dem 23-fachen Nationalspieler Cacau.
Es ist eine der bedeutendsten Auszeichnungen, mit der ein Fußballclub abseits sportlicher Erfolge in Deutschland geehrt werden kann. Den DFB beeindruckten vor allem die Projekte des Vereins. „Begonnen hat alles 1999 mit ,Spielen statt Dealen’“, erinnert sich Saemann. Bei dem Turnier traten Jugendmannschaften gegeneinander an, daneben wurde über Drogen und ihre Folgen informiert. „Wir haben uns dann jedes Jahr etwas Neues einfallen lassen.“ 2002 gab es zum Beispiel einen Russischen Abend mit Tee aus dem Samowar. Sechs Jahre später lud der Club zum interkulturellen Sportfest ein. Das Motto: „Wer gemeinsam Sport treibt, achtet seine Mitmenschen.“ Mehr als zehn Projekte veranstaltete der Verein in den vergangenen 15 Jahren. Der Integrationsgedanke stand zu Beginn noch gar nicht im Vordergrund.
In Halle-Neustadt ist der Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund höher als in anderen Vierteln. Das spiegelt sich in Clubs wie dem FC Halle-Neustadt wieder. Oft sind sie der erste Anlaufpunkt für Menschen, die neu in einer Stadt und einem Land sind. So wie Jonathan und Andreas, die sich kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland bei Sven Saemanns Truppe anmeldeten.
Wie vielfältig die Herkunftsländer der Spieler sind, wird auch beim Training der B-Jugend deutlich. Im Schein des Flutlichtes steht Sven Saemann am Spielfeldrand. Zu zweit müssen seine Jungs mehrere Stationen absolvieren. „Wir machen heute ein etwas härteres Training, weil das letzte Spiel nicht so gut lief.“ 19:1 hat sein Team im Pokal verloren. „Wir wussten, dass die anderen besser sind, aber irgendwann haben wir uns aufgegeben“, sagt der Trainer.
An einer Station stehen Bekir und Samir. Sie helfen sich beim Anziehen von Gewichtswesten. Sie sollen damit kurze Sprints machen. Von dem Preis für ihren Verein haben die beiden gehört. „Aber worum es da genau geht, weiß ich nicht“, sagt Samir. Jeder zweite der B-Jugend-Spieler hat einen Migrationshintergrund: Türkei, Syrien, Polen, Irak. Doch für die Jungen scheint das nicht wichtig zu sein. „Bei den meisten weiß ich gar nicht, wo sie geboren sind oder woher ihre Familie stammt“, sagt Bekir und sprintet los. „Wir sind ein Team und halten zusammen. Das ist die Hauptsache“, sagt Samir und folgt ihm.
Den Preis des DFB hat der FC Halle-Neustadt für sein jahrelanges Engagement, die vielen Projekte bekommen. Und ein bisschen auch, weil Integration in dem Verein eine Selbstverständlichkeit ist.