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Prozess oder Posse? Prozess oder Posse?: Adrian Ursache spricht von seiner "Exekution" - Plädoyers erwartet

Von Steffen Könau 28.02.2019, 15:57
Adrian Ursache (links) mit seinem Anwalt Hartwig Meyer
Adrian Ursache (links) mit seinem Anwalt Hartwig Meyer Steffen Könau

Reuden/Halle (Saale) - Der Angeklagte sitzt seit mehr als 30 Monaten in Untersuchungshaft, der Prozess dauert bereits anderthalb Jahre. Es ist der 51. Verhandlungstag inzwischen und im Verfahren gegen Adrian Virgil Ursache ist es, als ob die Zeit stillsteht.

Wieder haben die drei Verteidiger des früheren Telefonverkäufers, Solarunternehmers und Mister Germany einen ganzen Packen von Beweisanträgen vorbereitet. Und wieder zielen die auf die offenen Punkte in einem Verfahren, das nach Ansicht der drei Anwälte trotz schier endloser Dauer noch so viele ungeklärte Punkte aufweist, dass die Wahrheitsfindung aus ihrer Sicht nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann. 

Prozess gegen Adrian Ursache: Dutzend von Anträgen

Es geht in dem Dutzend von Anträgen einmal mehr um die offenen Fragen eines Verfahrens, das nach so langer Zeit einigermaßen verfahren scheint. Während die Staatsanwaltschaft, die bereits vor Wochen plädiert und eine achtjährige Freheitsstrafe für den Angeklagten gefordert hat, „alle zur Aufklärung notwendigen Feststellungen“ längst getroffen sieht, zweifelt die Verteidigerbank nach wie vor alles an, was die Anklageschrift ihren Mandanten zum Tatgeschehen vom August 2016 vorwirft.

Damals hatte ein Sondereinsatzkommando des Landeskriminalamtes versucht, einem Gerichtsvollzieher, der das zwangsvollstreckte Haus der Familie Ursache in Reuden (Burgenlandkreis) hatte räumen lässen wollen, Amtshilfe zu geben. Adrian Ursache, von den Behörden als „Reichsbürger“ eingeordnet, war den Beamten mit einem Revolver in der Hand entgegengetreten. Nach längerer Diskussion schoss schließlich ein Beamter auf ihn. Daraufhin, so die Anklage, habe Ursache gezielt auf den Kopf des im Prozess nur mit der Codenummer ST325 bezeichneten SEK-Mannes gefeuert und diesen am Hals verletzt.

Prozess gegen Adrian Ursache: Angeklagter bestreitet, gezielt geschossen zu haben

Ursache bestreitet, gezielt geschossen zu haben, und negiert an diesem Tag sogar wieder, dass sich überhaupt ein Schuss aus seiner Waffe gelöst hat. Seine Verteidiger bohren mit ihren Beweisanträgen in den klaffenden Wunden des Verfahrens:

So hatte ST325 unmittelbar nach dem Schusswechsel ausgesagt, er habe erst einen Schlag am Hals gespürt, dann sei geschossen worden. Erst später habe der Mann angegeben, sich nun besser erinnern zu können und zu wissen, dass er wohl doch erst Schüsse gehört habe.

Dazu soll nun nach Auffassung von Anwalt Manuel Lüdke das Gericht selbst vernommen werden – denn weil Zeugenaussagen im Verfahren nicht wörtlich protokolliert würden, sei für eine mögliche Revision wichtig, was die fünf Richter zu diesem Punkt für sich selbst vermerkt hätten.

Prozess gegen Adrian Ursache: Gutachten zur Frage, ob aus der vermeintlichen Tatwaffe tatsächlich geschossen worden sei

Auch ein Gutachten zur Frage, ob aus der vermeintlichen Tatwaffe tatsächlich geschossen worden sei, wird wieder beantragt. Die Trommelstellung des Revolvers im Moment der Sicherstellung durch die Tatortgruppe des LKA war so, dass sich zuvor kein Schuss gelöst haben kann. Zudem geht es um eine Aussetzung des Verfahrens, bis die vor Monaten bereits beantragten Patientenakten des beim Schusswechsel schwerverletzten Ursache seinen Verteidigern vorliegen.

Einen Teil der Unterlagen kann der Vorsitzende Richter Jan Stengel den Verteidigern sofort zugänglich machen, indem er eine als „unlesbar“ bezeichnete Daten-DVD kurzerhand per Lehrvorführung in der Verhandlungspause am Laptop von Manuel Lüdke entschlüsselt.

Danach sind alle wieder in ihren Rollen. Die Verteidiger beklagen Lücken in der Sachaufklärung, der Angeklagte bezeichnet die Staatsanwälte als „sogenannte Staatsanwälte“ und die Anklage als „sogenannte Anklageschrift“. Alle „Maßnahmen“ (Ursache) gegen ihn hätten keine Rechtsgrundlage gehabt, Ziel sei viel mehr „meine Exekution“ gewesen.

Nur noch die Plädoyers fehlen

Anschließend lehnt die Staatsanwaltschaft per Stellungsnahme alle neu gestellten Beweisanträge ab. Es bedürfe dieser nicht mehr, weil zu allen Punkten bereits ausreichend Stellung genommen worden sei. Das Gericht weist abschließend eine Reihe von früher gestellten Anträgen als unzulässig zurück, gesteht Anwalt Dirk Magerl aber auf Antrag eine zusätzliche Frist zur Stellung weiterer Anträge zu.

Die umfasst allerdings nicht einmal 24 Stunden. Nach 51 Verhandlungstagen ist der Prozess seinem Ende zumindest viel näher als seinem Anfang. Nach dem nun absehbarem zweiten Ende der Beweisaufnahme stehen dann nur noch die Plädoyers an. (mz)