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Entflohener Häftling Entflohener Häftling: Schwerverbrecher Titsch soll schnell zurück nach Burg

Von Katrin Löwe 26.08.2012, 18:20

Magdeburg/Berlin/MZ. - Ein genauer Termin werde aus Sicherheitsgründen nicht genannt, hieß es im Justizministeriums am Sonntagabend.

Titsch war am Freitag von Spezialkräften in Berlin-Marzahn festgenommen worden, wo er sich bei einer ahnungslosen Frau und ihren drei Kindern versteckt hielt. Die Polizei ist sicher, dass seine Flucht am 14. August geplant war. Gegen einen mutmaßlichen Fluchthelfer aus dem Harz, der ihm ein Auto zur Verfügung stellte, wurde am Samstag Haftbefehl erlassen, aber gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Ob es weitere Helfer gab, wird noch ermittelt. Das Justizministerium will am Montag über Konsequenzen aus dem Fall informieren.

Das etwas hilflose Schulterzucken aus der Pressekonferenz kurz nach der Flucht ist verschwunden. Karl-Albert Grewe, Leiter der Zentralen Kriminalitätsbekämpfung der Magdeburger Polizei, sieht zufrieden aus. „Wir hatten uns ein Ziel gesetzt“, sagt er. Spätestens zu seinem Geburtstag sollte der geflohene Schwerverbrecher Silvio Titsch gefasst sein. Titsch wird am Dienstag 37 - und sitzt hinter Gittern. Ziel erreicht.

Sofort eingeschlafen

Es war am Freitag 16.40 Uhr, als vier Beamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) Magdeburg Titsch auf einem Parkplatz in Berlin-Marzahn überwältigten. Dessen erste Worte: „Ich hätte nicht geglaubt, dass Ihr mich so schnell findet.“ Minuten später schlief Titsch im Polizeiauto, das ihn in den Berliner Gewahrsam brachte, ein. Zehn Tage waren vergangen, seit der in der JVA Burg (Jerichower Land) einsitzende Verbrecher einen bewachten Ausgang zu seinem Sohn in Aschersleben (Salzlandkreis) zur Flucht genutzt hatte. Tage, sagt Detlef Golz vom Landeskriminalamt, die ihn Kraft kosteten.

Noch sind nicht alle Stationen der Flucht geklärt. Klar ist für Grewe aber: „Sie war geplant.“ Und Titsch hatte mindestens einen Fluchthelfer aus dem Landkreis Harz, der ihm ein Auto gab - einen alten Passat. Es soll kein direkter Freund sein, eher ein Kontakt über Ecken. Möglicherweise, sagt die Polizei, hat der 43 Jahre alte Mann ihm auch die erste Woche Unterschlupf gewährt. Ob das Auto schon bei der Flucht in Aschersleben vor der Tür stand oder später übergeben wurde, ist noch offen.

Klar ist, dass Titsch am vergangenen Sonntag über den Chat eines privaten Fernsehsenders eine Mittdreißigerin aus Berlin kennenlernte und sich fortan in einer Plattenbauwohnung in Marzahn bei ihr und ihren drei kleinen Kindern versteckte. Die Frau, so betonte die Polizei, habe später glaubhaft versichert, nicht gewusst zu haben, wen sie sich da ins Haus geholt hat.

Die Fahnder suchten zunächst noch in einer völlig anderen Richtung. Anfang letzter Woche hatte man den Fluchtwagen ermittelt, sagt Golz. Und Titsch in Bayern, Baden-Württemberg oder Österreich vermutet, weil sich der Besitzer des Autos die Woche über im Süden aufhielt. In der Nacht zum Donnerstag zerschlug sich die Spur. Dafür, so Golz, gab es Erkenntnisse über einen möglichen Aufenthaltsort in Berlin - die sich bald als Volltreffer herausstellten.

Der Wagen wurde gefunden und observiert, 15 Beamte eines Berliner Spezialeinsatzkommandos und 20 des Mobilen Einsatzkommandos Magdeburg warteten auf eine günstige Gelegenheit zum Zugriff. „Eine Festnahme in der Wohnung war nicht möglich“, sagt Grewe. Zu groß wäre die Gefahr für die Frau und die Kinder gewesen. Titsch, der noch eine Haftstrafe bis 2024 absitzen und danach in Sicherungsverwahrung muss, gilt als extrem gewalttätig. Dann aber kam die Chance: Am Freitagnachmittag verließ er das Haus, stieg ins Auto.

Verändertes Aussehen

Die Beamten seien erst nicht sicher gewesen, ob er es ist, so Grewe. Titsch hatte dunklere Haare, drei bis vier Zentimeter länger als auf dem drei Jahre alten Fahndungsfoto. Er war schlanker. Trug Sonnenbrille. Ein langärmliges Shirt und lange Hosen, die seine auffälligen Tätowierungen verdeckten. Erst bei seiner Verfolgung, so Grewe, wurde vieles klar. „Er hat geschüttelt.“ Was heißt: Er fuhr, als würde er mögliche Beschatter abschütteln wollen - mit Sinnlos-Stopps in Parklücken, dem Test, ob ihm jemand in eine Sackgasse folgt.

Für das MEK war der Rest saubere Routine: Als Titsch wieder am Haus seiner neuen Bekannten einparkte, blockierten die Spezialkräfte seinen Wagen und überwältigten ihn. Gut vier Stunden später klickten im Harz bei seinem Fluchthelfer die Handschellen. Inzwischen gibt es einen Haftbefehl gegen ihn, der gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt ist.

Die Polizei prüft nun, ob es weitere Fluchthelfer gab. Ob jemand Titsch mit Geld versorgte. Ob es ein bewusstes Ablenkungsmanöver für die Justizbeamten war, dass sich just am Tag von Titschs Besuch in Aschersleben plötzlich zwei weitere Mütter mit Kindern in der Wohnung aufhielten, aus der ihm die Flucht gelang.

Das Fahndungsbild nach dem abgängigen Gewaltverbrecher Silvio T. wird am Mittwoch während einer Pressekonferenz im Landeskriminalamt in Magdeburg gezeigt. (FOTO: DPA)
Das Fahndungsbild nach dem abgängigen Gewaltverbrecher Silvio T. wird am Mittwoch während einer Pressekonferenz im Landeskriminalamt in Magdeburg gezeigt. (FOTO: DPA)
dpa-Zentralbild