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Theater Naumburg Theater Naumburg: Per Kopfkino in die Walachei

Von Jana Kainz 15.03.2016, 10:12
Im geklauten Lada gurken Tschick (Michael Naroditski) (r.) und Maik (Mats Kampen) durch den Osten.
Im geklauten Lada gurken Tschick (Michael Naroditski) (r.) und Maik (Mats Kampen) durch den Osten. Biel

Naumburg - Den Zuschauern schießen immer wieder Tränen in die Augen - vor Lachen, teils auch vor Rührung. Brüllend-komisch, schräg und berührend breitet die Naumburger „Tschick“-Inszenierung den Seelen- und Wissenstrubel pubertierender Außenseiter auf der Bühne aus. Das kleinste deutsche Stadttheater wagte sich an den Jugendroman von Wolfgang Herrndorf, der literarisch wie inzwischen auch mit Robert Koalls Bühnenfassung in vielen Theatern große Erfolge feierte. Nach anderthalbstündiger Premierenaufführung Freitagabend bezeugte der Beifall, dass Regisseur Georg Münzel für Naumburg eine dem Buch ebenbürtige Theaterversion gelungen ist.

Kleine Bühne, wenig Requisiten

Und geglückt ist ihm damit in Zusammenarbeit mit Ute Radler (Kostüme/Bühne) auch das Kunststück, das Roadmovie „Tschick“ mit einer interessanten Auswahl an wenigen Requisiten auf eine etwa fünf mal zirka zweieinhalb Meter kleine Bühne zu bringen. Diese lässt sich mit losen Latten und etwas Kopfkino der Zuschauer in ein nobles Zuhause, eine Schule oder Müllhalde verwandeln und ist hauptsächlich auch immer wieder eine von den Zuschauern rechts und links gesäumte Landstraße.

Auf dieser bricht an einem Sommerferientag der von seinen Eltern zurückgelassene, wohlstandsverwahrloste Maik mit seinem Assi-Mitschüler, dem Russlanddeutschen Andrej Tschichatschow, kurz „Tschick“ genannt, zu dessen Großvater in die Walachei auf. Im von Tschick geklauten Lada gurken sie durchs ostdeutsche Land, ohne zur Walachei zu gelangen. Von der weiß ohnehin keiner von beiden, wo sie genau liegt. Dafür treffen Maik und Tschick in kaum besiedelten Gegenden immer wieder auf verschrobene und dennoch liebenswürdige Menschen. Und mit jedem zurückgelegten Kilometer bahnt sich zwischen ihnen eine Freundschaft an, die Tschicks Outing ebenso übersteht wie einen Autounfall. Auch Maiks Wohlstandspapa schafft es nicht, sie in Grund und Boden zu treten.

Parallelen in Lebensläufen

Verkörpert werden die Protagonisten von Schauspielern, die der Pubertät längst entwachsen sind, denen man aber wegen ihrer frischen Spielweise dennoch die pubertierenden Außenseiter abnimmt. Für die Rolle des Maik engagierte das Theater Mats Kampen, der dieses Jahr sein Schauspielstudium abschließt. Tschick, dessen Vorfahren aus der Walachei stammen und einige jüdische Zigeuner waren, wird von Ensemble-Mitglied Michael Naroditski gespielt. Wie passend diese Besetzung ist, sei den Beteiligten erst später aufgefallen, denn Naroditski ist russischer Jude, der in Taschkent zur Welt und als 14-Jähriger nach Deutschland gekommen ist.

Die dritte im Bunde ist Patricia Windhab, die in verschiedene Rollen schlüpft. Neben der verdreckten Isa, die den Jungen zeigt, wie man Benzin klaut, gibt sie auch die Öko-alternativ-Mutter mit vielen Kindern, wobei nach alter Naumburger Puppentheatertradition eine Puppe zum Einsatz kommt.

Tschick und Maik treffen während ihres Ferientrips auf merkwürdige Typen wie den Ostfront-traumatisierten Horst Fricke, gespielt von Patricia Windhab.
Tschick und Maik treffen während ihres Ferientrips auf merkwürdige Typen wie den Ostfront-traumatisierten Horst Fricke, gespielt von Patricia Windhab.
Biel