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Voller Einsatz trotz Schicksalsschlag Voller Einsatz trotz Schicksalsschlag: Hohenmölsener Feuerwehrleiter sitzt im Rollstuhl

Von Alexander Kempf 24.09.2018, 07:59
Ronny Müller leitet die Wache in Hohenmölsen.
Ronny Müller leitet die Wache in Hohenmölsen. Peter Lisker

Hohenmölsen - Im Sitzen ist der Feuerwehrhelm auf dem Spind für Ronny Müller nicht zu erreichen. Der Rollstuhlfahrer könnte um Hilfe bitten. Aber daran denkt er gar nicht. So nah wie möglich rollt er an den Spind heran, fixiert den Rollstuhl und richtet sich auf. Mit dem Helm in der Hand, lässt er sich wieder in den Sitz fallen.

Diese Szene, die wenige Sekunden dauert, verrät viel über den 43-Jährigen. Vor anderthalb Jahren hätte den Hohenmölsener das Aufstehen hoffnungslos überfordert. Doch monatelange Rehamaßnahmen machen sich bezahlt. Sogar erste Schritte schafft er schon. „Aber 30 Meter fühlen sich für mich wie ein Marathon an“, sagt Ronny Müller.

Feuerwehrmann im Rollstuhl: Kameraden wählten Ronny Müller ganz bewusst zum Wehrleiter

Ein Feuerwehrmann, der nicht richtig laufen kann? In Hohenmölsen haben ihn seine Kameraden in diesem Jahr ganz bewusst zum Wehrleiter gewählt. Eigens für ihn soll die bisher nicht barrierefreie Feuerwache noch in diesem Jahr einen Treppenlift erhalten. Und auch das Bad im Obergeschoss muss umgebaut werden. Er selbst, verrät Ronny Müller, hätte nach all dem nie zu fragen gewagt. Doch Bürgermeister und seine Kameraden sind an ihn herangetreten.

Der Rollstuhl hat sie an seiner Eignung nie zweifeln lassen. „Es ist, als ob ich nie weggewesen wäre“, sagt Ronny Müller. Und doch bringt die Beeinträchtigung natürlich Nachteile mit sich. Gerade wenn man es wie der Feuerwehrmann bisher gewohnt ist, anderen zu helfen und nicht sich selbst helfen zu lassen.

Niemand wird gerne von Kameraden die Treppe hinauftragen. „Es ist schwer, solche Hilfe anzunehmen“, sagt Ronny Müller. Aber es funktioniere einwandfrei. Und mit dem Treppenlift wird er bald den nächsten Schritt in Richtung Selbstständigkeit nehmen.

Schwere Rückenschmerzen rissen Feuerwehrleiter aus dem Alltag

Hinter dem gelernten Gas- und Wasserinstallateur liegt schon ein langer Weg zurück ins Leben. Schwere Rückenschmerzen reißen ihn im Januar 2017 aus dem Alltag. Seine Bandscheibe hat sich damals entzündet. Ein Abszess führt schließlich dazu, dass sein Rückenmark schwer beschädigt wird.

Es ist eine schwierige Zeit. Ihm sei damals buchstäblich der Boden unter den Füßen weggezogen worden, erzählt Ronny Müller. „Ohne Familie“, sagt der zweifache Familienvater rückblickend, „geht man an so etwas kaputt.“

Kameraden und Chef geben alles dafür, Ronny Müller zurückzuholen

Doch nicht nur die steht hinter ihm. Auch die Kameraden und sein Arbeitgeber setzen alle Hebel in Bewegung, ihn zurückzuholen. Vor seiner Krankheit ist Ronny Müller im Außendienst bei Schornsteinbauer Raab in Luckenau tätig. Nun soll der Brandschutzbeauftragte der Firma vom Büro aus seine alten Aufgaben erledigen. Ein eigener Arbeitsplatz für ihn entsteht gerade. „Das muss ich meiner Firma hoch anrechnen“, sagt er dankbar.

Trotz der vielen Unterstützung, kann der Rollstuhlfahrer auch Geschichten erzählen, die keinen Mut machen, sondern nur Kraft kosten. Die Verhandlungen mit den Kassen beschreibt er als zäh. Wer als Rollstuhlfahrer ein Auto benötigt, müsse etwa nachweisen, dass er nicht auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen kann. Er selbst ist schließlich in Vorleistung gegangen, hat einen Gebrauchtwagen günstig gekauft. Wieder Auto fahren zu können war einer der größten Schritte zurück zur Selbstständigkeit.

Trotz Rollstuhl: Feuerwehrmann will auch wieder bei Einsätzen helfen

Auch bei der Hohenmölsener Feuerwehr will der neue Wehrleiter künftig nicht nur in der Wache Verantwortung übernehmen. „Ich sehe mich auch draußen“, sagt er. Allerdings nur bei sogenannten Großschadenslagen, die mehrere Stunden dauern. Ein einfacher Autobrand hingegen sei in einer Stunde abgearbeitet, da lohne sich der Aufwand für ihn nicht, selbst zum Unglücksort zu fahren, so der Wehrleiter pragmatisch.

Trotzdem wird er noch viel Zeit brauchen, sich daran zu gewöhnen, beim Ertönen der Sirene nicht schnell selbst zu Hilfe eilen zu können, räumt Ronny Müller freimütig ein. Bei Großeinsätzen ist sein Platz nun der Beifahrersitz im Einsatzleitwagen. Das selbstständige Einsteigen und Aussteigen lässt er sich schon heute nicht nehmen. (mz)