Zwischen den Welten Zwischen den Welten: Warum ein Berliner immer wieder nach Würchwitz zurückkehrt

Würchwitz - Christian Schmelzer ist auf der einen Seite ein Stadtmensch. Der 31-Jährige lebt mitten im pulsierenden Berlin, arbeitet als Doktorand an der Humboldt-Universität und unterrichtet Heranwachsende in Schulen.
Auf der anderen Seite zieht es ihn immer wieder ins Kleeland, hier zwischen Kayna und Würchwitz fühlt er sich zu Hause. In dieser Region ist er aufgewachsen und bis heute fest verwurzelt. Seit Jahren engagiert er sich im Kleefestverein Würchwitz und gründete 2008 gemeinsam mit Helmut Pöschel die Milben-Käsemanufaktur.
„In diesem Jahr gibt es zum ersten Mal ein kleines Programmheft, denn bisher hatten wir nur Flyer“, erzählt Christian Schmelzer. Bereits zum 167. Mal wird das Kleefest gefeiert, in diesem Jahr vom 15. bis zum 24. Juni. „Wir wollen natürlich an Traditionen festhalten, so gibt es zum Beispiel das Reitturnier und Kinderfest, seit den 2000er Jahren auch den Tanz an der großen weißen Marmor-Milbe“, erzählt der 31-Jährige.
Kleefest in Würchwitz: Berliner Christian Schmelzer liegt Gottesdienst am Herzen
Andererseits könne man nicht an allen Dingen starr festhalten. Denn das Leben ist Veränderung. So gibt es keinen Frühschoppen mehr und erstmals keinen Festgottesdienst in der Lobaser Kirche.
Bereits zum 167. Mal findet in Würchwitz das Kleefest statt. Es geht auf den Begründer und Revolutionär im Kleeanbau, Johann Christian Schubart, Edler vom Kleefelde, zurück. Schubart wurde 1734 in Zeitz geboren und er verstarb 1787 in Würchwitz.
Auf seinen Brachflächen baute Schubart Klee und Luzerne an. Durch die Stickstoffbindung der Knöllchenbakterien an den Wurzeln führte der Klee als Zwischenfrucht in der weiteren Fruchtfolge zu höheren Erträgen. 1784 wurde Schubart in Wien geadelt.
Seit 1851 wird das Kleefest gefeiert. In diesem Jahr findet es vom 15. bis zum 24. Juni in Würchwitz statt. Das Programm reicht vom Badewannenrennen, über Reitturnier, Kinderfest, Weinfest, Bauernforum und Windmühlengespräche bis zum Weinfest und Prozession.
„Die Organisation des Gottesdienstes war immer sehr aufwändig, Pfarrer und Kirchenmusiker finden, Kirche säubern und schmücken. Und wenn dann nur zehn, zwölf Leute kommen, steht der Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen“, sagt Schmelzer.
Nach dem Abitur hat er in Leipzig und Berlin Theologie studiert, auch deswegen liegt ihm der Gottesdienst am Herzen. So wurde überlegt, was zeitgemäß wäre.
Christian Schmelzer aus Berlin: „Mir ist es wichtig, dass Glauben fühlbar und emotional erlebbar wird“
So soll es jetzt am Sonntag, dem 24. Juni, um 13 Uhr erstmals eine große Prozession zum Schubart-Denkmal und dort einen Gottesdienst unter freiem Himmel geben.
„Mir ist es wichtig, dass Glauben fühlbar und emotional erlebbar wird“, sagt der Theologe. So entwickelte der Verein gemeinsam die Idee für die Prozession. Auch wenn Christian Schmelzer momentan nicht vor hat, als Pfarrer zu arbeiten, ist ihm der Glaube wichtig. „Meine Uroma war sehr religiös, meine Großeltern gingen ebenfalls in Kayna in die Kirche und für mich war das Theologie-Studium genau die richtige Entscheidung“, sagt der 31-Jährige.
Jetzt arbeitet er an seiner Doktorarbeit in Berlin und setzt sich mit der Entwicklung der moralischen Einstellung in der evangelischen Kirche auseinander.
Doktorant Christian Schmelzer aus Berlin im Kleeland: Die gesellschaftliche Entwicklung voranbringen
Die modernen Lebensformen wie Homosexualität und die moderne Ehe für unterschiedliche Paare spielen dabei eine zentrale Rolle. „Ich bin in puncto sexueller Aufklärung in Schulen unterwegs, komme mit den jungen Leuten ins Gespräch und diskutiere mit ihnen über die Vielfalt der Sexualität“, erklärt er.
Denn hier sieht er im bestehenden Schulsystem enorme Defizite. „Zu meiner Schulzeit waren solche Themen noch tabu“, sagt Schmelzer und möchte daher zur gesellschaftlichen Entwicklung beitragen, egal ob auf dem Land im Süden von Sachsen-Anhalt oder in Berlin. (mz)