Ex-Ministerin Ex-Ministerin: Birgitta Wolff lobt das coole Sachsen-Anhalt

Halle (Saale)/MZ - Verheulte Augen, geduckte Körperhaltung, leicht verschreckt - wer ein traumatisiertes Politopfer Birgitta Wolff erwartet hatte, wurde enttäuscht. Fast zwei Wochen nach ihrer überraschenden Entlassung als Wissenschafts- und Wirtschaftsministerin trat die 47-jährige CDU-Politikerin am Donnerstag erstmals wieder öffentlich auf. Als Schirmherrin eines Fachschaften-Bundeskongresses begrüßte sie mehr als 200 Wirtschafts-Studenten aus ganz Deutschland an der Magdeburger Universität. Entspannt, lächelnd, mit wachem Blick und klaren Sätzen - alles in allem ziemlich lässig: „Wenn Sie zwei Wochen früher gekommen wären, hätte ich Sie als Ministerin begrüßen können“, rief Wolff den Studenten am Nachmittag gut gelaunt zu - und setzte locker nach: „Dumm gelaufen!“
Beinahe hätten die Wirtschafts-Studenten von knapp drei Dutzend deutschen Universitäten auch einen amtierenden Landesminister erlebt. Wolffs Nachfolger Hartmut Möllring (CDU) war eingeplant, musste allerdings kurzfristig wegen Terminschwierigkeiten absagen. Nach nur zwei Wochen in Sachsen-Anhalt hätte er ohnehin wohl nur den Wikipedia-Eintrag zum Land referieren können. Das politische Vorher-Nachher-Bild fiel jedenfalls aus.
Möllrings Vorgängerin spulte hingegen routiniert ihre „Rotkäppchen und die Wolff“-Show ab: Erklärte die drei Phasen der Wirtschaftspolitik in Sachsen-Anhalt. Dass es nach der Wende zunächst darum ging, so viele Betriebe wie möglich zu retten. „Den Menschen wurde über Nacht der Teppich unter den Füßen weggezogen. Es mussten so viele Jobs wie möglich gerettet werden.“ Danach sei es darum gegangen, den Mittelstand mit Fördermilliarden aufzubauen, als „Rückgrat“ der Wirtschaft. Und vor zwei Jahren - mit ihrem Amtsantritt - habe „Phase drei“ begonnen: „Gezielte Innovationsförderung. Es geht darum, sich von Kostenvorteilen zu lösen, die wir auf Dauer nicht mehr haben werden.“
Cooles Unternehmertum
Das Land brauche für Phase drei „smarte Unternehmer“. Als Vorbild nannte Wolff die Halloren Schokoladenfabrik in Halle - „das ist cooles Unternehmertum!“ -, Mifa in Sangerhausen und den Freyburger Vorzeige-Sektproduzenten. „Vielleicht kennen Sie Rotkäppchen. Hatte früher ein leicht angestaubtes Image - und ist jetzt eine richtig coole Marke.“ Die „Rotkäppchen und die Wolff“-Show eben, wie man sie aus Wolffs Ministerinnen-Zeiten kennt. Das „Wir“ in ihren Sätzen machte dabei aber auch kenntlich: So richtig abgeschlossen mit diesen Zeiten hat Wolff noch nicht.
Bei den Studenten kam der dynamische Auftritt sichtlich gut an, es gab teils stürmischen Applaus. Der Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft, Ex-Finanzminister Karl-Heinz Paqué, hatte die Rednerin zudem als die gute Wolff eingeführt. Er erklärte den Studierenden die geplanten Einsparungen an den Hochschulen um insgesamt 50 Millionen Euro und dass dadurch die Universitäten in ihrer Entwicklung gefährdet würden. „Gegen diese Gefährdung hat sich Birgitta Wolff ausgesprochen.“
Hörsäle sind ohnehin Wolffs Revier, zumal dieser: Wolff war vor ihrem Regierungsamt Wirtschafts-Professorin in Magdeburg und wird voraussichtlich auch dorthin zurückkehren. Ihre unkonventionelle Art kommt bei den „Studis“, wie Wolff sie nennt, stets gut an. Unterhalb der 50 wirkt es auch noch nicht anbiedernd-peinlich, in jedem zweiten Satz etwas „cool“ zu finden: „Sachsen-Anhalt ist ein richtig cooler Standort - nicht nur für die Wirtschaft, auch für Studierende!“
Politische Schlangenlinien
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte Wolff per knappen Telefon-Anruf geschasst, weil sie den Sparkurs nicht im geplanten Umfang hatte mittragen wollen. Das ist aber nur die eine Perspektive. Aus der anderen war ihre grundsätzliche Bereitschaft zum Sparen das Problem. „Sie gilt jetzt öffentlich als Opfer, dabei hat sie nur ein bisschen an den Sparplänen der Regierung gekratzt“, sagte der hallesche Student Rico Philipp nach dem Auftritt. „Vorher hat sie nicht so energisch geredet wie heute“, sagte der BWL-Student. Sein Kommilitone Nils Fischer sah den Auftritt Wolffs ähnlich nüchtern. Sie sei als Ministerin ja wohl eher eine politische „Schlangenlinie“ gefahren.
„Bei der Bildung sollte überhaupt nicht gekürzt werden. Im Gegenteil, es sollte noch etwas drauf gepackt werden“, forderte Fischer. Die Universität in Halle bekomme in Wahrheit jetzt schon zu wenig Geld: Aus Platzmangel müssten reguläre Vorlesungen in der Händel-Halle oder dem Steintor-Varieté stattfinden.
Viel Frust, viel Unzufriedenheit sprach aus den Studierenden. Und Wolff ist das bewusst. Die Proteste mit der Großdemo in Halle mit 7?000 Teilnehmern wollte sie auch nicht als Wolff-Welle der Solidarität sehen. „Ich weiß nicht, ob das was mit mir zu tun hat“, sagte sie auf MZ-Nachfrage. Ihr Rauswurf sei „vielleicht nur das Ventil für eine Unzufriedenheit, die sich aufgestaut hat“. Was sie seit ihrer Entlassung getrieben hat? „Den Keller aufgeräumt. Ich brauchte Platz für die Sachen aus meinem Büro.“
Auftritt in Nordrhein-Westfalen
Zu den Protesten und zum Sparkurs wollte sie sich nicht äußern. Und wenn Möllring gekommen wäre, hätte sie auf ihren Auftritt verzichtet. „Ich will jetzt nichts tun, was dem Land schadet.“ Im Gegenteil. Die Bremsspur aus ihrem Ministerinnen-Kalender führte sie am Donnerstagabend noch zu einem Auftritt vor Unternehmern in Nordrhein-Westfalen. Die wollten ihr auch als Ex-Ministerin zuhören. Thema: Investitionsmöglichkeiten in Sachsen-Anhalt, dem coolen Standort mit der smarten Ex-Ministerin.