1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Burgenlandkreis
  6. >
  7. Fluch des vielen Geldes: Strafzinsen: Lützen zahlt Millionen

Fluch des vielen Geldes Strafzinsen: Lützen zahlt Millionen

Von Holger Zimmer 12.12.2019, 09:00
Wer viel Geld auf der hohen Kante hat, muss dafür zahlen: Die Stadt Lützen kostet das für zwei Jahre 795.000 Euro.
Wer viel Geld auf der hohen Kante hat, muss dafür zahlen: Die Stadt Lützen kostet das für zwei Jahre 795.000 Euro. Imago stock&people

Lützen - Millionen Euro auf der hohen Kante sind nicht nur ein Segen. Die können ganz schön ins Geld gehen - und im schlimmsten Fall richtig teuer werden. Simone Starke, die Finanzchefin im Rathaus in Lützen bei Weißenfels (Burgenlandkreis) kann davon ein Lied singen.

Geht man von den reinen Zahlen aus, gehört Lützen zu den reichsten Gemeinden Sachsen-Anhalts. Die gewaltige Summe von 142 Millionen Euro schlummert auf einem Konto. Das Geld ist eine Nachzahlung von Gewerbesteuern für die Jahre 2011 bis 2013. Damals hatten Mitarbeiter von Tochterfirmen der Deutschen Bank im Feuerwehrgerätehaus von Sössen, einem Ortsteil von Lützen, das Geld der Kunden vermehrt - weitab von den Hochhaustürmen Frankfurts. Angelockt wurde die Bank vom niedrigen Gewerbesteuersatz der Stadt.

Lützen darf Gewerbesteuern nicht investieren - und muss nun dafür zahlen

Freude löste die Betriebsprüfung des Naumburger Finanzamtes bei der Deutschen Bank und die damit verbundene Nachzahlung nicht aus: Das größte deutsche Geldinstitut, das in der tiefsten Krise seiner Geschichte steckt und jeden Euro braucht, zahlte zwar zunächst, ging aber gegen die Entscheidung gerichtlich vor. Und bekam in erster Instanz Recht. Gegen diese Entscheidung wurde Revision eingelegt. Nun liegt der Fall beim Bundesfinanzhof. Unklar ist, wann dort eine endgültige Entscheidung getroffen wird.

Zum Ärger der Stadt Lützen, die die riesige Summe auf einem so genannten „Termingeldkonto“ angelegt hat. Definiert ist Termingeld grundsätzlich als Einlage, bei der das angelegte Geld für einen bestimmten Zeitraum fest angelegt ist und zusammen mit den Zinsen an einem bestimmten Tag fällig wird. Der Vertrag lief im Mai 2019 aus - und wurde aufgrund der unklaren Rechtslage um zwei Jahre verlängert. Das Problem dabei: Aufgrund der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank gibt es für Summen in dieser Größenordnung inzwischen keine Zinsen mehr.

Lützen darf Geld nicht anrühren und zahlt nun Strafzinsen

Im Gegenteil: Wer viel Geld auf einem Konto anlegt, muss Strafzinsen zahlen. Im Fall Lützen sind Negativzinsen von minus 0,277 Prozent fällig, die sich bei zwei Jahren Konto-Laufzeit auf 795.000 Euro summieren. Das bedeutet: Bestätigt der Bundesfinanzhof die vorherige Instanz und das Geld muss an die Deutsche Bank zurückgezahlt werden, hat die Stadt Lützen ein teures Problem. Sie muss 142 Millionen Euro zurückzahlen, obwohl abzüglich der „Strafzinsen“ faktisch nur noch 141,205 Millionen Euro auf dem Konto liegen.

So könnte sich die mögliche millionen-schwere Nachzahlung zu einem Bumerang für Lützen entwickeln. In einem Schreiben ans Finanzministerium hatte die Stadtverwaltung „angesichts der nicht selbst verschuldeten Situation“ um finanzielle Unterstützung gebeten, so Finanzchefin Simone Starke: „Wir können diese 795.000 Euro nicht aus eigener Kraft erwirtschaften.“

Lützen bittet um Hilfe - Finanzministerium blockt ab

Wolfgang Borchert, Pressesprecher im Finanzministerium, sieht für eine Unterstützung aus dem Landeshaushalt aber keinen Spielraum. Immerhin, so Borchert, sei Lützen 2018 die Gemeinde mit der höchsten Steuerkraftzahl aller kreisangehörigen Gemeinden im Land. „Lützen ist eine sehr vermögende Gemeinde. Der Landeshaushalt erlaubt aber Finanzhilfe nur für finanzschwache Kommunen“, sagt Borchert.

Vielleicht, so unken einige in der Stadtverwaltung, ist das eine Retourkutsche für das Jahr 2016. Damals hatte ebenfalls eine Tochterfirma der Deutschen Bank regulär 150 Millionen Euro Gewerbesteuer gezahlt. Den größten Teil der Steuerzahlung musste die Stadt Lützen weiterreichen. 25 Millionen Euro über die Gewerbesteuerumlage, weitere etwa 25 Millionen Euro über die Finanzkraftumlage und knapp 90 Millionen Euro per Kreisumlage. Für Lützen blieben da überhaupt nur fünf Millionen Euro übrig.

Aber richtig hart traf es damals das Land Sachsen-Anhalt: Ursache ist der komplizierte Bund-Länder-Finanzausgleich. Das System will verhindern, dass sich extrem niedrige Steuersätze wie in Lützen bezahlt machen. Das Land bekomme durch den ,Lützen’-Effekt 200 Millionen Euro weniger an Einnahmen. Man werde also für die Steuerzahlung bestraft, sagte der Ex-Finanzminister Sachsen-Anhalts, André Schröder damals. (mz)