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DDR-Geschichte DDR-Geschichte: Das Stasi-Geheimnis von Nummer 439

Von Birgit Zimmermann 09.09.2011, 05:44
Tobias Hollitzer, der Vereinsvorsitzende des Bürgerkomitee Leipzig e.V., erklärt eine Überwachungstafel des Stasi-Bunkers in Machern. 
Tobias Hollitzer, der Vereinsvorsitzende des Bürgerkomitee Leipzig e.V., erklärt eine Überwachungstafel des Stasi-Bunkers in Machern.  dpa-Zentralbild

Machern/dpa. - Das grau-braune Einfamilienhaus in der Nähe derLübschützer Teiche in Machern ist malerisch gelegen. Alte hohe Eichenund Birken umstehen den Flachbau, Gras wuchert. «Das war das Wohnhausdes Bunkerkommandanten», berichtet Tobias Hollitzer vom BürgerkomiteeLeipzig e.V. Ein Stasi-Major wohnte hier mit seiner Ehefrau hinterder willkürlichen, weil aus der Reihe tanzenden Hausnummer 439. DieDDR-Idylle mit Wäscheplatz und Wagenrädern an der Außenwand tarnte,was hundert Meter weiter hinten begann: die innere Zone um einengeheimen Bunker der Staatssicherheit, in den sich Leipzigs Stasi-ChefManfred Hummitzsch mit seinem Stab im Ernstfall zurückgezogen hätte.

In allen 15 DDR-Bezirken habe es solche «Ausweichführungsstellen»für die jeweilige Stasi-Bezirksverwaltung gegeben, sagt Hollitzer.Der Stasi-Bunker in Machern, 30 Kilometer östlich von Leipzig, seiaber der einzige, der weitgehend erhalten ist und seit nunmehr 15Jahren als Museum dient, getragen vom Bürgerkomitee. Das Jubiläumwird an diesem Wochenende mit Führungen, einer Podiumsdiskussion undFilmvorführungen gefeiert. Laut Hollitzer finden pro Jahr bis zu 5000Interessierte den Weg in das abgelegene Stasi-Ausweichquartier amRande einer adretten Waldsiedlung.

Das Areal in der inneren Zone erscheint ebenso harmlos wie dasEinfamilienhaus des Bunkerkommandanten. Ein paar Garagen stehen dortund drei inzwischen verlotterte taubenblaue Ferienbungalows.Offiziell firmierte das Gelände als Urlaubsdomizil des«VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung.» Eine graueWerkstatthalle schließlich verbarg, wovon niemand wissen durfte: denfast 4000 Quadratmeter großen unterirdischen Bunker. Von dort aushätten die Stasi-Leute im Kriegsfall nach genau festgelegten PlänenInternierungen von Gegnern steuern sollen.

Museumsführerin Jana Bleyl drückt einen Knopf in der«Legendierungshalle». Scheppernd rollt eine große Metallplatte aufdem Boden beiseite und gibt die Treppen in die Stasi-Unterwelt frei.Unten riecht es modrig. Mehrere Drucklufttüren und Schleusen mitDuschen zum Dekontaminieren muss man passieren, um in dieSchaltzentrale vorzudringen. Dort ist es eng, die Decken sindniedrig. Von einem langen Gang mit rotem Läufer gehen die Zimmer fürdie Stasi-Oberen ab. Der für Stasi-Chef Hummitzsch bestimmte Raumkommt im biederen Sprelacart-Ambiente, also mit typischer braunerVertäfelung aus Holzimitat, daher.

Entdeckt wurde der 1972 fertiggestellte Stasi-Bunker im Dezember1989 vom Macherner Pfarrer Gottfried Süß. Gerüchte über das Geländeim Wald waberten schon länger umher. Bürgerrechtler Hollitzer war imJanuar 1990 zum ersten Mal im Bunker, erzählt er. Geschockt habe ihndie Entdeckung nicht, denn zu dem Zeitpunkt war er schon seit vierWochen mit der Besetzung der Leipziger Stasi-Zentrale beschäftigtgewesen. «Danach schien einem fast nichts mehr unmöglich», sagtHollitzer.

Ernsthaft in Betrieb ging der Bunker nach Angaben von Hollitzernie. Hummitzsch sei mal zur Besichtigung dagewesen, und Technikerhielten bis zum Ende der DDR die Anlangen instand. Inzwischen stehtdas Bauwerk unter Denkmalschutz. Für bloße Bunker-Fans oderDDR-Nostalgiker sei Machern allerdings die falsche Adresse, betontHollitzer. «Wir wollen kein reines Technikmuseum und auch kein reinesMilitärmuseum sein, sondern uns geht es darum, die Tätigkeit derStasi und die gesamte Mobilmachungsplanung der DDR zu vermitteln.»

Geöffnet hat das Bunker-Museum an jedem letzten Wochenende im Monat von 13 bis 16 Uhr.