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Demonstration in Halle Demonstration in Halle: Tausendfacher Protest gegen Sparkurs

Von Jan-Ole Prasse und Felix Knothe 30.04.2013, 13:32
Gemeinsam für die Hochschulen im Land
Gemeinsam für die Hochschulen im Land Meinicke Lizenz

Halle/MZ - Eilig ist noch geschraubt worden, damit die erste Demonstration ihres Lebens möglich wurde. Die elfjährige Ine hält das gebastelte Papp-Schild stolz in die Luft. „Abi 2020 - Was dann?“ steht darauf. „Ich will später zum Studium in Halle bleiben, meine ganze Familie wohnt hier“, sagt die Fünftklässlerin des Südstadtgymnasiums. Darum hat sie sich am Dienstag zusammen mit ihrem Vater und 7 000 weiteren Menschen zum Stadtpark aufgemacht, um für den Erhalt des Uniklinikums und gegen die Sparvorschläge der Landesregierung zu protestieren.

Letzte Demonstration zur Wende

Kurz hinter ihr im Demonstrationszug läuft Dirk Ullmann. So richtig protesterfahren ist der 74-Jährige nicht mehr. Das Schild mit der Aufschrift „Wir sagen Bullernein“ hat ihm eine Medizinstudentin in die Hand gedrückt. Das letzte Mal auf einer Demonstration war er 1989. „Es sind die engen Beziehungen zum Klinikum, die mich auf die Straße treiben“, sagt der Hallenser. Sein Sohn und seine beiden Enkelinnen sind dort geboren, sein Sohn hat in Halle auch Medizin studiert, praktiziert mittlerweile in der Stadt. „Eine Schließung wäre eine Katastrophe, die Stadt bleibt ohne das Klinikum zurück.“

Die beiden Hallenser stehen stellvertretend für den Demonstrationszug. Denn es sind eben nicht nur die Studierenden, die auf die Straße gehen, auch wenn die klar in der Mehrheit sind. Aber das Signal, das von der Demonstration ausgeht, ist: eine Stadt - eine Universität.

Das bekommt auch der neue Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) auf dem Marktplatz zu spüren. Erst im letzten Moment, als alles schon rappelvoll ist, kommt er auf das Podium. Und dort steht er dann, der Niedersachse, wie erdverwachsen, und lässt die Buhrufe und den Hohn über sich ergehen. Etwa als Anne Voß, die Hauptrednerin vom Hochschulbündnis, ihm mit einem schnippischen „Sie sind ja nicht von hier“ aus dem Koalitionsvertrag vorliest, der seinerzeit von starken Hochschulen sprach. Möllring erträgt es, auch seine eigene Rede bleibt kurz. Er vermeidet es, weiteres Öl ins Feuer zu gießen, im Angesicht der für ihn neuen Stadt, die da vor ihm steht.

Nicht nur die Solidarität der Hallenser ist groß, sondern auch die zwischen den einzelnen Fakultäten der Universität. „Das ist erst der Anfang, die Kürzungen setzen bei allen an“, sagt Germanistikstudentin Mareike Ullrich. Die 22-Jährige ist mit ihrem Freund gekommen, der demnächst von der Universität Magdeburg nach Halle wechselt.

Gekommen um zu bleiben

Beide sind erst im September nach Sachsen-Anhalt gezogen. Und sie haben Angst, dass sich Halle mit einer deutlich kleineren Universität und ohne die Medizin verändern könnte. „Die Stadt lebt von den Studenten“, sagt sie: „Und darum finde ich Halle wunderschön.“ Und ganz entgegen der häufig geäußerten Befürchtungen, dass viele junge Menschen aus anderen Bundesländern nur das kostenlose Studium im Land nutzten und dann wieder gingen, sagt Ullrich: „Wenn ich kann, dann bleibe ich in Halle.“

So geht es auch dem Medizinstudenten Bert Kitzing, der kurz vor seinem Abschluss steht. Auch er würde am liebsten in Halle bleiben. Den Grund schiebt der 35-Jährige im Demonstrationszug vor sich her: seinen zwei Jahre alten Sohn, der natürlich im Uniklinikum geboren wurde. „Aufgrund der momentanen Situation ist aber eine große Unsicherheit da“, gibt er zu. Das treibt ihn auf die Straße.
Dort findet er sich in Gesellschaft zahlreicher Professoren. Auch eine der Besonderheiten, der neuen Protestbewegung in Halle. Lehrende und Lernende demonstrieren einträchtig nebeneinander. „Ich stelle mich solidarisch hinter die Uniklinik“, sagt Christian Bierwirt, Professor für Betriebswirtschaft. Er war das letzte Mal 1982 im Bonner Hofgarten bei einer Demonstration. Jetzt ist er wieder auf der Straße. „Die Dramatik ist, dass den jungen Menschen die Bildungschancen genommen werden“, sagt Bierwirt.

Das Land schaut auf diese Stadt

Das ist ohnehin eine der tragenden Botschaften, trotz des Slogans „Halle bleibt“, der beinah nach jeder Rede auf dem Marktplatz skandiert wird. Die typische Rivalität zwischen den beiden Städten soll es bei den Universitäten nicht geben. Davon zeugen viele Plakate, etwa: „Hallburg - Doppelherz für Sachsen-Anhalt“. „Wir sind hier, um für beide Universitäten und für beide Kliniken zu demonstrieren“, sagt die Medizinstudentin Babett Fischer: „Wenn wir jetzt nicht zusammenhalten, dann sind wir beide dran.“

Trotz aller Zweisamkeit geht es natürlich für die meisten erstmal um Halle, die Tradition der Universität und des Uniklinikums. Und so trifft der Dekan der Medizinischen Fakultät, Michael Gekle, den richtigen, beinah historischen Ton: „Das Land schaut auf diese Stadt und fragt sich: Warum bekennen sich so viele Menschen zu diesem Standort? Die Antwort ist ganz einfach: Weil er es wert ist.“

Die Seite zur Demo mit Link zur Petition: www.hallebleibt.de

Zahlreiche Demonstranten tragen Arztkittel, Plakate und auch Rasseln.
Zahlreiche Demonstranten tragen Arztkittel, Plakate und auch Rasseln.
Thomas Meinicke Lizenz
Das Zubehör für die Demo steht schon bereit.
Das Zubehör für die Demo steht schon bereit.
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