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Wissenschaft  Wissenschaft : Ordnung kommt ins Chaos

Von Jana Kainz 30.08.2018, 07:48
Die Korrespondenz des Philosophen Wolfgang Müller-Lauter bietet Archivarin Susanne Rettenwander und Ralf Eichberg interessante Einblicke.
Die Korrespondenz des Philosophen Wolfgang Müller-Lauter bietet Archivarin Susanne Rettenwander und Ralf Eichberg interessante Einblicke. Torsten Biel

Naumburg - Über 74 laufende Meter Bücher und Dokumente trafen Ende 2012 im Naumburger Nietzsche-Dokumentationszentrum ein - der Nachlass des 2001 verstorbenen Philosophen und ersten Nietzsche-Preisträgers Wolfgang Müller-Lauter. „Diese Bücher präsentieren das Leben eines Menschen, das ist ohnehin ein unglaublicher Schatz“, meinte damals Ralf Eichberg, Leiter des Archivs. Voller Neugier sichtete er die Zustiftung. Dann wurde alles gut verpackt in einem großen Regal verstaut. Knapp sechs Jahre sollte es dauern, bis der Nachlass, der wissenschaftlich-philosophischer Natur ist, archiviert werden würde. Dieser Mammutaufgabe nimmt sich derzeit Susanne Rettenwander an.

Bibliothek bereits nutzbar

Der gebürtigen Tirolerin, die in Wien Philosophie, vergleichende Literatur sowie Bibliotheks- und Informationswissenschaft studiert hat und in letzterem noch einen Masterabschluss plant, ist das Dokumentationszentrum längst ein vertrauter Ort und die Müller-Lauter-Sammlung keine große Unbekannte. Schließlich hatte sie 2017 während eines mehrmonatigen Praktikums im Dokumentationszentrum bereits damit begonnen, die Sammlung Müller-Lauters zu katalogisieren. Nun ist die 25-Jährige nach Naumburg zurückgekehrt, um sich der Archivierung besagten Nachlasses zu widmen - nicht als Praktikantin, sondern über einen Werkvertrag, den sie mit der Friedrich-Nietzsche-Stiftung Naumburg abgeschlossen hat. Dieser ist nicht auf einen Zeitraum festgelegt. Der Vertrag endet, wenn Susanne Rettenwander den Nachlass archiviert hat.

Vor vier Wochen machte sie sich an die Arbeit. Rund 25 bis obenhin gefüllte Kartons türmten sich vor ihr auf. Das sei schon ein Chaos, dem sie nun Struktur geben müsse und zwar so, dass andere das verstehen und es der Archivwissenschaft gerecht werde. Inzwischen hat sie die Müller-Lauter-Bibliothek, die 5000 Bände umfasst, nutzbar gemacht - also archiviert und in den vorhandenen Archivbestand einsortiert. „Ich habe auch seine Lesespuren verzeichnet, damit man gezielt nachschauen kann, wie er mit den Büchern gearbeitet hat“, erklärt Susanne Rettenwander.

Derzeit beschäftigt sie sich mit der Korrespondenz des in Weimar geborenen Philosophen. Und diese sei „sehr potenzialvoll“, sagt sie. Müller-Lauters Briefwechsel spiegele seine Kontakte in alle Richtungen der Nietzsche-Rezeption und -Interpretation wider. „Für Müller-Lauter interessieren sich sicherlich wenige Menschen, aber innerhalb der Nietzsche-Forschung steht er im Zentrum wie eine Spinne in ihrem Netz, in dem sie sich überall hinbewegt. Er war ja wie ein Mittelsmann zwischen jenen, die Nietzsche nach dem Krieg politisch instrumentalisieren und auf einen Sockel stellen wollten, und jenen, die einen strengen, nüchternen, wissenschaftlichen und philologischen Umgang mit Nietzsches Werk pflegten“, so Eichberg. Müller-Lauter sei eine „interessante Figur, die eine Untersuchung wert“ sei, fügt Susanne Rettenwander hinzu.

Nach neuesten Standards

Doch vorerst wird archiviert. Dafür sind vier Kategorien, die mit Unterordnungen komplettiert werden, vorgegeben: Unterteilt wird in: das Werk einer Person, deren Korrespondenzen, deren Lebensdokumente und deren Sammlungen. Das hört sich einfach an. Aber oftmals müsse Susanne Rettenwander, wenn sie sich nicht sicher ist, welche Kategorie für einen Teil infrage kommt, eine Entscheidung treffen, die nicht im Lehrbuch steht. „Da muss man aus dem Bauch heraus entscheiden oder eine Nacht darüber schlafen. Schön, dass das Archivieren nicht so eine sture Arbeit ist“, meint die Archivarin.

Aufbereitet wird der Müller-Lauter Nachlass nach den neuesten Archivstandards. Das sei für Eichberg wichtig, denn „das Dokumentationszentrum lebt davon, Dinge aufzumachen und diesen einen Ort zu geben oder eine Kategorie, sonst gibt es diese Dinge nicht“. Und das Wissen für diese neuesten Standards bringe Susanne Rettenwander mit.

Im Nachlass befindet sich Wolfgang Müller-Lauters Doktorurkunde.
Im Nachlass befindet sich Wolfgang Müller-Lauters Doktorurkunde.
Torsten Biel