Pendeln zum Arbeitsplatz Pendeln zum Arbeitsplatz im Burgenlandkreis: "Es fehlen Visionen für den Landkreis"

Bad Kösen - Laut dem Statistischen Landesamt pendelt jeder dritte Berufstätige im Burgenlandkreis zur Arbeit in benachbarte Kreise oder Großstädte. Zu diesem Thema initiierte der Bad Kösener Steffen Brüsehaber eine Online-Umfrage im Internet. Mit dem 44-Jährigen, der im Vorstand des CDU-Ortsverbands Naumburg aktiv ist, sprach Constanze Matthes.
Um was geht es in Ihrer Umfrage?
Steffen Brüsehaber: Sie umfasst einen Fragekatalog mit zehn Fragen zum Thema Pendeln zum Arbeitsplatz. Mehr als 120 Frauen und Männer haben daran teilgenommen. Die Umfrage dauerte von Ende November bis Anfang Dezember. Sie ist allerdings weder wissenschaftlich noch repräsentativ. Das Thema Wirtschaft, Ansiedlung von Unternehmen und Arbeitsplätze beschäftigt mich auch privat sehr.
Warum?
Brüsehaber: Ich bin selbst Pendler. Seit dreieinhalb Jahren arbeite ich in Leipzig in einem Unternehmen der Autobranche und fahre täglich von Bad Kösen nach Leipzig und zurück.
Was sind nach Ihrer Meinung die schwerwiegendsten Nachteile der Pendelei?
Brüsehaber: Die Lebensqualität nimmt ab. Statt Zeit mit der Familie oder Freunden zu verbringen, ist man unterwegs. Das Geld, das für das Pendeln ausgegeben wird, wird nicht anderweitig investiert. Also ist die Kaufkraft geringer. Und wir reden hier von Millionenbeträgen. Während der Umfrage hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, auch ihre Gedanken zu äußern. Ich hatte den Eindruck, dass sie in gewisser Weise auch ihr Herz einmal ausschütten wollten.
Das war manchmal sehr emotional. Wenn wenn sich Eltern melden, die ihre Kinder zu wenig sehen, oder Paare, wo beide pendeln und sie pro Woche zehn bis 20 Stunden Familienzeit verlieren, dann verdeutlicht das die menschliche Tragik des Problems. Dem muss man auch politisch durch besondere Anstrengungen gerecht werden.
Was sind erste Ergebnisse Ihrer Studie, die Sie besonders überrascht haben?
Brüsehaber: Erstens: Etwa die Hälfte der Pendler arbeitet seit bereits fünf Jahren außerhalb des Kreises – die anderen noch länger. Es stellt sich mir dann die Frage, ob diese hierbleiben oder eines Tages den Burgenlandkreis verlassen und damit der Region verloren gehen. Und zweitens: Der überwiegende Teil der Teilnehmer glaubt, dass sich die Politik in Sachen Wirtschaft und Wirtschaftsförderung zu gut darstellt.
Ich teile diese Ansicht und provoziere gern mit der Frage, wann aus gegenseitigem Schulterklopfen und Schönwetterreden auch Aktion wird. Viele Berufstätige pendeln, weil qualifizierte Frauen und Männer hier kaum Arbeit finden. Weiterhin wandern junge Menschen ab, während Ältere Teilzeit arbeiten, um sich zur Rente etwas hinzuverdienen.
Wohin zieht es denn die meisten Pendler?
Brüsehaber: Die Ziele sind der Saalekreis, vor allem wegen des Chemie-Standortes Leuna, nach Halle, Leipzig und Jena.
Was müsste denn für die Zukunft getan werden?
Brüsehaber: Es fehlen Visionen und Zukunftsbranchen, die sich hier ansiedeln. Doch dafür braucht es nicht nur einen Menschen, sondern viele mit Ideen und Know-how. Es mangelt an Ansiedlungsstrategien. Es passiert zu wenig und es wird zu wenig im öffentlichen Raum darüber diskutiert. Die meisten Unternehmen im Burgenlandkreis mit mehr als 100 Mitarbeitern sind vor mehr als 20 Jahren gegründet worden. In den letzten 15 Jahren hat sich kein mittelständisches Unternehmen in dieser Größenordnung hier angesiedelt.
Was haben Sie mit Ihrer Umfrage vor?
Brüsehaber: Ich habe eine eingehende Analyse der Daten der CDU-Kreistagsfraktion übergeben und werde das mit den Ergebnissen der Umfrage genauso handhaben. Es ist wichtig, dass hier etwas geschieht. Leider ist es so, dass die Verantwortlichen selbst keine Betroffenen sind. Ich glaube, etwas Druck aus der Bürgerschaft kann dafür sorgen, dass die Pendler, ihre Familien und deren Sorgen gehört werden.
Welche Reaktionen außerhalb der Umfrage habe Sie auf Ihre Aktion erhalten?
Brüsehaber: Ich wurde darauf von Betroffenen durchweg positiv angesprochen und habe viele E-Mails erhalten. Auch von nicht betroffenen Menschen habe ich großen Zuspruch bekommen. Ich sehe mich darin bestärkt, das Thema weiter zu verfolgen.
Was wären denn weitere wirtschaftliche Themen, die für eine kommende Umfrage interessant wären?
Brüsehaber: Umfragen können in jedem Bereich hilfreich sein, rein statistische Daten zu evaluieren. Also ein Meinungsbild zu bekommen. Mit der Erfassung einer Ist-Situation ist ja nur der erste Schritt getan. Dann stellt sich die Frage, wie es weiter geht. Im aktuellen Thema kann ich mir eine Bürgerbeteiligung gut vorstellen, um Ideen für eine professionelle Ansiedlungsstrategie zu entwickeln. Ich werbe gern weiter dafür, das schnellstmöglich anzugehen, weil zu viele Jahre ungenutzt verstrichen sind. Den Menschen im Burgenlandkreis sind wir das schuldig.
(mz)
