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Reinsdorf Reinsdorf: Linden vor alten Höfen

07.03.2018, 14:55
Der Reinsdorfer  Kindergarten in Trägerschaft der Volkssolidarität ist gut ausgelastet.
Der Reinsdorfer  Kindergarten in Trägerschaft der Volkssolidarität ist gut ausgelastet. Gudrun Schröder

REINSDORF - Herumtoben auf dem Anger, jährlich Pfingsten mit Oma Ida und Opa Gustav hinauf in den Obstberg der befreundeten Familie Wackernagel im Elsloch, beim warmen Sommerregen in Gummistiefel durch den Dorfbach waten, für eine Mark Karussellfahren zum legendären Volksfest auf dem Dorfplatz, dazu der Schnippsball aus Kropfs Minnas Bauchladen zur Kirmes, Schlittenfahren am Zuckerfabriksberg und Schlittschuhlaufen auf den zugefrorenen Unstrutwiesen.

Doch das ist lange her. Da gab es auch noch die Grundschule bis zur sechsten Klasse, in der stets zwei Klassenstufen in einem Raum unterrichtet wurden, aber auch schon ein modernes Kino. Der Ort an der Unstrut ist für mich, 57 Jahre nach dem Umzug nach Karsdorf, noch heute, ein schönes, richtiges Dorf geblieben.

Natürlich hat sich vieles verändert. Gleich am Dorfeingang grüßt das Reinsdorfer Wappen die Besucher. Die Steinmetzarbeit von Thomas Poog in den Farben Blau und Weiß trägt einen Getreidehalm und eine Weintraube als Symbole für Acker- und Weinbau. In der Mitte ist Johannes der Täufer, der Schutzheilige des einstigen Benediktinerklosters, zu sehen. Von hier aus führt die breite, gepflasterte Dorfstraße, die von Laubbäumen gesäumt ist, in den Ort hinein.

Die Linden der geschützten Allee sind 88 Jahre alt. Hannelore Hübner, die gebürtige Reinsdorferin, weiß es genau: „Mein Vater, Arno Kalbitz, war zwölf Jahre alt, als die Bäume gepflanzt wurden. Im August würde er seinen Hundertsten feiern.“ Im Frühjahr zeigt sich die Allee in voller Blütenpracht und verleiht der Dorfstraße ein besonderes Flair. Gern wurden die Lindenblüten von den Anwohnern gepflückt und für den eigenen Haustee getrocknet.

Reinsdorf war die Jahrhunderte hindurch ein Bauerndorf mit großen und kleinen Wirtschaften. Mit der Gründung der LPG „Max Reimann“ 1952, der 1963 die letzten Bauern beitraten, endete die traditionelle Bewirtschaftung der Bauernhöfe. Nach der Wende löste sich die LPG auf. Doch noch immer dominieren Dreiseitenhöfe das Ortsbild an der Dorfstraße.

Unweit von Hübners, auf der anderen Straßenseite, befindet sich das Grundstück von Petra und Albrecht Wille. Im großen Hof steht ein fast 200 Jahre altes Taubenhaus, das besondere Aufmerksamkeit verdient. „Unser Wohnhaus wurde um 1860 errichtet. Der Taubenschlag stand da bereits“, weiß Frau Wille aus Erzählungen. Das aus Eichenholz mit 80 Öffnungen gearbeitete Taubenhaus, ruht auf einem säulenartigen Unterbau aus Buntsandstein. Bis zum Jahr 2000 war es bevölkert, bis Willes die Taubenzucht aufgaben.

Nach 1 120 Jahren hat die kleine Weinbaugemeinde an der Unstrut ihre Selbstständigkeit verloren. Mit Wangen gehört Reinsdorf seit 2010 zur Stadt Nebra. „Freiwillig sind wir nicht gegangen. Es war eine Zwangseingemeindung“, sagte Frank Bornschein. Der Ex-Bürgermeister vertritt jetzt die Reinsdorfer im Nebraer Gemeinderat. Seit der Eingemeindung liege einiges im Argen, findet Bornschein und zählt auf: kaputte Straßen, besonders im Unterdorf und An der Klinge, desolate Fußwege, das defekte Dach am kleinen Vereinshaus. Doch auch in diesem Jahr wird sich der Zustand nicht verbessern. Wie Nebras Bürgermeisterin Antje Scheschinski berichtete, besitzt die Stadt keinen bestätigten Haushalt. Die geplante Instandsetzung des Fußweges an der Bushaltestelle steht somit in den Sternen. Auch die Lindenallee muss da auf den fachgerechten Schnitt warten.

Über fehlende Dienstleistungen der Stadt, wie die Grünflächenpflege und den Winterdienst, können sich die Reinsdorfer ansonsten nicht beklagen. Wolfgang Neubert, Mitarbeiter des Bauhofes, ist täglich im Dorf unterwegs.

Gegenwärtig packt die Baufirma „Meli“ aus Laucha am Schmoner Bach in Reinsdorf die Hochwasserschäden an. Die Arbeiten erfolgen im Auftrag des Unterhaltungsverbandes Untere Unstrut und werden mit Hochwassermitteln finanziert.

Gleich neben dem Bach, im imposanten ortsprägenden Sandsteingebäude mitten im Dorf, befindet sich der Kindergarten „Landzwerge“. Im Jahr 2010 übernahm die Volkssolidarität Querfurt - Merseburg die Trägerschaft über die kommunale Einrichtung. Nach Auskunft der Leiterin des Kindergartens, Jessika Engel, besuchen 29 Mädchen und Jungen die Tagesstätte, die somit ausgelastet ist. Ob für den Kindersegen das Storchenpaar verantwortlich ist, das jedes Jahr im Nest auf dem Schornstein der ehemaligen Bäckerei brütet, wer weiß. Viele junge Familien sind im Dorf, das 520 Einwohner zählt, sesshaft geworden. Im ausgewiesenen Mischgebiet, der Altenburg, ist eine hübsche Wohnsiedlung mit Eigenheimen entstanden. „Unsere öffentlichen Bauplätze sind alle vergeben. Hausbau ist höchstens auf privaten Grundstücken noch möglich“, so Bornschein.

(mz)