1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Erdrutsch: Erdrutsch: Familie Bayer lebt neben Unglücksstelle in großer Angst

Erdrutsch Erdrutsch: Familie Bayer lebt neben Unglücksstelle in großer Angst

Von KATHARINA THORMANN 02.04.2010, 16:22

BERNBURG/MZ. - Doch aus der Eiersuche am Strand mit der Enkeltochter wurde nichts. Als das Ehepaar am Mittwochabend durch einen Anruf von dem riesigen Erdrutsch fast direkt vor ihrer Haustür erfuhr, brach es den am Montag begonnenen Urlaub sofort ab und reiste zurück nach Bernburg.

Nun verbringt die fünfköpfige Familie, zu der Tochter Sabrina Kinne und Sohn Paul sowie Enkelin Bettina gehören, die Feiertage und wohl auch noch die nächsten Wochen in Angst. Schließlich rutschte gerade einmal einige hundert Meter Luftlinie von ihrem Haus entfernt auf der alten Mülldeponie an der Landesstraße zwischen Bernburg und Peißen - der ehemaligen B 71 - die Erde in die Tiefe und hinterließ einen 30 Meter breiten und 40 Meter tiefen, kreisrunden Krater. Wahrscheinliche Ursache ist laut Bergbauexperten ein unterirdischer Hohlraum. Und niemand kann den Bayers, deren Haus als einziges dicht an der Erdrutschstelle und mitten im ehemaligen Bergbaugebiet steht, eine Garantie geben, dass der Untergrund dort sicher ist.

Der Erdrutsch ist bereits der fünfte in dem seit 40 Jahren gesperrten Senkungsgebiet. Noch heute zeugen in unmittelbarer Umgebung drei mit Wasser gefüllte Löcher von den Bergschlägen in der Region, in der 1880 erstmals Kalisalz unterirdisch abgebaut wurde. In dem Schacht Friedenshall gab es in den 60er Jahren Wassereinbrüche, er musste schließlich aufgegeben werden. In dem Gebiet kam es in den Jahren 1968, 1969 und 1971 zu größeren Erdfällen. Familie Bayer selbst, die erst seit knapp 20 Jahren in dem Haus wohnt, hat noch keinen erlebt.

Um so größer war der Schock, als die 23-jährige Tochter Sabrina Kinne als erste der Familie davon erfuhr. Von dem eigentlichen Erdrutsch hatte niemand etwas mitbekommen. Und keiner war zu Hause, als das von spielenden Kindern entdeckte Loch weiträumig abgesperrt wurde. "Ich war in der Stadt Besorgungen machen, mein Bruder war arbeiten." Erst der Besitzer der benachbarten Pferdekoppel erzählte von dem Unglück. Er brachte ihre Stute zurück. "Eigentlich stand sie auf unserem Hof. Sie war sicher wegen des Krachs entwischt", sagt Kinne. Ihr erster Gedanke nach der schockierenden Nachricht: das tragische Unglück von Nachterstedt. In dem nur wenige Kilometer entfernten Ort waren im Juli vorigen Jahres bei einem großen Erdrutsch an einem Tagebau-See drei Menschen in den Tod gerissen worden. "Sonst sieht man es nur im Fernsehen, jetzt passiert es einem selbst", sagt sie.

Wie es jetzt für die Familie Bayer weitergeht, ist noch völlig offen. "Wir trauen uns nicht mehr auf den Acker", meint Sabrina Kinne. Doch eine Chance, wegzuziehen, haben sie kaum. "Wahrscheinlich werden wir hier bleiben", sagt Mutter Iris Bayer und die Tochter ergänzt: "Wo sollen wir auch mit den ganzen landwirtschaftlichen Geräten und dem Traktor hin?"

Die Familie hat derzeit von den Behörden eine Ausnahmegenehmigung, um weiter auf dem Gebiet wohnen zu dürfen. Vorerst. Aber eins bleibt gewiss: die Angst.