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Rumänien-Hilfe Naumburg Rumänien-Hilfe Naumburg: Weniger Armut mehr Glück?

Von Harald Boltze 18.01.2018, 09:44
2111 Päcken, die in Deutschland abgegeben wurden, konnten in Laslea an Kinder und Eltern verteilt werden.
2111 Päcken, die in Deutschland abgegeben wurden, konnten in Laslea an Kinder und Eltern verteilt werden. Privat

Naumburg - Auch dieses Mal standen die Kinder wieder an der Dorfstraße der rumänischen Gemeinde Laslea und warteten auf den Lkw. Schließlich bringt er Jahr für Jahr im Dezember eine große Ladung Geschenke. 2111 Pakete waren es dieses Mal, die auf den Weg nach Siebenbürgen geschickt worden waren. Rund 1000 davon stammen aus der Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ - abgegeben von Familien, Kindergärten und Schulklassen in Naumburg, Bad Kösen, Niederholzhausen und Karsdorf.

„Wir haben uns sehr gefreut, wie schön verpackt die Päckchen in dieser zwölften Auflage der Aktion diesmal waren“, erzählt die Naumburger Rentnerin Waltraud Kabisch, die mit Spielzeughändler Andreas Merker und weiteren Mitstreitern seit 1995 in der Rumänien-Hilfe tätig ist.

Die Gemeinde Laslea liegt in der Mitte Rumäniens in Siebenbürgen, auch als Transsilvanien bekannt. Geprägt wurde das Gebiet ab dem 12. Jahrhundert durch den Zuzug deutscher Siedler, auch „Siebenbürger Sachsen“ genannt. Von zehn Prozent Deutschen im Jahr 1920 ist der Anteil an der Bevölkerung auf unter ein Prozent gesunken. „Es gibt mittlerweile Dörfer in der Region, da leben gar keine Deutschen mehr“, erzählt Waltraud Kabisch. Viele junge Menschen, berichtet die Naumburgerin, ziehe es nach Spanien oder Italien, um dort zu arbeiten. Kabisch: „Aber es gibt auch viele Rückkehrer.“ (hob)

Da auch der befreundete Verein im sächsischen Frohburg wieder fleißig gesammelt hatte, konnten am 6. Dezember besagte 2111 Pakete auf Reisen gehen. Spielzeug war darin, auch Süßigkeiten und Lebensmittel natürlich. Der Transport war durch Geldspenden abgesichert worden. Mit Listen erreichte man eine gerechte Verteilung in den armen Dörfern der rumänischen Großgemeinde Laslea. Kindergärten und Schulen wurden angefahren. Die Dankbarkeit der Mädchen und Jungen sei - wie immer - unermesslich gewesen, meint Waltraud Kabisch.

Sie selbst hat den stressigen und kalten Wintertransport mit ihren 74 Jahren dieses Mal nicht mitgemacht. Ein halbes Jahr vorher, im Juni 2017, war sie aber vor Ort. In einer Nachbargemeinde half sie, ein Begegnungszentrum für Jugendliche, die kein Zuhause haben, aufzubauen. Dort will sie mit ihrem Mann auch kommenden Mai wieder mit anpacken.

Durch private Kontakte war Mitte der 90er-Jahre der Naumburger Hilfsverein für die Menschen in Siebenbürgen entstanden. Damals konnte eine Fahrt dorthin schon mal über 50 Stunden dauern. „Letzten Sommer haben wir es in nur 14 Stunden geschafft. Rumänien investiert derzeit viel in Straßen“, erzählt Waltraud Kabisch.

Doch wie hat sich die Armut vor Ort entwickelt? „Es ist besser geworden. Selbst auf den Dörfern. Da jede Familie ein bisschen Land besitzt und sich selbst versorgt, muss eigentlich niemand hungern.“ Auch Strom, Telefon und Handys mit Internetempfang hätten nun die meisten Menschen. „Aber manchmal glaube ich, sie waren früher glücklicher, selbst in Umständen, wo wir die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben. Da kannten sie das Stadtleben nicht. Heute sehen sie im Fernsehen, was es alles gibt und was sie sich nicht leisten können,“ wird Waltraud Kabisch nachdenklich. Dankbarkeit und Gastfreundschaft sei jedoch unverändert groß. Ungezogene Kinder gäbe es nicht. „Das ist kein Vergleich zu hier.“

In über 20 Jahren haben die Naumburger und Frohburger Helfer in Laslea mit Spenden und Tausenden Stunden Arbeit ein Krankenhaus aufgebaut, eine Schule neu eingerichtet, viele Menschen mit Waschmaschinen versorgt. Die meisten Häuser haben nun holzbefeuerte Badeöfen. Öl oder Elektroenergie können sich nur die wenigsten leisten.

Am Anfang, so erinnert sich Waltraud Kabisch, habe man dem dortigen Arzt ein Fahrrad aus Deutschland mitgebracht, damit er in dem langgestreckten Dorf die Patienten besser erreicht. „Das Fahrradfahren haben wir ihm auf der Straße erst beibringen müssen, und das ganze Dorf hat zugeschaut.“

Leichte Verbesserungen gebe es in puncto Hygiene und Sauberkeit. „Hier hat unsere Hilfe gefruchtet. Auch wenn wir lernen mussten, dass man kulturelle Unterschiede, auch was die Arbeitsmoral angeht, akzeptieren muss und nicht von außen ändern kann.“ Dass die weiterhin in Armut lebenden Menschen nun via Satellit die westliche Welt kennenlernen, muss aber nicht zwingend in Neid münden. So seien die Bewohner der Nachbargemeinde stolz, dass Prinz Charles jedes Jahr aus London anreist, durchs Dorf läuft und sich das Schloss seiner Vorfahren anschaut. Auch ein rumänischer Milliardär habe sich gerade angesiedelt, eine Villa samt Hubschrauberlandeplatz und eine Ferienanlage bauen lassen. Wer weiß, vielleicht eine Reiseidee für Touristen aus Naumburg. Auch die Rumänien-Helfer rund um Waltraud Kabisch nehmen Interessierte in die Dörfer Lasleas mit. „Aber sie müssten anpacken können und auf manche hygienischen Gewohnheit verzichten.“