Theater Naumburg Theater Naumburg: Schnell weg von der Scholle

Naumburg - Die wirklich nervigen Zeiten hat Jörg Vogel inzwischen hinter sich lassen können, jene in denen die Internetsuchmaschine bei der Eingabe seines Namens nachfragte: „Meinen Sie Jürgen Vogel?“. Nein, meinte der Suchende nicht. Und nein, er ist weder mit dem bekannten, zwölf Jahre älteren Schauspieler verwandt oder verschwägert, noch ist er für den 39-jährigen Schauspieler Jörg Vogel ein Vorbild. Obwohl. „Mein Ziel ist es aber, mir wie Jürgen Vogel aussuchen zu können, was ich wann, wo spiele“, meint Jörg Vogel, seit dieser Spielzeit Schauspieler am Theater Naumburg, schmunzelnd. Doch dafür hat es ja noch an die zwölf Jahre Zeit. Seine Karriere steckt schließlich erst in den Anfängen.
Berufliche Vorbilder sind für Vogel vor allem Kollegen, mit denen er eng zusammenarbeitet wie zu Beginn seiner Schauspielerlaufbahn beim Theater Poetenpack in Potsdam. „Dem gehören großartige Bühnen-Schauspieler an. Allein durchs Zuschauen lernte ich viel und auch durch das Spielen mit ihnen“, erzählt er und fügt hinzu: „Man lernt erst in der Praxis“. Neben seinem Gastengagement beim Poetenpack sammelte er erste Erfahrungen auf den Theaterbühnen in Quedlinburg, Halberstadt, Bremen und Hannover.
Egal, wo er bisher aufgetreten ist: „Meine Eltern haben alles gesehen, was ich bisher gespielt habe“, so Vogel, in dessen Stimme Stolz und Dankbarkeit gleichermaßen mitschwingt. Er weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. Wohl auch nicht, weil es Vater und Mutter, die als Schlosser und Schwester in einem Kinderkrankenhaus ihr Geld verdienen, gern gesehen hätten, wenn der Sohn Tischler geworden wäre. Doch das war für ihren Spross, der schon im Schultheater mitspielte, einfach nichts. Aber es zog ihn auch nicht wie andere an die Universität. „Ich konnte mir nicht vorstellen“, so Vogel, „da zu sitzen und wieder zu lernen.“
Schon während des Abiturs bezog der nahe Kassel aufgewachsene Jörg Vogel eine eigene Wohnung in der hessischen Großstadt. „Als junger Mensch will man erst mal weg von der Scholle“, meint er. Nächste Station nach dem Abi war Berlin. Hamburg sei auch eine Option gewesen, aber die Hauptstadt sei einfach aufregender. Und weil sie so groß ist, sei auch viel mehr möglich. Außerdem hatten sich dort schon Freunde niedergelassen. Als Zivildienstleistender steuerte er in Berlin täglich einen Kinderladen - eine Art Hort - an. Später jobbte er für eine Leiharbeitsfirma auf Baustellen, räumte dort mit auf. Schließlich finanzierte er seinen Lebensunterhalt als Taxifahrer. „Damals war ich der jüngste Taxifahrer in Berlin - so für ein halbes Jahr“, erzählt Vogel. Die gesamte Zeit über arbeitete er nebenher an seiner Zukunft als Schauspieler.
Vier Jahre lang tingelte er zu Vorsprech-Terminen an staatlichen Schauspielschulen. Leipzig, Essen, München, Potsdam, Rostock - nirgends bekam er einen Fuß in die Tür. Als sich aber eines nachts die seines Taxis öffnete und eine junge Frau seine Fahrdienste beanspruchte, nahm seine berufliche Laufbahn endlich Fahrt auf. „Sie war Schauspielstudentin und erzählte mir vom Europäischen Theaterinstitut, dem ETI - einer privaten Schauspielschule“, so Vogel, der sich in dieser zum Tag der offenen Tür umsah. Sein Fazit: „Wenn es eine private Schauspielschule sein sollte, dann diese.“ Und diese wurde es. Fast fünf Jahre lang lernte er. Um das Schulgeld zu finanzieren, arbeitete er weiter nebenher. Es war eine großartige Zeit, aber auch sehr hart. Dass es die Schauspielerei nicht minder ist, lernte er beizeiten. „Ich hatte nicht gewusst, dass es so ein hartes Brot ist, und mir war nicht bewusst, dass der Berufsalltag so aussieht und man sich ständig kümmern muss, dass man Arbeit bekommt“, gesteht er.
In jungen Jahren sei er nicht so der Theatergänger gewesen. Seine vier Jahre ältere Schwester Melanie, inzwischen eine Galeristin in Kassel, schon. Sie hatte sogar ein Theaterabo. Als sie
eine Aufführung nicht besuchen konnte, schickte sie ihren Bruder hin. „Die Karte konnte und sollte nicht verfallen“, so Vogel, den
die Vorstellung damals „sehr stark berührt“ habe und die vielleicht auch den Samen für seinen späteren Berufswunsch gesät hat.