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Schwangerschaftsabbruch Schwangerschaftsabbruch: Verboten, aber straffrei

Von Meike Ruppe-Schmidt 24.04.2019, 06:52
Im Naumburger Klinikum wurden im vergangenen Jahr 96 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen.
Im Naumburger Klinikum wurden im vergangenen Jahr 96 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. dpa

Naumburg/Weißenfels - Bis heute ist es ein Tabuthema. Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, sprechen meist mit niemandem darüber. Zu groß ist die Angst vor Stigmatisierung. 100986 Frauen in Deutschland haben laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2018 ihre Schwangerschaft abgebrochen. 3222 waren es in Sachsen-Anhalt.

Laut Paragraf 219 (Strafgesetzbuch) ist es Ärzten in Deutschland verboten, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben. Denn laut Gesetz sind diese in Deutschland nicht legal. Sie bleiben lediglich bis zur 12. Schwangerschaftswoche ohne rechtliche Konsequenzen. Das Problem: Bis vor Kurzem durften Ärzte auf ihren Webseiten noch nicht einmal darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Das kritisiert die Weißenfelser Gynäkologin Nadine Homagk. „Frauen müssen die Möglichkeit haben, sich über das Leistungsspektrum einer Arztpraxis informieren zu können“, sagt sie. „Denn Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, befinden sich meist in erheblichen körperlichen, psychischen oder finanziellen Notsituationen.“

Wie hoch die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche im Burgenlandkreis genau ist, darüber liegen keine offizielle Zahlen vor. Doch allein in Weißenfels haben 2018 insgesamt 102 Frauen ein sogenanntes Schwangerschaftskonfliktgespräch bei der Beratungsstelle des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) aufgesucht.

„Ein solches Beratungsgespräch muss jede Frau wahrnehmen, die einen Schwangerschaftsabbruch plant“, erklärt Schwangerschaftsberaterin Claudia Steinhübl vom DRK in Weißenfels. „Zwischen dem Beratungsgespräch und dem medizinischen Eingriff müssen zudem mindestens drei Tage Zeit liegen.“ Hintergrund des Gesprächs: „Wir wollen keine Frau überreden, von einem Abbruch abzusehen. Sondern vielmehr einen Blick von außen anbieten, damit sie für sich die bestmögliche Entscheidung treffen können.“ In Naumburg werden diese Beratungsgespräche von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) angeboten, in Zeitz von der Beratungsstelle Pro Familia. Das Burgenlandklinikum verzeichnet für den Standort Naumburg 96 Schwangerschaftsabbrüche im vergangenen Jahr. Am Standort Zeitz waren es 91.

„Bei den Frauen herrschen große Angst- und Schamgefühle“, sagt Cornelia Rupp, Schwangerschaftsberaterin der Naumburger Awo. „Keine findet es gut, dass sie sich zu diesem Schritt entschließen muss.“ Das bestätigt auch Claudia Steinhübl: „Frauen, die sich für einen Abbruch entscheiden, befinden sich in einer Notlage. Letztlich handeln sie aus Vernunft.“

Warum sich Frauen dafür entscheiden, ihr Kind nicht auf die Welt zu bringen? „Am häufigsten werden partnerschaftliche Gründe genannt“, so Steinhübl. „Entweder es kriselt in der Beziehung, oder man ist noch nicht lange zusammen. Viele Frauen haben Angst, mit dem Kind allein dazustehen, weil auf den Partner kein Verlass sei.“ Als weitere Gründe wurde genannt, dass die Familienplanung abgeschlossen ist, dass man den Lebensstandard erhalten möchte oder dass man sich finanziell kein (weiteres) Kind leisten könne. Ein Teil der Frauen gab zudem berufliche Gründe an. „Sie hatten gerade eine neue Arbeitsstelle angetreten oder standen kurz davor, einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu bekommen.“ Bei vielen Betroffenen spiele aber auch körperliche und psychische Überforderung eine Rolle bei der Entscheidung.

Das Alter der Betroffenen reicht von 15 bis 45 Jahre. In den Naumburger und Weißenfelser Beratungsstellen war der überwiegende Teil der Betroffenen zwischen 25 und 30 Jahre alt. 73 Fälle gab es in dieser Altersgruppe. Mit insgesamt neun Fällen waren Betroffene unter 18 Jahren vergleichsweise gering vertreten.

Wie viele der Frauen nehmen nach einen Konfliktgespräch von ihrer Entscheidung Abstand? „Die Anzahl ist verschwindend gering“, sagt Claudia Steinhübl. „Mir sind nur zwei Fälle bekannt, bei denen sich die Frau nach dem Gespräch doch für das Kind entschieden hat.“ Cornelia Rupp von der Naumburger Awo ist kein einziger Fall bekannt. „Die meisten, die zu uns kommen, haben ihre Entscheidung bereits getroffen“. Deshalb sieht sie auch das kontrovers diskutierte Werbeverbot für Ärzte kritisch: „Keine Frau wird sich anders entscheiden, nur weil ein Arzt auf seiner Webseite informiert, dass er Abbrüche vornimmt.“ Das Bestätigt auch Gynäkologin Homagk: „Die Entscheidung für einen Abbruch fällt weit vorher.“