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Vorsorge unterschätzt Vorsorge unterschätzt: Die meisten Existenzgründer geben innerhalb von fünf Jahren auf

Von Klaus-Dieter Kunick 03.02.2017, 15:00
Tom Hillger (rechts), hier in seinem Büro, wurde von Rüdiger Warnicke (links) und Volker Dietrich bei der Existenzgründung oft beraten.
Tom Hillger (rechts), hier in seinem Büro, wurde von Rüdiger Warnicke (links) und Volker Dietrich bei der Existenzgründung oft beraten. Hartmut Krimmer

Weißenfels/Zeitz - Dass es um die Rente später nicht gut bestellt ist, ist hinlänglich bekannt. Darüber macht sich auch ein Existenzgründer aus Zeitz so seine Gedanken: „Die gesetzliche Rente reicht nicht, das ist mir vollkommen bewusst“, sagt Tom Hillger, der erst vor wenigen Wochen sein Reisebüro „ReiseZeitz“ in der Elsterstadt eröffnete. Doch zur Zeit müsse er erst einmal auf seine Kosten achten, ergänzt der 25-Jährige. Seine Frau Stephanie, die sich kürzlich ebenfalls selbstständig gemacht hat, zahle zumindest fünf Euro in die Riester-Rente ein. Ein wenig Initiative habe Tom Hillger in Richtung Rente dennoch gezeigt: Um am Lebensende nicht mittellos dazustehen, investiert er in einen Aktienfonds. Doch mehr sei momentan nicht machbar.

In welche Gefahr sich so manche Existenzgründer damit begeben, darauf macht Katrin Jährling, sie ist zertifizierte Fachberaterin für Existenzgründer in Weißenfels, aufmerksam: „Existenzgründer sollten monatlich gut 2.000 Euro verdienen. Denn wenn es bei der Rentenpflicht bleibt, zahlen Selbstständige mindestens 700 bis 1.000 Euro nur für Sozialbeiträge. Erreichen sie die 2.000 Euro nicht, werden sie im Rentenalter unweigerlich zum Sozialfall. Und das, obwohl sie ein Leben lang gearbeitet haben“, erklärt sie. Das wiederum wirft die Frage auf: Erreichen Existenzgründer diese monatliche Mindestsumme?

Zehn Prozent aller Existenzgründer scheitern innerhalb eines Jahres

Die Fakten sprechen dagegen: Laut IHK haben seit 1990 im südlichen Sachsen-Anhalt zwar mehr als 100.000 Dienstleister eigene Unternehmen gegründet. Allerdings beendeten knapp 80 Prozent aller Gründer ihre Tätigkeit innerhalb der ersten fünf Jahre. Doch die IHK Halle-Dessau hat weitere Fakten, die aufhorchen lassen: Zehn Prozent aller Existenzgründer scheitern innerhalb eines Jahres, laut Gründerkompass der Kreditanstalt für Wiederaufbau sind bereits über 30 Prozent der Existenzgründer in den ersten drei Jahren am Ende. Und wenn sie die finanziellen Leistungen nicht aufbringen können, wovon auszugehen ist, was geschieht dann?

Katrin Jährling hat eine einfache Antwort parat: „Das Gewerbe abmelden oder Hartz IV beantragen und als Aufstocker zusätzlich Geld vom Staat beziehen.“ Die Konsequenz: Armut. Verständlich, dass viele einen sicheren Job suchen. Zuverlässige Lohn- oder Gehaltszahlungen werden oftmals vorgezogen, weshalb die Zahl der Selbstständigen in den letzten Jahren gesunken ist (siehe Beitrag „Negativrekord in Folge“). Volker Dietrich kennt die Problematik nur allzu gut. Das Thema Rente hat er deshalb im Blick, wenn er Existenzgründern unter die Arme greift. Dass das notwendig ist, kann der zertifizierte Berater für Existenzgründer belegen. Denn, in der Regel haben die jungen Leute, die in die Selbstständigkeit gehen, alles andere im Kopf, nur die Rente nicht. Sie unterschätzen das zugleich. Verständlich, drücken sie doch erst einmal ganz andere finanziellen Sorgen.

Teils wird die Rürup-Rente in Anspruch genommen, teils eine private Altersvorsorge

Rüdiger Warnicke, der in der Beraterfirma von Volker Dietrich tätig ist, bestätigt, dass alle Existenzgründer an die Hand genommen werden, um mit ihnen zu ihrem Versicherungsträger zu gehen. Dort werde ein Vorschlag zur Altersvorsorge für den jeweiligen Existenzgründer erarbeitet. Teils werde die Rürup-Rente in Anspruch genommen, teils eine private Altersvorsorge. „Dass sie etwas für ihre Rente tun müssen, muss man ihnen deutlich vor Augen führen“, erklärt Volker Dietrich, der seit 26 Jahren in dieser Branche arbeitet. Manche der Selbstständigen würden sich sofort für eine Variante entscheiden, andere erst nach einem Jahr.

In den letzten zwei Jahren habe er 44 Existenzgründer im Burgenlandkreis beraten. Dafür stehen 120 Stunden zur Verfügung. „Diese Zeit brauchen sie aber auch“, so Volker Dietrich. „Wir gehen mit ihnen unter anderem zur Krankenkasse, zum Gewerbeamt, zur Handwerkskammer oder auch zum Rentenversicherungsträger“, berichtet Rüdiger Warnicke. Sich nur darauf zu verlassen, das Wissen bei einem Bildungsträger anzueignen, reiche längst nicht. „Theorie ist gut und wichtig, reicht aber auf gar keinen Fall“, sagt Volker Dietrich. Der Weißenfelser Coach ergänzt: „Zu 80 Prozent haben es die Existenzgründer in der Hand, ob sie Erfolg haben.“ (mz)