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Tröbsdorf  Tröbsdorf : "Felsenfeste" Brückenbauer

Von Andreas Löffler 11.08.2019, 09:52
Einge der „Brückenbauer“ vom Männerverein „Felsenfest“: Hartwig Kunth, Roland Becker, Stephan Becker, Kurt Märtsch, Jens Leppelmeier, Ralf Schneider und Roland Schlegel (von links nach rechts).
Einge der „Brückenbauer“ vom Männerverein „Felsenfest“: Hartwig Kunth, Roland Becker, Stephan Becker, Kurt Märtsch, Jens Leppelmeier, Ralf Schneider und Roland Schlegel (von links nach rechts).  Andreas Löffler

Was, ein reiner Männerverein ist das? Haben Sie etwas gegen Frauen, dass Sie das weibliche Geschlecht ausgrenzen? Diese Fragen, stets begleitet von kritisch-musternden Blicken, sind Ralf Schneider und seinen Mitstreitern vom „Felsenfest“ Tröbsdorf e. V. schon des Öfteren gestellt worden - bei der Einreichung von Fördermittelanträgen zum Beispiel, in einem Fall sogar mal im Bewerbungsgespräch für einen Job. Doch man täte den aktuell 30 Mitgliedern des Tröbsdorfer Männervereins großes Unrecht, würde man sie zu frauenfeindlichen Machos erklären. Ganz im Gegenteil: Die Herren betätigen sich in vielerlei Hinsicht als wahre „Brückenbauer“, stehen gewissermaßen felsenfest für die Ankurbelung des Gemeinschaftslebens in dem 140-Einwohner-Dorf nordwestlich von Laucha.

Aufräumaktionen und Arbeitseinsätze, Oster- und Herbstfeuer, Kirschfest, Entenrennen und die alljährliche Kinder-Nachtwanderung durch den Tröbsdorfer „Märchenwald“ gehen durch die Bank auf die Initiative der „Macher mit der grünen Mütze“ - gut erkennbar an der entsprechenden Kopfbedeckung ihrer Festkleidung - zurück. „Und dass nur Männer im Verein sein dürfen, geht schlicht und einfach auf eine sehr lange Tradition zurück, die wir jetzt auch nicht mir nichts, dir nichts einer überschießenden politischen Korrektheit opfern wollen“, erläutert der Vorsitzende des „Felsenfest“ e. V., Ralf Schneider.

Es sei nämlich Fakt, dass der Bund 1928 als Burschenverein ins Leben gerufen und - dieser Traditionslinie folgend - 1991 eben als Männerverein wiedergegründet wurde. Dabei habe man nicht zuletzt auch angesichts des ausdünnenden Nachwuchses durchaus schon mal die Öffnung für Frauen diskutiert - wohl auch, um den offenkundigen „Logikfehler“ in dem Sprichwort, demzufolge ein(e) echte(r) Tröbsdorfer(in) nur jene(r) sein könne, wer Mitglied im Männerverein sei, zu beheben.

„Letztlich haben wir uns aus Respekt gegenüber der Geschichte dagegen entschieden - zumal die Frauen, die mit einer Mitgliedschaft liebäugeln könnten, ohnehin diejenigen sind, die uns schon jetzt ganz toll unterstützen“, betont der 45-jährige. Der Gerechtigkeit halber sei erwähnt, dass der allmonatliche Tröbsdorfer Rentnertreff (inzwischen) hingegen reine „Frauensache“ ist.

Zweifellos die Sache aller Dorfbewohner ist definitiv das in jedem Jahr am ersten Juliwochenende stattfindende Tröbsdorfer Kirschfest, das Gäste selbst aus Wetzendorf, Kirchscheidungen und Laucha anzieht und somit getrost als „Geschwisterchen“ des Naumburger Großevents eine Woche zuvor gelten kann.

Ein großer Auflauf ist beim Tröbsdorfer Kirschfest namentlich auch immer beim Ständchenblasen am Sonntagvormittag garantiert. Von 8 Uhr morgens an und bis zur Mittagsstunde zieht - angeführt von der Kapelle - eine ständig größer werdende Schar durchs Dorf, um sämtlichen, etwa 70 Haushalten im Dorf, an dessen Domizilen zuvor jeweils eine kleine Birke aufgestellt wurde, mit einem musikalischen Ständchen die Aufwartung zu machen. „Wir haben auch immer die so genannte Eier-Minna dabei, in der entsprechende Naturalspenden gesammelt werden“, berichtet Kurt Märtsch, der 13 Jahre Vorsitzender des „Felsenfest“ e. V. war und just heute seinen 78. Geburtstag feiert - herzlichen Glückwunsch!

„Wenn wir dann am Montag das Festzelt abgebaut haben, bereitet uns die Wirtin unserer Dorfgaststätte immer ein Rührei im XXL-Format zu“, ergänzt Jens Leppelmeier - und lenkt damit den Blick auf eine weitere Tröbsdorfer Institution: Seit 1983 und damit nunmehr 36 Jahren betreiben Harald und Carola Gölzl das Gasthaus „Zum grünen Tal“ im Ort. „Die 40 wollen wir noch voll machen“, blickt der 61-Jährige, der sein Lokal als Einziger im weiten Umkreis auch nach der Wende erfolgreich fortzuführen schaffte, voraus. Seien zu DDR-Zeiten viele - wohl nach ideologiefreier Entspannung lechzende - Gäste der damaligen CDU-Bezirksparteischule im nahen Schloss Burgscheidungen eingekehrt, würde das Publikum heute neben den Tröbsdorfern vor allem aus Autotouristen sowie Wander-, Boots- und Radausflüglern bestehen.

Denn ein Paradies für Auf-Schusters-Rappen-Jünger, Rad- und Wasserwanderer ist die Gegend um Tröbsdorf allemal. „Wir haben eine schöne Landschaft hier: Die Unstrut ist ganz nah; und über den Biberbach-Orlas-Weg kann man beispielsweise von Tröbsdorf aus am Biberbach entlang über Teufelskanzel und Thalwinkel bis nach Bad Bibra wandern“, schwärmt der 86-jährige Hartwig Kunth, Tröbsdorfer seit Geburt. „Ich habe hier in der Region, angefangen bei Wetzendorf über Kirchscheidungen bis hin zu Burgscheidungen, wo ich aus familiären Gründen inzwischen mein Zuhause gefunden habe, in mehreren anderen Orten gelebt und kann voller Überzeugung sagen: Tröbsdorf hat etwas ganz Besonderes“, hebt Ralf Schneider hervor und liefert in Sachen Verbundenheit mit seinem Herzens-Ort gleich noch eine hübsche Anekdote hinterher.

Als ich Anfang 1994 meine Dienstzeit bei der Bundeswehr antreten musste, hatte mir Wirt Harald Gölzl bei meinem Ausstand in der Kneipe noch eine Postkarte von Tröbsdorf in die Hand gedrückt - damit ich nicht vergesse, wo ich herkomme“, erinnert sich der Mitarbeiter eines Montageunternehmens. „Die habe ich in meinem Spind befestigt, um ein Gefühl von Heimat und Vertrautheit zu behalten. Und der Feldwebel, der die Stuben und Schränke kontrollierte, staunte nicht schlecht, als er mal etwas ganz anderes als   die üblichen Pin-up-Bilder erblickte.“
Doch zurück zu Tröbsdorfs Naturschönheiten: Das Thema Wasser, Stichwort Unstrut und Biberbach, hatten wir schon erwähnt, den - metaphorischen - „Brückenbau“ durch die zahlreichen Aktivitäten des Männervereins gleich zu Beginn ausführlich gewürdigt - Zeit also, sich einmal mit den „echten“ Brücken zu beschäftigen. Denn aufgrund der Topographie und seiner Lage an den genannten Wasserläufen verfügt Tröbsdorf über drei große Brücken - zählt man die kleineren, „inoffiziellen“ aus Holzstangen dazu, sind es sogar deren zehn. „Na ja, mit Venedig können wir dann doch nicht ganz mithalten“, flachst Stephan Becker und setzt dann ernsthaft fort: „Wir sind glücklich, dass zwei durch das Hochwasser 2013 schwer in Mitleidenschaft gezogenen Brückenbauwerke über den Biberbach zügig saniert worden sind“, unterstreicht der 48-Jährige. „Das ist auch deswegen wichtig, weil der Bachlauf ja quasi die ,Regattastrecke’ für unser seit 2010 ebenfalls zum Kirschfest ausgetragenes Entenrennen ist“, fügt Roland Schlegel hinzu. Die 300 quietschgelben Plastiktiere, die das Starterfeld bilden, seien stets binnen kurzer Zeit ausverkauft.   Als Hauptgewinn für den Besitzer der vom Biberbach als Erste durchs Ziel „gespülten“ Ente winkt ein hochwertiger Sachpreis - etwa ein Fahrrad oder ein Fernseher. 150 Euro des verbleibenden Erlöses  aus dem Verkauf der Plastikenten werden jeweils für den guten Zweck an die Kita  Burgscheidungen gespendet.  „Es ist schön zu sehen, wie sehr sich mittlerweile auch die Anwohner ins Zeug legen und die Brücken entlang des Biberbachs schmücken“, sagt der 53-Jährige erfreut.

Ganz und gar keine Zierde ist freilich die Blindetal-Brücke am nördlichen Ortsrand. „Seitdem da 2006 festgestellt wurde, dass eine Brückenwange ausbricht, ist  nichts passiert, das Bauwerk gesperrt“, moniert Roland Becker, 74. Für Nutzer der dort entlangführenden Wirtschaftsstraße entstünden seither zehn bis zwölf Kilometer Umweg.

Die Gegend bietet viele Möglichkeiten für Rad- und Wandertouren.
Die Gegend bietet viele Möglichkeiten für Rad- und Wandertouren.
Löffler
Blick von Schloss Burgscheidungen auf die Ortslage Tröbsdorf. Rechts ist deutlich die evangelische Dorfkirche „Unser lieben Frauen“ zu erkennen.
Blick von Schloss Burgscheidungen auf die Ortslage Tröbsdorf. Rechts ist deutlich die evangelische Dorfkirche „Unser lieben Frauen“ zu erkennen.
Andreas Löffler
Seit nunmehr 36 Jahren die Herrscher über den Zapfhahn in der Gaststätte „Zum grünen Tal“ in Tröbsdorf: Wirt Harald Gölzl und seine Ehefrau Carola.
Seit nunmehr 36 Jahren die Herrscher über den Zapfhahn in der Gaststätte „Zum grünen Tal“ in Tröbsdorf: Wirt Harald Gölzl und seine Ehefrau Carola.
Löffler
Ein Kleinod: In Tröbsdorfs Dorfkirche finden nach wie vor Gottesdienste sowie auch Konzerte statt.
Ein Kleinod: In Tröbsdorfs Dorfkirche finden nach wie vor Gottesdienste sowie auch Konzerte statt.
Löffler