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Stoffwindeln statt Wegwerfwindeln Stoffwindeln statt Wegwerfwindeln: Ist umweltbewusstes Wickeln ein neuer Trend?

Von Tobias Schlegel 06.10.2019, 06:00
Cynthia Pötzsch zeigt die gewaschenen Tücher, die sie als Einlage für die Stoffwindel verwendet.
Cynthia Pötzsch zeigt die gewaschenen Tücher, die sie als Einlage für die Stoffwindel verwendet. Peter Lisker

Hohenmölsen - Das Wechseln der Windeln von Tochter Valerie zieht Alex Bartsch gern mal etwas in die Länge. „Ich nehme dann meist ein Spielzeug mit. Für mich ist das Wickeln auch eine Art und Weise, Zeit mit ihr zu verbringen“, sagt der Hohenmölsener mit einem Lächeln, während er seine Tochter auf dem Arm hält.

Das Wechseln der Windeln dauert bei dem sechs Monate alten Baby aber sowieso etwas länger als bei den meisten Säuglingen. Warum? Bartsch und seine Lebensgefährtin Cynthia Pötzsch wickeln ihr Baby nicht mit herkömmlichen Wegwerfwindeln aus Plastik, sondern mit wiederverwendbaren Stoffwindeln - so wie man sie von früher kennt.

Umweltschutz im Blick

Ja, es gibt sie noch - die guten alten Stoffwindeln. Die, die Mütter einst im großen Topf ausgekocht und wiederverwendet haben. In Zeiten von Pampers und Co. dachte man eigentlich, dass solche Windeln ausgestorben sind. Denn viele Eltern denken bei Stoffwindeln vor allem an den Aufwand: Ständig müssen diese gereinigt werden. Da ist es doch viel bequemer, sie wegzuschmeißen und eine Neue zu nehmen.

Genau das wollen Cynthia Pötzsch und Alex Bartsch nicht. Die beiden haben sich in Halle kennengelernt, als sie über den zweiten Bildungsweg ihr Abitur nachholten. „Dort haben wir uns mit dem Thema Plastikmüll auseinandergesetzt und erfahren, dass ein Kind etwa eine Tonne Windeln verbraucht“, sagt die 24-Jährige. Mit den Stoffwindeln wollen die beiden ein Zeichen für den Umweltschutz setzen. „Das war der treibende Grund“, sagt die Hohenmölsenerin.

„Die herkömmlichen Windeln werden immer als tollste Sache der Welt dargestellt“

Doch es habe auch andere gegeben. „Die herkömmlichen Windeln werden immer als tollste Sache der Welt dargestellt, dabei bestehen sie aus rein chemischen Stoffen“, sagt die Mutter. Unterschlagen wollen die Eltern aber nicht, dass bei ihrer Entscheidung auch Geld eine Rolle gespielt hat: Beide stehen nicht fest im Berufsleben, sondern wollen noch studieren, sie möchte Hebamme werden, er will in die Verwaltung.

„Auch der finanzielle Aspekt war dabei entscheidend“, sagt Cynthia Pötzsch. Für Wegwerfwindeln müsse man schon rund 60 Euro im Monat investieren. Und das mindestens zwei Jahre lang, bis das Kind dann ohne auskommt. Bei Stoffwindeln komme man da schon deutlich günstiger weg.

„Die Überhosen werden vorher in Lanolin eingeweicht“

Diese besteht aus einer Überhose, die etwa 20 Euro kostet, und einer Einlage, statt der man auch ein einfaches „Spucktuch“ nehmen kann. Rund 30 davon hat die Familie, dazu kommen fünf Überhosen aus Wolle in verschiedenen Farben, die man sich aus privater Hand extra hat anfertigen lassen. Denn in Geschäften sind diese in der näheren Umgebung nur schwer zu bekommen.

„Die Überhosen werden vorher in Lanolin eingeweicht“, erklärt Cynthia Pötzsch. Das ist eine Art Fett, das bei der Wäsche von Schafswolle gewonnen wird. Durch das Lanolin reinigt sich die Überhose quasi selbst, bleibt so länger sauber und muss nicht ständig gewechselt werden.

Und wenn diese dann doch mal dreckig sind, kommen sie mit den Einlagen in die Waschmaschine. „Wichtig ist, dass im Waschmittel Sauerstoffbleiche enthalten ist, damit auch alle Bakterien verschwinden“, erklärt die Mutter.

Kein großer Mehraufwand

Sie und Alex Bartsch haben durchweg positive Erfahrungen mit den Stoffwindeln gemacht. „Es ist schade, dass die Stoffwindeln heutzutage als so einzigartig angesehen werden und noch nicht wieder so angekommen sind“, meint Cynthia Pötzsch.

Dabei sind Eltern, die auf diese Art von Windeln zurückgreifen, doch tatsächlich eine Seltenheit. „Es gibt vereinzelt Eltern, die das machen. Einen Trend gibt es aber nicht“, sagt die Weißenfelser Hebamme Gudrun Becker. Zwar sparen Eltern dadurch erstmal Geld: „Aber sie müssen ja Wasser und Waschpulver auch bezahlen“, sagt die Hebamme.

„Es gibt ein paar Exoten, die Stoffwindeln nehmen“

42 Jahre lang hat Martina Kühnert aus Hohenmölsen in diesem Beruf gearbeitet. „Es gibt ein paar Exoten, die Stoffwindeln nehmen. Eltern haben mir aber bestätigt, dass sie damit nicht wirklich billiger wegkommen“, erklärt die Rentnerin. Sie und auch Gudrun Becker selbst würden heute keine Stoffwindeln mehr verwenden. Ihnen sei der Aufwand zu groß. Beide sagen aber auch, dass das jeder für sich selbst entscheiden muss.

Cynthia Pötzsch findet dagegen, dass sich der Mehraufwand mit Wickeln und Waschen in Grenzen halte. Nur das Wickeln stellte sich am Anfang als nicht so einfach dar. Denn die Spucktücher müssen spezielle gefaltet werden - deshalb dauert die ganze Prozedur auch etwas länger. „Es gibt ein paar spezielle Techniken und die ersten Male habe ich mich schon etwas komisch angestellt. Es ist aber kein Hexenwerk“, meint Alex Bartsch. (mz)