Weichau Weichau : Stadt Land Fluss
Woher die Weichau eigentlich ihren Namen hat, kann niemand so genau sagen. Vielleicht aber ist der Titel ein versteckter Hinweis auf die Bodenbeschaffenheit des kleinen Landstrichs im Naumburger Osten. In einem Buch aus dem späten 19. Jahrhundert nämlich steht die Weichau beschrieben als eine „bei den Streitweiden beginnende, sumpfige, weiche Aue, die, dem kalten Tale bei der Schweinsbrücke entsprechend, die Ortsgrenze des städtischen Weichbildes darstellt.“ Die Sumpflandschaft sucht man hier heute vergebens. Das Bächlein Weichau, dass den Naumburger Ortsteil von der Schönburger Splittersiedlung trennt, ist nunmehr nur noch ein winziges Rinnsal.
Dass aber auch dieses hin und wieder für Probleme sorgt, weiß Wilfried Würfel. Sein Anwesen in der Weichauhöhe ist seit den frühen 70er Jahren in Familienbesitz: „Die Zufahrt zum Haus war nicht immer ganz einfach. Hin und wieder überschwemmte die Weichau einfach den Zugang. Zu DDR-Zeiten war es hier oben nicht besonders fahrzeugfreundlich“, erinnert er sich. Die schwierige Infrastruktur und die Entfernung zur Innenstadt waren für Würfel dennoch nie wirklich ein Grund, seinen Wohnsitz dort aufzugeben: „Ganz im Gegenteil, ich bin schon immer ein Kind vom Lande gewesen. Zwar habe ich zwischendurch auch direkt in Naumburg gewohnt, aber das war nicht wirklich meine Welt. Hier oben sind wir abseits von all dem Trubel und wunderbar nah an der Natur.“
Zeit zum Entspannen bleibt den Würfels dennoch nicht. Schäferhundwelpe Lexi, ein 4000 Quadratmeter großes Anwesen, mehrere Obstbäume und das über 100 Jahre alte Haus lassen so schnell keine Langeweile aufkommen. „Früher haben wir mehr Obst und Gemüse angebaut. Zwar beschränken wir uns mittlerweile auf Apfelbäume und Rasenflächen, aber man darf die Arbeit trotzdem nicht unterschätzen“, so Würfel, der zwei bis drei Mal die Woche mit dem Rostbratwurstmobil auf dem ein oder anderen Wochenmarkt steht.
Genau wie bei den Würfels ging es einst auch in der Weichau einmal geschäftiger zu. Hartmut Friedland ist einer der Wenigen, dem viel daran gelegen ist, dass diese Erinnerungen lebendig bleiben: „Ich selbst habe jahrelang in der Weichau gelebt. Irgendwann entstand die Idee, die Mitglieder des ehemaligen Weichauer Jugendclubs wieder zusammen zu bringen. Seit 2010 veranstalten wir nun alle zwei Jahre ein Weichautreffen.“ Beim diesjährigen Stelldichein am 29. Oktober gibt es zudem noch einen guten Grund zum Feiern, wie Friedland erklärt: „Die Veranstaltung läuft unter dem Motto ’100 Jahre Weichau’, denn vor genau 100 Jahren wurde der Grundstein für die Siedlung im heutigen Weichaugrund gelegt.“
Von der ehemaligen Gaststätte „Weichauhöhe“ sind allemal noch alte Fotoaufnahmen geblieben. Christian Schwamberger hat seinen Wohnsitz erst vor knapp einem Jahr vom hierher verlegt. Mit dem Kauf des Anwesens machte die Familie aus der Not eine Tugend: „Wir waren ziemlich lange auf der Suche nach einem passenden Haus. Dass wir ausgerechnet hier am Stadtrand fündig werden würden, hätten wir gar nicht gedacht.“ Denn eigentlich, so gibt Schwamberger zu, war die Weichau anfangs keine wirkliche Wohn-Option: „Die vielbefahrene B180 machte das Viertel für uns nicht wirklich attraktiv, zumal wir bis dahin immer nur den unteren Teil der Siedlung kannten.“ Umso überzeugender wirkte dann schließlich die Binnenidylle zwischen Stadt und Land auf der Weichauhöhe. Der Geschichte des Grundstückes waren sich die neuen Besitzer durchaus bewusst. Und obwohl die Instandhaltung von Haus und Hang noch einige Zeit und Arbeit in Anspruch nehmen wird, soll zumindest ein kleiner Teil des historischen Vermächtnisses in die Gegenwart geholt werden: „Momentan gibt es hier noch sehr viele Grünflächen, aber wir wissen, dass hier früher viele Weinreben standen und der Garten auch für die Selbstversorgung genutzt wurde. Langfristig möchten wir natürlich daran anknüpfen“, so Schwamberger. Ein kleines Gemüsebeet gibt es bereits, und die Pläne für eine kleine Obstplantage am Hang sind in Arbeit. „Das wäre dann allerdings eher etwas für’s Alter“, scherzt der Familienvater. Bis dahin bleibt bei der Sanierung des Hauses noch genug Zeit für die historische Spurensuche.
Damit die spärlichen Fakten rund um die bewegte Geschichte der Weichau nicht - wie einst der Faustkeil - im Fußboden versinken, arbeitet Hartmut Friedland unterdes mit Hochdruck an einem ganz besonderen Projekt: „Der Werdegang der Weichau ist vielen gar nicht mehr bewusst. Wir möchten anlässlich des Jubiläums daher auch eine Broschüre herausbringen, die die Geschichte des Viertels dokumentiert und für die Nachwelt erhält.“ Vorgestellt werden soll das Druckwerk dann schließlich am 29. Oktober beim Weichautreffen im „Felsenkeller“. „Eingeladen sind alle jetzigen und ehemaligen Weichauer, solche, die sich mit dem Viertel verbunden fühlen oder sich schlicht für die Gegend interessieren“, so Friedland. Lediglich um eine vorherige Anmeldung wird gebeten.
Weitere Informationen rund um das Weichau-Treffen am 29. Oktober und zur geplanten Broschüre gibt
es online unter www.fried-land.de