Stadtleben Stadtleben: Ein Stück altes Naumburg in der Jakobsgasse

Naumburg - Historisches und modernes Naumburg - in der Jakobsgasse trifft beides unmittelbar aufeinander. An der Giebelwand des Hauses Nummer 14. Links steht das Gebäude aus dem 17. Jahrhundert, rechts die von der GWG-Wohnungsgesellschaft errichteten Flachdach-Häuser. Hausherr Günter Bechmann bittet in sein Reich, Jakobsgasse 14. Der Anlass ist ein freudiger. Es wird Richtfest gefeiert.
Ursprünglich nur der Giebel
Im April hatte der Naumburger Architekt Matthias Tränkner mit der Planung zur Sanierung des Altbaus begonnen. „Ursprünglich war nur vorgesehen, eine der beiden Giebelwände neu zu verputzen, dann aber stellte sich heraus, dass auch der Dachstuhl erneuert werden muss“, berichtet Tränkner. Und wie so oft bei solchen Haus-Methusalems: Es zwickt ihnen auch noch an der einen oder anderen Stelle.
Bechmann und Tränkner entschieden sich deshalb für ein größeres Sanierungspaket: Fassade, Dachstuhl und Dach, Giebel, Hinterhaus und Laubengang. Rund 47000 Euro, so verrät Bechmann, wird er investieren. Lob bekommt er dafür von den Gästen des Richtfests, die sich im Hof zur Feier versammelt haben.
„Ich finde es schön und wichtig, dass ein Stück altes Naumburg erhalten bleibt“, sagt Doris Simmelbauer. Sie ist in der Jakobsgasse aufgewachsen, hat dort von 1971 bis 1989 gewohnt. „Als Kind habe ich mich hier sehr wohlgefühlt, wir konnten auf der Straße spielen, es gab eine gute Nachbarschaft“, erinnert sie sich. Allerdings waren die Häuser dann so marode geworden, dass ihre Familie auszog. Günter Bechmann dagegen, der in der 14 geboren wurde, ist seitdem in ihr wohnen geblieben. „Ich kenne die Gasse noch ganz, mit Kneipe und Milchgeschäft“, sagt der 62-Jährige, der im Naumburger Cineplex-Kino arbeitet.
Früher Schusterwerkstatt
Komplett aus dieser Zeit erhalten geblieben sind die baulichen Besonderheiten des Hauses wie der kleine Wein- und Vorratskeller, der vom Hausflur aus bestückt werden kann, sowie der Laubengang und das Hinterhaus. „Früher war das eine Schusterwerkstatt, im Hinterhaus wohnten die Gesellen“, weiß Bechmann.
Der Laubengang soll durch den Austausch schadhafter Teile erneuert werden, ein zu den anderen historischen Fenstern passendes werde für mehr Licht im Treppenaufgang sorgen, kündigt Tränkner an. Ebenso wie unter dem Dach, wo die Schönburger Firma Wiebicke bereits das neue Gebälk eingebaut hat, sind im kleinen Seitengebäude frische Balken eingezogen worden. „Außerdem haben wir alles entsprechend stabilisiert, wir sind gut vorangekommen, wenn man bedenkt, dass wir erst vor drei Wochen mit den eigentlichen Arbeiten begonnen haben“, äußert sich Tränkner zufrieden.
Geburtstagskarte von 1903
Doch nicht nur in baulicher Hinsicht offenbart sich das kleine Haus mit seinen alten Fenstern und Türen als historische Fundgrube, hat Günter Bechmann doch vieles aufbewahrt. So greift Matthias Tränkner in einen Karton, in dem sich Briefmarken aus der Zeit um die Jahrhundertwende und eine Geburtstagskarte von 1903 befinden. Daneben stehen Großmutters gusseiserne Wäschemangel und ein Kanonenofen. Einer der Bauarbeiter bringt einen Geldschein: 500 Millionen Reichsmark ist er wert, wenn auch nur zu Inflationszeiten. „Damit können sie uns locker bezahlen“, scherzt der Mann. Unter dem Dach findet sich eine Kiste für Rollschuhe aus dem VEB Sportgeräte Sangerhausen, in der Diele eine Schachtel des Geschäfts für Herrenbekleidung von Richard Hoffmann aus der Großen Jacobsstraße 2. Darüber hängt eine Bildcollage, mit der das Infanterie-Regiment Graf Tauentzien 1913 sein 100-jährigen Bestehen verkündete.
Jim Carreys „Die Maske“
Dass Günter Bechmann neben der Jakobsgasse sein zweites Zuhause im Kino hat, sieht der Gast am vor der Wohnzimmertür liegenden Abtreter. Er trägt die Aufschrift „Jim Carreys ’Die Maske’ - Von Null auf Held“. Zu den Lieblingsplätzen des Hausherren indes gehört der kleine Innenhof. Neben der Sitzecke wachsen in etlichen Töpfen exotische Pflanzen und - befestigt an einem dünnen Seil - reifen die Maracujas.
