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Angst vor dem Wandel Warum ist der Burgenlandkreis ein schwieriges Pflaster für Bündnis 90/Die Grünen?

Die Umweltpartei trifft im Burgenlandkreis im Vergleich zur Bundesebene auf wenig Zustimmung. Warum sie hier mit dem Thema Klimaschutz kaum punkten kann. Fühlen sich die Menschen in mit diesen Themen abgehängt?

Von Martin Walter 23.06.2021, 14:00
Zu den Landtagswahlen haben Bündnis 90/Die Grünen im Burgenlandkreis einstellige Ergebnisse eingeholt.
Zu den Landtagswahlen haben Bündnis 90/Die Grünen im Burgenlandkreis einstellige Ergebnisse eingeholt. (Foto: IMAGO / Leonhard Simon)

Weissenfels/Zeitz - Wenn man sich die bundesweiten Umfragewerte von Bündnis 90/Die Grünen anschaut, die trotz der Verfehlungen ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock seit Monaten konstant über 20 Prozent liegen, wirkt es schon erstaunlich: Die Parteimitglieder Stefan Jung und Heiko Prüfe, die bei der Landtagswahl am 6. Juni als Direktkandidaten im Weißenfelser bzw. Zeitzer Wahlkreis angetreten waren, haben Wählerstimmen gerade einmal im niedrigen einstelligen Prozentbereich errungen. Trotzdem sind sie zufrieden mit ihren Ergebnissen.

Burgenlandkreis wie auch Sachsen-Anhalt und ganz Ostdeutschland ist ein schwieriges Pflaster für die Grünen

„Ich habe mit ungefähr zwei Prozent der Stimmen gerechnet“, sagt Stefan Jung, der 2,2 Prozent der Erststimmen im Weißenfelser Wahlkreis bekam. „Unserer Partei wurde zur Landtagswahl von einigen ja sogar ein zweistelliges Ergebnis vorausgesagt. Davon bin ich nie ausgegangen“, sagt Heiko Prüfe, der im Zeitzer Wahlkreis 3,4 Prozent der Erststimmen errang. Bei den Zweitstimmen lief es in den beiden Wahlkreisen für die Grünen nicht viel besser: 3,3 Prozent in Weißenfels, 3,1 Prozent in Zeitz.

Beide wissen, dass der Burgenlandkreis wie auch Sachsen-Anhalt und ganz Ostdeutschland ein schwieriges Pflaster für die Grünen ist. Obgleich es auch hier Ausnahmen gibt, nämlich die Großstädte. In Halle erlangten die Grünen beispielsweise 14,1 Prozent der Stimmen. Das erklärt sich Heiko Prüfe unter anderem damit, dass man dort „einfach in die Straßenbahn steigen kann, um schnell von A nach B zu kommen“, während den Menschen im ländlichen Burgenlandkreis dafür oftmals nur das Auto bleibe. Höhere Spritpreise kämen da natürlich nicht gut an, obwohl dies nicht nur eine Forderung der Grünen sei, sondern auch von der Bundesregierung beschlossen wurde.

Viele Menschen werden die Erderwärmung „auf die harte Tour“ feststellen müssen

Die Grünen-Politiker meinen, dass die Bedeutung des Klimaschutzes bei einem Großteil der Menschen im Burgenlandkreis noch nicht angekommen sei. Das sei insofern erstaunlich, als dass „der menschengemachte Klimawandel schon seit den 1970er Jahren bekannt“ ist, wie Stefan Jung sagt. Seiner Meinung nach sei das Thema in der Vergangenheit aber in den Medien zu wenig behandelt worden. Heiko Prüfe äußert die Vermutung, dass zunächst „ein Kipppunkt“ erreicht werden muss, bevor ein Umdenken in weiten Teilen der Bevölkerung einsetzt.

Und der könnte in gar nicht allzu langer Zeit bevorstehen. Beispielsweise „wenn die Leute sehen, dass die Wälder wegen der immer wärmeren und trockeneren Sommer zunehmend sterben.“ Auch Stefan Jung befürchtet, dass viele Menschen die Erderwärmung „auf die harte Tour“ feststellen müssen, und benennt dazu unabhängig von Heiko Prüfe ebenfalls, dass es bereits jetzt einen Holzmangel gebe.

Verständnis dafür, dass „viele Menschen Angst vor dem nächsten Wandel“

Doch setzen die beiden auch Hoffnungen in junge Leute. Aus dieser Generation ist die „Fridays for Future“-Bewegung (FFF) hervorgegangen. Mit dem Ergebnis der Landtagswahl zeigen sich die Klimaschutz-Aktivisten nicht zufrieden, hätten sie sich doch eine „progressivere Regierung“ gewünscht, wie Charlotte Huth sagt, die der Zeitzer FFF-Ortsgruppe angehört. FFF sei aber keine Jugendorganisation der Grünen, sondern eine überparteiliche Bewegung, merkt die 18-Jährige an. Generell gehen ihrer Meinung nach „fast alle Politiker zu Wischiwaschi mit dem 1,5 Grad-Ziel“ um, das im Pariser Klima-Abkommen als Höchstgrenze der globalen Erwärmung angegeben wird.

Sie äußert Verständnis dafür, dass „viele Menschen Angst vor dem nächsten Wandel“ haben, nachdem durch die Wende bereits eine Vielzahl von Arbeitsplätzen weggefallen sind und das infolge des Kohleausstiegs im Burgenlandkreis erneut droht. Dennoch müsse mehr für den Klimaschutz getan werden. „Wichtig ist es, mehr Aufklärung zu leisten“, sagt Charlotte Huth.

Kluft zwischen den Klimaschützern und den Skeptikern könnte in der Zukunft noch zunehmen

Damit müsse bereits in der Schule begonnen werden. Während ihrer Schulzeit sei der Klimawandel nur im Geografieunterricht „kurz angeschnitten“ worden, ansonsten habe sie sich ihr Wissen größtenteils selbst angeeignet. Auch Stefan Jung spricht von einem „antiquierten Schulsystem“ und dass bezüglich des Klimawandels „nicht nur Wissen, sondern die Zusammenhänge vermittelt“ werden müssten.

Froh zeigen sich alle drei Befragten darüber, dass die AfD keinen Wahlerfolg in Sachsen-Anhalt errungen habe, würde doch ein Großteil der Rechtspopulisten den wissenschaftlichen Konsens des menschengemachten Klimawandels leugnen. Die Kluft zwischen den Klimaschützern und den Skeptikern könnte in der Zukunft noch zunehmen. Denn zwar punkten auch in Sachsen-Anhalt die Grünen eher bei jüngeren Wählern, doch hatte die AfD auch in der Altersklasse der 18- bis 29-Jährigen leicht die Nase vorn. (mz)