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Von Dorf zu Dorf Von Dorf zu Dorf: Kein Wacken aber wacker

Von Andreas Löffler 02.12.2019, 16:47
Blick ins Tal hinein auf Bucha mit der charakteristischen Dorfkirche St. Cecilien-Kilian im Vordergrund. Das Gotteshaus wurde ab 2010 unter tatkräftiger Mithilfe der Einwohner saniert.
Blick ins Tal hinein auf Bucha mit der charakteristischen Dorfkirche St. Cecilien-Kilian im Vordergrund. Das Gotteshaus wurde ab 2010 unter tatkräftiger Mithilfe der Einwohner saniert. Andreas Löffler

Bucha - Wer weiß, wer weiß - vielleicht hat gar nicht viel gefehlt und der 250-Seelen-Ort Bucha (Gemeinde Kaiserpfalz) hätte eine ähnliche Entwicklung genommen wie Wacken in Schleswig-Holstein. Dort ist nach ganz kleinen Anfängen in den 1990-er Jahren, als kaum 800 Fans zum neu gegründeten Wacken Open Air in die alte Kiesgrube der 2000-Einwohner-Gemeinde pilgerten, inzwischen eines der größten Heavy-Metal-Festivals der Welt mit alljährlich bis zu 85000 Besuchern entstanden. Buchas Open-Air hieß „Trash The Forest“ und zog bei seiner zehnten und letzten Auflage im Jahr 2017 stolze 1500 Gäste an, unter anderem auch aus Magdeburg, Sangerhausen und Leipzig. „Sogar in Frankfurt/Main wurde meine Tochter auf ,Trash The Forest’ und Bucha angesprochen“, beschreibt Anwohnerin Evelyn Rettig, welch überregionale Bekanntheit das Musik-Festival erlangt hatte.

Letztlich war es wohl allein den Wechselfällen des modernen Arbeitslebens anzulasten - oder zu danken, je nach Perspektive -, dass aus Bucha kein zweites Wacken wurde: Die Brüder Robert, Richard und Lennart Haferburg, die das kultige Juli-Event aus dem Boden gestampft hatten, arbeiten mittlerweile im Ford-Werk Saarlouis an der französischen Grenze. Und weil angesichts des rasant wachsenden Zuspruchs zuletzt ihr gesamter Jahresurlaub für Vorbereitung und Durchführung von „Trah The Forest“ draufgingen, war irgendwann halt Schluss. „Klar hat ,Trash The Forest’ Bucha weit über seine Grenzen hinaus bekannt gemacht - aber im Ort selbst war die Veranstaltung, sagen wir mal vorsichtig, mindestens umstritten“, schätzt Landwirtin und „Ureinwohnerin“ Simone Klein ein. „Es gab auch Stimmen, die sagten, lasst die Jugend doch mal machen - aber spätestens als Festivalgäste unser Gewächshaus sowie Zäune demolierten, war es nicht mehr lustig.“ Harald Boblenz vom Burschenverein Bucha spricht gar von einer „Hottentottensache“: „Bis in die frühen Morgenstunden schallte ein immerwährendes Ugga-Ugga durchs Dorf. Angeblich hatten die 15 verschiedene DJs - ich habe ehrlich gesagt keinen Unterschied erkennen können“, sagt der 58-Jährige - nur halb im Scherz.

Vielleicht war es ja von Anfang an ein großes Missverständnis, die dröhnende House Music (nicht Hausmusik, wie einige Anwohner irritiert feststellen mussten) von „Trash The Forest“ und die Beschaulichkeit Buchas zusammenbringen zu wollen - zumal der Ort seitens seiner Einwohner doch gerade für die Ruhe fernab von Aufgeregtheit und hektischem Pulsschlag der Stadt und wegen der wunderschönen Landschaft drumherum so sehr geschätzt wird. „Die Eichen- und Buchenwälder rings um Bucha mit vielen markierten Wegen sind ein Wanderparadies allererster Güte. Wir gehen zum Beispiel gern und oft die Zehn-Kilometer-Runde bis zum Café in Memleben und zurück“, berichtet Ortschronistin Antje Beyersdorf, die sich auch bei Buchas Landfrauen engagiert.

„Und von unserer Kleingartensparte ,Am Buchengrund’ aus, wo gerade noch einige freie Parzellen zu vergeben sind, hat man einen bezaubernden Blick übers gesamte Unstruttal und kann in die andere Richtung an klaren Tagen bis zum Kyffhäuser und sogar zum Brocken sehen“, hebt Vereins-Chefin Doris Erbentraut hervor.

Die landschaftlich reizvolle Lage birgt freilich auch Schattenseiten: „1970 waren wir komplett eingeschneit, so dass die Sowjetarmee mit Räumpanzern anrückte. Zudem mussten wir infolge Eisregens im Winter 1988/89 mal fünf Tage ohne Wasser und eine ganze Woche ohne Strom auskommen; zuletzt war 2011 die Straße Richtung Memleben wegen Schneeverwehungen nicht passierbar“, schildert Karin Wurche, die seit ihrer Geburt im Ort wohnt und als so etwas wie der Prototyp eines typischen Buchaers respektive einer typischen Buchaerin gelten kann. Warum? Weil sie sowohl im Heimatverein, dem Kleingartenverein, der Frauentanzgruppe und im Kirchenrat des Dorfes engagiert ist - eine weithin übliche „Ämterhäufung“.

Womit wir bei Buchas vielleicht gewichtigstem Pfund gelandet sind - dem überaus reichen Vereinsleben. Exemplarisch für das Zusammenwirken der verschiedenen Akteure und Institutionen im Ort steht der in Siebenmeilenschritten herannahende Weihnachtsmarkt, der in diesem Jahr am 7. Dezember stattfinden wird. „Der Heimatverein schmeißt den Bratwurstgrill an und führt die traditionelle Weihnachtsverlosung durch; der Burschenverein schenkt Glühwein aus und serviert Waffeln. Die Landfrauen kümmern sich um Kaffee und Kuchen, und auch unsere Mitstreiter vom Eventgeneration e.V., die zu Pfingsten immer ein großes Simson- und Ifa-Treffen in Bucha auf die Beine stellen, bringen sich mit ein“, erläutert Gemeinderatsmitglied Harald Schlegel. Alle Vereine legen zusammen, um wieder zwei Dutzend bunte Beutel mit Süßigkeiten und Obst befüllen zu können, welche Knecht Ruprecht später als Geschenk an die jüngsten Gäste des Buchaer Weihnachtsmarktes übergibt.

Für einen sicher stimmungsvollen und optisch sowieso den absoluten Höhepunkt wird last but not least Buchas Freiwillige Feuerwehr sorgen - mit einem Adventsfeuer, ihrem ersten überhaupt. „Wegen der anhaltenden Dürre durften wir unser traditionelles Sonnenwendfeuer im Juni nicht durchführen, holen das jetzt gewissermaßen nach. Vielleicht wird ja sogar eine neue Tradition daraus“, sagt Pfingstbursche Harald Boblenz, der - und damit typisch Buchaer - parallel auch bei den Brandbekämpfern aktiv ist.

Zum Pfingstfest geht es auf dem eingangs bereits erwähnten Pfingstplan ebenfalls rund: diesmal unter Federführung des gut 20-köpfigen Buchaer Burschenvereins, bei Rostern, Bier - und ganz ohne „Hottentotten-Musik“. „Am Freitag vor Pfingsten werden die Pfingstbirken gesetzt, samstags ist das Moped-Treffen, und am Montag gibt’s das traditionelle Ständchenblasen“, schildert der 58-Jährige das alljährliche Ritual. Übrigens: Bucha war 1979 auch Gründungsort und ist bis heute Stammsitz (jeden Freitag wird im Ort geprobt) der im ganzen Burgenlandkreis und darüber hinaus bekannten Original Unstruttaler Blasmusikanten.

Was unseren Blick auf das - ebenfalls reiche - kulturelle Leben in Bucha lenkt: Dreimal im Jahr - zum Frauentag, am Freitag vor dem etatmäßigen Termin der Kirmes (die nicht mehr durchgeführt wird) sowie am „dritten Weihnachtsfeiertag“, sprich 27. Dezember - gastiert das Geraer Kabarett „Fettnäppchen“ im Saal der Gaststätte „Zur Grünen Buche“. „Auch, wenn der bestimmt die Hälfte der Buchaer Einwohnerschaft fasst - wer ein Kabarett-Ticket ergattern will, sollte sich das im Grunde schon drei Veranstaltungen zuvor überlegen“, beschreibt Evelyn Rettig, wie riesig der Andrang immer sei. Einen festen Platz im Veranstaltungskalender, genauer: im Mai, hat unterdessen auch das aus Thüringen kommende „Project Unplugged“, welches mit seiner Darbietung zeitloser Songs der Musikgeschichte stets für eine bis auf den allerletzten Platz gefüllte Kirche sorgt.

Das Gotteshaus St. Cecilien-Kilian ist zu Heiligabend auch der stimmungsvolle Schauplatz für ein neues Chorprojekt, zu dem sich knapp 20 Ortsansässige zusammengefunden haben. „Früher hatten wir immer ein Krippenspiel - diesmal wird der Weihnachtsgottesdienst von festlichen Adventsliedern und einer entsprechenden Vorlesegeschichte umrahmt“, blickt Simone Klein voraus: Besinnlichkeit und Bucha statt Heavy Metal und Wacken ist also die Devise.

Simon erblickte  am 8. November 2019,   um 22.04 Uhr,  mit    2630 Gramm und  49 Zentimetern   im  Saale-Unstrut-Klinikum Naumburg das Licht  der Welt.             
Simon erblickte  am 8. November 2019,   um 22.04 Uhr,  mit    2630 Gramm und  49 Zentimetern   im  Saale-Unstrut-Klinikum Naumburg das Licht  der Welt.             
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