Drogen-Dokumentation Drogen-Dokumentation: Liebeserklärung ohne Schonprogramm
Halle/Helbra/MZ. - Das Bild erinnert unvermittelt an die Finale jener Fernsehshows, mit denen öffentliche wie private Sender die Nation Samstagabends gern vor der Glotze festnageln. Alle dürfen noch einmal nach vorn, um sich vom Moderator die Hand schütteln zu lassen. Endlich Zeit, das Programm zu wechseln und zu vergessen, was da gerade zur besten Sendezeit mal wieder an Belanglosigkeiten über die Bühne gegangen ist.
Dass die Leute im restlos ausverkauften Saal des halleschen Programmkinos "Lux" dennoch sitzen bleiben, bis Regisseur Mario Schneider selbst dem letzten Kabelträger eine Rose in die Hand gedrückt hat, ist mit Höflichkeit nicht zu erklären. Eher damit, dass an diesem Samstagabend mit "Helbra" ein Dokumentarfilm Premiere feiert, der es schon seines düsteren Themas wegen nie auf die besten TV-Programmplätze schaffen wird. Ein 75-Minuten-Streifen über die Drogensucht dreier junger Männer, der dem ansonsten weitgehend auf Fun und Fiktion abonnierten "Lux"-Publikum nicht nur deshalb die gute Wochenend-Laune verleidet, weil zwei der Hauptfiguren mit im Saal sitzen.
Zwei von jener Sorte, die einem in Halle im Normalfall nur begegnen, wenn man zwischen Milchkaffee und Cocktail mal die Kneipe wechselt. "Hätten sie wohl mal etwas Kleingeld für was zu essen?" Was zu essen?
Im Film gibt es hin und wider tatsächlich etwas zu lachen. Wenn etwa der 21-jährige Husen erzählt, nur sein vordem ebenfalls von Heroin abhängiger Freund Michael könne es mit ihm aushalten, der habe aber "leider keine Titten". In solchen Momenten gestattet Regisseur Schneider den Zuschauern eine kurze Entspannung. Zu schwer wäre sonst zu ertragen, was der mit Hilfe zahlreicher Sponsoren zustande gekommene Film an Tragik vermittelt.
Nicht in einer Szene sieht man Husen, Michael und Markus mit Spritzen hantieren. Keine Bilder von schmuddligen Ruinen verstellen den Blick auf das Wesentliche - das Loch, in das die Sucht die Familien der Süchtigen reißt. Und dem der Süchtige nur gemeinsam mit der Familie wieder entkommen kann.
Wenn die Mütter erzählen, wie sie ihre Söhne vor dem Ausstieg erlebt und dennoch nicht aufgegeben haben, will man die Frauen drücken. Oder mit ihnen losheulen. Der Film rührt und zehrt an den Nerven. Mario Schneider, der selbst bis 1991 in Helbra gelebt hat, ist es zu verdanken, dass zukünftig vielleicht auch außerhalb des Mansfelder Landes wieder Leute etwas mit dem Namen des einst für seine Hütte bekannten Dorfes anfangen können. Nicht nur im Negativen. Denn der Streifen, der zunächst einmal auf Festivals gezeigt werden soll, ist bei aller Düsternis eine Liebeserklärung. An den Landstrich und an die Menschen, die dort leben. Menschen, die so stark sind, dass sie keinen der Ihren verstoßen, ohne alles versucht zu haben.
Michael arbeitet mittlerweile in Holland, Husen hat eine Lehre begonnen, Markus unterzieht sich noch bis Juni 2004 einer Therapie.